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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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gelesen; und das bischen, was ich von der Arz-
neykunst weiß, hab ich ihr zu verdanken. Gott
weiß, ich hab sie schon oft noch im Grab gesegnet.
Es freut mich herzlich, daß ich da so einen from-
men wolgerathnen Sohn von ihr sehe. Wie
würd' jetzt die gute Frau sich drüber freuen! Sie
hatte wenig Freud' auf der Welt; doch jetzt ist
sie längst getröstet! -- Der Pfarrer ließ Kaffee
machen. Jndeß kam ein kleines artiges Mädchen
von sieben Jahren herein. Das ist meines Bru-
ders Tochter von Burgau, sagte er. Die Kna-
ben konnt ich nicht zu mir nehmen, die sind mir
zu wild, und machen mir zu viel Unordnung im
Haus. Aber das ist ein stilles artiges Kind, und
lernt auch brav. Es versteht schon viel vom
Gartenwesen, und weiß mir recht an die Hand
zu gehen. Philippinchen, du kannst nachher der
Jungfer drunten im Garten zeigen, was du schon
gepflanzt hast, den Kohl, und die Blumen! Sie
versteht dir das Gartenwesen recht, und wenn
du artig bist, so kann sie dich allerley lehren.
Therese nahm Philippinchen auf den Schoos,
und ließ sich viel von ihr erzählen. Jhre artige
Herablassung gefiel unserm Kronhelm ungemein;
und überhaupt ihr natürliches und ehrerbietiges



geleſen; und das bischen, was ich von der Arz-
neykunſt weiß, hab ich ihr zu verdanken. Gott
weiß, ich hab ſie ſchon oft noch im Grab geſegnet.
Es freut mich herzlich, daß ich da ſo einen from-
men wolgerathnen Sohn von ihr ſehe. Wie
wuͤrd’ jetzt die gute Frau ſich druͤber freuen! Sie
hatte wenig Freud’ auf der Welt; doch jetzt iſt
ſie laͤngſt getroͤſtet! — Der Pfarrer ließ Kaffee
machen. Jndeß kam ein kleines artiges Maͤdchen
von ſieben Jahren herein. Das iſt meines Bru-
ders Tochter von Burgau, ſagte er. Die Kna-
ben konnt ich nicht zu mir nehmen, die ſind mir
zu wild, und machen mir zu viel Unordnung im
Haus. Aber das iſt ein ſtilles artiges Kind, und
lernt auch brav. Es verſteht ſchon viel vom
Gartenweſen, und weiß mir recht an die Hand
zu gehen. Philippinchen, du kannſt nachher der
Jungfer drunten im Garten zeigen, was du ſchon
gepflanzt haſt, den Kohl, und die Blumen! Sie
verſteht dir das Gartenweſen recht, und wenn
du artig biſt, ſo kann ſie dich allerley lehren.
Thereſe nahm Philippinchen auf den Schoos,
und ließ ſich viel von ihr erzaͤhlen. Jhre artige
Herablaſſung gefiel unſerm Kronhelm ungemein;
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[355/0359] geleſen; und das bischen, was ich von der Arz- neykunſt weiß, hab ich ihr zu verdanken. Gott weiß, ich hab ſie ſchon oft noch im Grab geſegnet. Es freut mich herzlich, daß ich da ſo einen from- men wolgerathnen Sohn von ihr ſehe. Wie wuͤrd’ jetzt die gute Frau ſich druͤber freuen! Sie hatte wenig Freud’ auf der Welt; doch jetzt iſt ſie laͤngſt getroͤſtet! — Der Pfarrer ließ Kaffee machen. Jndeß kam ein kleines artiges Maͤdchen von ſieben Jahren herein. Das iſt meines Bru- ders Tochter von Burgau, ſagte er. Die Kna- ben konnt ich nicht zu mir nehmen, die ſind mir zu wild, und machen mir zu viel Unordnung im Haus. Aber das iſt ein ſtilles artiges Kind, und lernt auch brav. Es verſteht ſchon viel vom Gartenweſen, und weiß mir recht an die Hand zu gehen. Philippinchen, du kannſt nachher der Jungfer drunten im Garten zeigen, was du ſchon gepflanzt haſt, den Kohl, und die Blumen! Sie verſteht dir das Gartenweſen recht, und wenn du artig biſt, ſo kann ſie dich allerley lehren. Thereſe nahm Philippinchen auf den Schoos, und ließ ſich viel von ihr erzaͤhlen. Jhre artige Herablaſſung gefiel unſerm Kronhelm ungemein; und uͤberhaupt ihr natuͤrliches und ehrerbietiges

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/359>, abgerufen am 23.11.2024.