Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.sehr vergnügt beym alten Siegwart an. Beym Essen erzählten sie mit vielem Lachen die Bedie- nung und den feyerlichen Empfang bey der Amt- männinn, und glaubten, dem alten Siegwart ein Vergnügen dadurch zu machen. Er sah aber im- mer sehr ernsthaft, oft sehr traurig aus; und blick- te seine Therese oft sehr mitleidig an. Sie merkte es, und ward auch sehr tiefsinnig drüber. Sie dachte ängstlich hin und her, und konnte doch nichts ausfindig machen, womit sie ihrem Vater könnte Anlaß gegeben haben, unzufrieden über sie zu werden. Nach Tische gieng sie einigemal mit Kronhelm traurig im Garten auf und nieder; entdeckte ihm ihre Besorgnis wegen des Tiefsinns ihres Vaters, |und sagte endlich, sie könne nicht ruhen, bis sie die Ursache davon erfahre. Sie trennte sich auch diesmal bald von ſehr vergnuͤgt beym alten Siegwart an. Beym Eſſen erzaͤhlten ſie mit vielem Lachen die Bedie- nung und den feyerlichen Empfang bey der Amt- maͤnninn, und glaubten, dem alten Siegwart ein Vergnuͤgen dadurch zu machen. Er ſah aber im- mer ſehr ernſthaft, oft ſehr traurig aus; und blick- te ſeine Thereſe oft ſehr mitleidig an. Sie merkte es, und ward auch ſehr tiefſinnig druͤber. Sie dachte aͤngſtlich hin und her, und konnte doch nichts ausfindig machen, womit ſie ihrem Vater koͤnnte Anlaß gegeben haben, unzufrieden uͤber ſie zu werden. Nach Tiſche gieng ſie einigemal mit Kronhelm traurig im Garten auf und nieder; entdeckte ihm ihre Beſorgnis wegen des Tiefſinns ihres Vaters, |und ſagte endlich, ſie koͤnne nicht ruhen, bis ſie die Urſache davon erfahre. Sie trennte ſich auch diesmal bald von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0393" n="389"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ſehr vergnuͤgt beym alten <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> an. Beym<lb/> Eſſen erzaͤhlten ſie mit vielem Lachen die Bedie-<lb/> nung und den feyerlichen Empfang bey der Amt-<lb/> maͤnninn, und glaubten, dem alten <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> ein<lb/> Vergnuͤgen dadurch zu machen. Er ſah aber im-<lb/> mer ſehr ernſthaft, oft ſehr traurig aus; und blick-<lb/> te ſeine <hi rendition="#fr">Thereſe</hi> oft ſehr mitleidig an. Sie merkte<lb/> es, und ward auch ſehr tiefſinnig druͤber. Sie<lb/> dachte aͤngſtlich hin und her, und konnte doch<lb/> nichts ausfindig machen, womit ſie ihrem Vater<lb/> koͤnnte Anlaß gegeben haben, unzufrieden uͤber ſie<lb/> zu werden. Nach Tiſche gieng ſie einigemal mit<lb/><hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> traurig im Garten auf und nieder;<lb/> entdeckte ihm ihre Beſorgnis wegen des Tiefſinns<lb/> ihres Vaters, |und ſagte endlich, ſie koͤnne nicht<lb/> ruhen, bis ſie die Urſache davon erfahre.</p><lb/> <p>Sie trennte ſich auch diesmal bald von<lb/><hi rendition="#fr">Kronhelm,</hi> und gieng unter dem Vorwand, ein<lb/> Buch zu holen, auf das Zimmer ihres Vaters.<lb/> Es war ihm lieb, daß ſie ſelber kam. Wo iſt<lb/><hi rendition="#fr">Xaver?</hi> ſagte er. Sie antwortete: Er werde<lb/> wol beym Herrn von <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> ſeyn. Willſt<lb/> du ihn nicht rufen, meine Tochter? Jch haͤtte<lb/> was mit ihm und dir zu reden. Sie kam gleich<lb/> wieder mit ihrem Bruder, und der Vater fieng,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [389/0393]
ſehr vergnuͤgt beym alten Siegwart an. Beym
Eſſen erzaͤhlten ſie mit vielem Lachen die Bedie-
nung und den feyerlichen Empfang bey der Amt-
maͤnninn, und glaubten, dem alten Siegwart ein
Vergnuͤgen dadurch zu machen. Er ſah aber im-
mer ſehr ernſthaft, oft ſehr traurig aus; und blick-
te ſeine Thereſe oft ſehr mitleidig an. Sie merkte
es, und ward auch ſehr tiefſinnig druͤber. Sie
dachte aͤngſtlich hin und her, und konnte doch
nichts ausfindig machen, womit ſie ihrem Vater
koͤnnte Anlaß gegeben haben, unzufrieden uͤber ſie
zu werden. Nach Tiſche gieng ſie einigemal mit
Kronhelm traurig im Garten auf und nieder;
entdeckte ihm ihre Beſorgnis wegen des Tiefſinns
ihres Vaters, |und ſagte endlich, ſie koͤnne nicht
ruhen, bis ſie die Urſache davon erfahre.
Sie trennte ſich auch diesmal bald von
Kronhelm, und gieng unter dem Vorwand, ein
Buch zu holen, auf das Zimmer ihres Vaters.
Es war ihm lieb, daß ſie ſelber kam. Wo iſt
Xaver? ſagte er. Sie antwortete: Er werde
wol beym Herrn von Kronhelm ſeyn. Willſt
du ihn nicht rufen, meine Tochter? Jch haͤtte
was mit ihm und dir zu reden. Sie kam gleich
wieder mit ihrem Bruder, und der Vater fieng,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |