Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.uns gefordert werden, sobald wir die große und süße So viel Gedrückte und Leidende, so viel Kranke gestor- K 3
uns gefordert werden, ſobald wir die große und ſüße So viel Gedrückte und Leidende, ſo viel Kranke geſtor- K 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0165" n="149[161]"/> uns gefordert werden, ſobald wir die große und ſüße<lb/> Verpflichtung erfüllen wollen, andern zu dienen, wie<lb/> denn überhaupt faſt keine Tugend ohne alle Aufopfe-<lb/> rungen möglich iſt.</p><lb/> <p>So viel Gedrückte und Leidende, ſo viel Kranke<lb/> und Elende, ſo viel von Menſchen Verlaßne und<lb/> Verſtoßne würden ein ungleich ſchrecklicheres Loos<lb/> gehabt haben, wenn es nicht Chriſten gegeben hätte,<lb/> die die Liebe Chriſti zu ſehr drang, als daß ſie nicht<lb/> gern einen Theil ihrer Ruhe, ihrer Geſundheit,<lb/> ihres Vermögens, und ſelbſt ihres guten Namens<lb/> aufzuopfern bereit geweſen wären, um jener Schik-<lb/> ſal zu erleichtern. Wo ſind mehr Anſtalten der<lb/> Menſchenliebe zu finden, als wo man den Namen<lb/> Jeſu kennt? Seyen ſie auch noch ſo unvollkommen,<lb/> mögen auch noch ſo viele, die daran Theil genom-<lb/> men haben, von Ehrgeiz, oder von dem Wahn,<lb/> etwas durch die äußere Handlung bey Gott zu<lb/> verdienen, regiert ſeyn — es bleiben doch noch<lb/> unter allen Religionspartheyen Unzähltge übrig,<lb/> die reine Liebe für Jeſum und die Brüder beſeelte,<lb/> und die in jedem Unbekleideten, Hungernden, Dur-<lb/> ſtenden, Gefangenen, Kranken, dem dienen wollen,<lb/> der dieſe alle für ſeine Brüder erklärt hatte, ſie wie<lb/> ſich ſelbſt behandelt wiſſen wollte, und für ſie alle<lb/> <fw place="bottom" type="sig">K 3</fw><fw place="bottom" type="catch">geſtor-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [149[161]/0165]
uns gefordert werden, ſobald wir die große und ſüße
Verpflichtung erfüllen wollen, andern zu dienen, wie
denn überhaupt faſt keine Tugend ohne alle Aufopfe-
rungen möglich iſt.
So viel Gedrückte und Leidende, ſo viel Kranke
und Elende, ſo viel von Menſchen Verlaßne und
Verſtoßne würden ein ungleich ſchrecklicheres Loos
gehabt haben, wenn es nicht Chriſten gegeben hätte,
die die Liebe Chriſti zu ſehr drang, als daß ſie nicht
gern einen Theil ihrer Ruhe, ihrer Geſundheit,
ihres Vermögens, und ſelbſt ihres guten Namens
aufzuopfern bereit geweſen wären, um jener Schik-
ſal zu erleichtern. Wo ſind mehr Anſtalten der
Menſchenliebe zu finden, als wo man den Namen
Jeſu kennt? Seyen ſie auch noch ſo unvollkommen,
mögen auch noch ſo viele, die daran Theil genom-
men haben, von Ehrgeiz, oder von dem Wahn,
etwas durch die äußere Handlung bey Gott zu
verdienen, regiert ſeyn — es bleiben doch noch
unter allen Religionspartheyen Unzähltge übrig,
die reine Liebe für Jeſum und die Brüder beſeelte,
und die in jedem Unbekleideten, Hungernden, Dur-
ſtenden, Gefangenen, Kranken, dem dienen wollen,
der dieſe alle für ſeine Brüder erklärt hatte, ſie wie
ſich ſelbſt behandelt wiſſen wollte, und für ſie alle
geſtor-
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