hin unvergleichliche Bedeutung gewinnt: dass sie die Idee einer die Menschheit umspannenden Einheit des Erlebens schlicht und konkret, als Thatsache, nicht blosse Lehre, hin- stellt, dem einfachsten Gemüt offenbar, und dem erhabensten Verstande unergründlich. Angesichts dessen will es doch allzu ahnungslos erscheinen, wenn man die religiösen Stoffe in einem "ethischen" Unterricht etwa auf einer Linie mit Grimms Kinder- märchen, Robinson und Homer aufmarschieren lässt.
Also: Religion kann nur als etwas Eigenes, nicht als blosser Bestandteil oder Anhang der Sittenlehre, für die Erziehung fruchtbar gemacht werden. Desto näher freilich rückt die Gefahr der Transzendenz. Es wäre schon etwas ge- wonnen, wenn diese wenigstens dem ganzen übrigen Unterricht ferngehalten würde, nicht in Geschichte und Litteratur, und gar in die Naturlehre, sich einmengen dürfte. Andrerseits kann dem Privaten, der seiner Gewissenspflicht als Erzieher nur durch eine religiöse Erziehung im Sinne der Transzendenz zu genügen glaubt, das Recht, eine solche seinem Kinde zu geben oder geben zu lassen, gegenwärtig nicht bestritten werden, da die öffentliche Erziehung bisher nicht in der Lage ist, die Sorge und Verantwortung für die Erziehung etwa aus- schliesslich auf ihre Schultern zu nehmen. Dagegen, wenn die Religion der Transzendenz mit allgemeinem Zwang jedem ohne Unterschied aufgedrungen wird, so wird damit nicht minder die Gewissensfreiheit des andern Teils vergewaltigt. Also ist der Grundsatz, Religion im Sinne der Transzendenz als "Privatsache" anzusehen, für eine heutige Schulpolitik der einzig annehmbare.
Aber muss nun darum Religion in jedem Sinne aus der öffentlichen Erziehung verbannt werden? Das ist es, was ich nicht einsehen kann. Ich habe in meiner früheren Schrift ausgeführt, weshalb diese Folgerung, selbst für den Fall, dass man nicht mit mir eine Religion ohne Transzendenz anerkennt, nicht berechtigt scheint. Religion, das kann einmal nicht ver- kannt werden, ist bis jetzt viel zu sehr ein unablöslicher Be- standteil des wirklichen, uns rings umgebenden Lebens, und ein Bestandteil dessen, was sich von heimischer Geschichte
hin unvergleichliche Bedeutung gewinnt: dass sie die Idee einer die Menschheit umspannenden Einheit des Erlebens schlicht und konkret, als Thatsache, nicht blosse Lehre, hin- stellt, dem einfachsten Gemüt offenbar, und dem erhabensten Verstande unergründlich. Angesichts dessen will es doch allzu ahnungslos erscheinen, wenn man die religiösen Stoffe in einem „ethischen“ Unterricht etwa auf einer Linie mit Grimms Kinder- märchen, Robinson und Homer aufmarschieren lässt.
Also: Religion kann nur als etwas Eigenes, nicht als blosser Bestandteil oder Anhang der Sittenlehre, für die Erziehung fruchtbar gemacht werden. Desto näher freilich rückt die Gefahr der Transzendenz. Es wäre schon etwas ge- wonnen, wenn diese wenigstens dem ganzen übrigen Unterricht ferngehalten würde, nicht in Geschichte und Litteratur, und gar in die Naturlehre, sich einmengen dürfte. Andrerseits kann dem Privaten, der seiner Gewissenspflicht als Erzieher nur durch eine religiöse Erziehung im Sinne der Transzendenz zu genügen glaubt, das Recht, eine solche seinem Kinde zu geben oder geben zu lassen, gegenwärtig nicht bestritten werden, da die öffentliche Erziehung bisher nicht in der Lage ist, die Sorge und Verantwortung für die Erziehung etwa aus- schliesslich auf ihre Schultern zu nehmen. Dagegen, wenn die Religion der Transzendenz mit allgemeinem Zwang jedem ohne Unterschied aufgedrungen wird, so wird damit nicht minder die Gewissensfreiheit des andern Teils vergewaltigt. Also ist der Grundsatz, Religion im Sinne der Transzendenz als „Privatsache“ anzusehen, für eine heutige Schulpolitik der einzig annehmbare.
Aber muss nun darum Religion in jedem Sinne aus der öffentlichen Erziehung verbannt werden? Das ist es, was ich nicht einsehen kann. Ich habe in meiner früheren Schrift ausgeführt, weshalb diese Folgerung, selbst für den Fall, dass man nicht mit mir eine Religion ohne Transzendenz anerkennt, nicht berechtigt scheint. Religion, das kann einmal nicht ver- kannt werden, ist bis jetzt viel zu sehr ein unablöslicher Be- standteil des wirklichen, uns rings umgebenden Lebens, und ein Bestandteil dessen, was sich von heimischer Geschichte
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schlicht und konkret, als Thatsache, nicht blosse Lehre, hin-
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Verstande unergründlich. Angesichts dessen will es doch allzu
ahnungslos erscheinen, wenn man die religiösen Stoffe in einem
„ethischen“ Unterricht etwa auf einer Linie mit Grimms Kinder-
märchen, Robinson und Homer aufmarschieren lässt.
Also: Religion kann nur als etwas Eigenes, nicht
als blosser Bestandteil oder Anhang der Sittenlehre, für die
Erziehung fruchtbar gemacht werden. Desto näher freilich
rückt die Gefahr der Transzendenz. Es wäre schon etwas ge-
wonnen, wenn diese wenigstens dem ganzen übrigen Unterricht
ferngehalten würde, nicht in Geschichte und Litteratur, und
gar in die Naturlehre, sich einmengen dürfte. Andrerseits
kann dem Privaten, der seiner Gewissenspflicht als Erzieher
nur durch eine religiöse Erziehung im Sinne der Transzendenz
zu genügen glaubt, das Recht, eine solche seinem Kinde zu
geben oder geben zu lassen, gegenwärtig nicht bestritten
werden, da die öffentliche Erziehung bisher nicht in der Lage
ist, die Sorge und Verantwortung für die Erziehung etwa aus-
schliesslich auf ihre Schultern zu nehmen. Dagegen, wenn die
Religion der Transzendenz mit allgemeinem Zwang jedem ohne
Unterschied aufgedrungen wird, so wird damit nicht minder
die Gewissensfreiheit des andern Teils vergewaltigt. Also ist
der Grundsatz, Religion im Sinne der Transzendenz als
„Privatsache“ anzusehen, für eine heutige Schulpolitik der
einzig annehmbare.
Aber muss nun darum Religion in jedem Sinne aus der
öffentlichen Erziehung verbannt werden? Das ist es, was ich
nicht einsehen kann. Ich habe in meiner früheren Schrift
ausgeführt, weshalb diese Folgerung, selbst für den Fall, dass
man nicht mit mir eine Religion ohne Transzendenz anerkennt,
nicht berechtigt scheint. Religion, das kann einmal nicht ver-
kannt werden, ist bis jetzt viel zu sehr ein unablöslicher Be-
standteil des wirklichen, uns rings umgebenden Lebens, und
ein Bestandteil dessen, was sich von heimischer Geschichte
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/359>, abgerufen am 30.11.2024.
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