Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

man ihn auch sammt dem Bette wegtragen. Lar-
kens
nahm gleich den Schließer auf die Seite, ließ
sich die nächstgelegenen Zimmer weisen und kam bald
mit der lustigen Botschaft wieder, er habe nur we-
nige Schritte von Theobalds Zelle ein Lokal ent-
deckt, darüber in der Welt Nichts gehe: einen kleinen
getäfelten Rittersaal mit einem Erker, der die schönste
Aussicht im ganzen Schloß darbiete. Sodann beschrieb
er den alterthümlichen Reiz der vielfach verzierten
eichenen Wände, eine Reihe von lebensgroß in Holz
geschnizten Grafen und Herzogen mit ihren Wappen-
schildern und Sinnsprüchen, die hölzerne Decke, auf
welcher, in gleiche Quadrate getheilt, die halbe bib-
lische Historie in rührender Geschmacklosigkeit gemalt
zu schauen, zwei riesenhafte Ofen, die man im Noth-
fall beide heitzen würde; daneben in einer Ecke lehne
ein Haufen rostiger Waffen, an deren Schwere der
Patient von Tag zu Tage seine zunehmenden Kräfte
prüfen müsse; auch stünden ein paar kleine Feuer-
spritzen bereit, und er behalte sich vor, dieselben an
dem Tage, wo man Befreiung und Genesung festlich
begehen würde, mit Tokaier füllen zu lassen, denn da
müsse der Wein recht eigentlich in Strömen fließen.
Sprach er das Leztere im Scherz, so war es ihm
mit der Verlegung Noltens in den bezeichneten
Saal so vollkommen Ernst, daß er noch jenen Mor-
gen die Erlaubniß hiezu von Seiten des Verwalters
einholte und Anstalt machte, Alles recht sauber und

man ihn auch ſammt dem Bette wegtragen. Lar-
kens
nahm gleich den Schließer auf die Seite, ließ
ſich die nächſtgelegenen Zimmer weiſen und kam bald
mit der luſtigen Botſchaft wieder, er habe nur we-
nige Schritte von Theobalds Zelle ein Lokal ent-
deckt, darüber in der Welt Nichts gehe: einen kleinen
getäfelten Ritterſaal mit einem Erker, der die ſchönſte
Ausſicht im ganzen Schloß darbiete. Sodann beſchrieb
er den alterthümlichen Reiz der vielfach verzierten
eichenen Wände, eine Reihe von lebensgroß in Holz
geſchnizten Grafen und Herzogen mit ihren Wappen-
ſchildern und Sinnſprüchen, die hölzerne Decke, auf
welcher, in gleiche Quadrate getheilt, die halbe bib-
liſche Hiſtorie in rührender Geſchmackloſigkeit gemalt
zu ſchauen, zwei rieſenhafte Ofen, die man im Noth-
fall beide heitzen würde; daneben in einer Ecke lehne
ein Haufen roſtiger Waffen, an deren Schwere der
Patient von Tag zu Tage ſeine zunehmenden Kräfte
prüfen müſſe; auch ſtünden ein paar kleine Feuer-
ſpritzen bereit, und er behalte ſich vor, dieſelben an
dem Tage, wo man Befreiung und Geneſung feſtlich
begehen würde, mit Tokaier füllen zu laſſen, denn da
müſſe der Wein recht eigentlich in Strömen fließen.
Sprach er das Leztere im Scherz, ſo war es ihm
mit der Verlegung Noltens in den bezeichneten
Saal ſo vollkommen Ernſt, daß er noch jenen Mor-
gen die Erlaubniß hiezu von Seiten des Verwalters
einholte und Anſtalt machte, Alles recht ſauber und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0012" n="326"/>
man ihn auch &#x017F;ammt dem Bette wegtragen. <hi rendition="#g">Lar-<lb/>
kens</hi> nahm gleich den Schließer auf die Seite, ließ<lb/>
&#x017F;ich die näch&#x017F;tgelegenen Zimmer wei&#x017F;en und kam bald<lb/>
mit der lu&#x017F;tigen Bot&#x017F;chaft wieder, er habe nur we-<lb/>
nige Schritte von <hi rendition="#g">Theobalds</hi> Zelle ein Lokal ent-<lb/>
deckt, darüber in der Welt Nichts gehe: einen kleinen<lb/>
getäfelten Ritter&#x017F;aal mit einem Erker, der die &#x017F;chön&#x017F;te<lb/>
Aus&#x017F;icht im ganzen Schloß darbiete. Sodann be&#x017F;chrieb<lb/>
er den alterthümlichen Reiz der vielfach verzierten<lb/>
eichenen Wände, eine Reihe von lebensgroß in Holz<lb/>
ge&#x017F;chnizten Grafen und Herzogen mit ihren Wappen-<lb/>
&#x017F;childern und Sinn&#x017F;prüchen, die hölzerne Decke, auf<lb/>
welcher, in gleiche Quadrate getheilt, die halbe bib-<lb/>
li&#x017F;che Hi&#x017F;torie in rührender Ge&#x017F;chmacklo&#x017F;igkeit gemalt<lb/>
zu &#x017F;chauen, zwei rie&#x017F;enhafte Ofen, die man im Noth-<lb/>
fall beide heitzen würde; daneben in einer Ecke lehne<lb/>
ein Haufen ro&#x017F;tiger Waffen, an deren Schwere der<lb/>
Patient von Tag zu Tage &#x017F;eine zunehmenden Kräfte<lb/>
prüfen mü&#x017F;&#x017F;e; auch &#x017F;tünden ein paar kleine Feuer-<lb/>
&#x017F;pritzen bereit, und er behalte &#x017F;ich vor, die&#x017F;elben an<lb/>
dem Tage, wo man Befreiung und Gene&#x017F;ung fe&#x017F;tlich<lb/>
begehen würde, mit Tokaier füllen zu la&#x017F;&#x017F;en, denn da<lb/>&#x017F;&#x017F;e der Wein recht eigentlich in Strömen fließen.<lb/>
Sprach er das Leztere im Scherz, &#x017F;o war es ihm<lb/>
mit der Verlegung <hi rendition="#g">Noltens</hi> in den bezeichneten<lb/>
Saal &#x017F;o vollkommen Ern&#x017F;t, daß er noch jenen Mor-<lb/>
gen die Erlaubniß hiezu von Seiten des Verwalters<lb/>
einholte und An&#x017F;talt machte, Alles recht &#x017F;auber und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0012] man ihn auch ſammt dem Bette wegtragen. Lar- kens nahm gleich den Schließer auf die Seite, ließ ſich die nächſtgelegenen Zimmer weiſen und kam bald mit der luſtigen Botſchaft wieder, er habe nur we- nige Schritte von Theobalds Zelle ein Lokal ent- deckt, darüber in der Welt Nichts gehe: einen kleinen getäfelten Ritterſaal mit einem Erker, der die ſchönſte Ausſicht im ganzen Schloß darbiete. Sodann beſchrieb er den alterthümlichen Reiz der vielfach verzierten eichenen Wände, eine Reihe von lebensgroß in Holz geſchnizten Grafen und Herzogen mit ihren Wappen- ſchildern und Sinnſprüchen, die hölzerne Decke, auf welcher, in gleiche Quadrate getheilt, die halbe bib- liſche Hiſtorie in rührender Geſchmackloſigkeit gemalt zu ſchauen, zwei rieſenhafte Ofen, die man im Noth- fall beide heitzen würde; daneben in einer Ecke lehne ein Haufen roſtiger Waffen, an deren Schwere der Patient von Tag zu Tage ſeine zunehmenden Kräfte prüfen müſſe; auch ſtünden ein paar kleine Feuer- ſpritzen bereit, und er behalte ſich vor, dieſelben an dem Tage, wo man Befreiung und Geneſung feſtlich begehen würde, mit Tokaier füllen zu laſſen, denn da müſſe der Wein recht eigentlich in Strömen fließen. Sprach er das Leztere im Scherz, ſo war es ihm mit der Verlegung Noltens in den bezeichneten Saal ſo vollkommen Ernſt, daß er noch jenen Mor- gen die Erlaubniß hiezu von Seiten des Verwalters einholte und Anſtalt machte, Alles recht ſauber und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/12
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/12>, abgerufen am 23.11.2024.