Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
gelegten Depeschen des Hrn. Bruce eine gewisse Bestätigung zu erhalten. Hr. Deutschland. Bayern. München. Zur Erinnerung an die stets denkwürdige Säcu- = Nürnberg, 3 Jun. Von heute bis zum 6 Jun. sind im obern Württemberg. Im "Schw. M." lesen wir: "Als die badische Re- [Spaltenumbruch]
gelegten Depeſchen des Hrn. Bruce eine gewiſſe Beſtätigung zu erhalten. Hr. Deutſchland. Bayern. München. Zur Erinnerung an die ſtets denkwürdige Säcu- = Nürnberg, 3 Jun. Von heute bis zum 6 Jun. ſind im obern Württemberg. Im „Schw. M.“ leſen wir: „Als die badiſche Re- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <p><pb facs="#f0002" n="2614"/><cb/> gelegten Depeſchen des Hrn. Bruce eine gewiſſe Beſtätigung zu erhalten. Hr.<lb/> Bruce, deſſen Ungeſtüm ſein am Peiho begangenes Unrecht durch ein neues<lb/> und größeres wieder gut zu machen ſich nicht länger zügeln läßt, erhält end-<lb/> lich das erſehnte Ultimatum, in dem er nichts anderes als den Beginn der<lb/> Feindſeligkeiten ſehen konnte. Dieſes Ultimatum, welches durch ſeine Ueber-<lb/> einſtimmung mit dem gleichzeitig abzugebenden franzöſiſchen einen beſonders<lb/> impoſanten Effect hervorbringen ſollte, weicht jedoch bei näherer Beſichtigung<lb/> in einem weſentlichen Punkt von demjenigen ab welches der franzöſiſche Ge-<lb/> fandte zu überreichen beauftragt iſt. Frankreich verlangt Entſchädigung für<lb/> die Koſten ſeiner Expedition, Lord J. Ruſſell jedoch will eine ſolche Forderung<lb/> erſt dann geltend machen, wenn das Ultimatum verworfen werden ſollte. Was<lb/> iſt zu thun? Hr. Bruce, für deſſen diplomatiſche Weisheit Bomben und Kar-<lb/> tätſchen bekanntlich nicht nur die <hi rendition="#aq">ultima,</hi> ſondern die erſte und einzige <hi rendition="#aq">ratio</hi><lb/> ſind, weiß fich zu helfen; auf ſeine eigene Verantwortung hin annullirt er<lb/> „dieſen Gnadenact, den er, wie er fürchtet, durch ſeine eigenen Depeſchen ver-<lb/> anlaßt hat.“ Aber dieſe Depeſchen waren unrichtig, „denn es iſt ſeine Ueber-<lb/> zeugung daß nichts als eine vollſtändige Niederlage dieſer feindlichen Partei,<lb/> und eine Lection die den Chineſen lehren wird daß Treuloſigkeit und Unauf-<lb/> richtigkeit nothwendig zu eclatanter Beſtrafung führen müſſen, uns befähigen<lb/> kann unſere Beziehungen für die Zukunft auf eine feſte Grundlage zu ſtellen.“<lb/> In dieſer Ueberzeugung, die übrigens von allen in China verwandten eng-<lb/> liſchen Staatsmännern getheilt worden iſt, und gleichwohl keine ſehr „feſte<lb/> Grundlage“ bis jetzt geſchaffen hat, nimmt er ſich die Freiheit den unpafſenden<lb/> „Gnadenact“ unſeres Cabinets zu verbeſſern, und „ſein Ultimatum mit dem<lb/> franzöſiſchen in Uebereinſtimmung zu bringen,“ und hofft „daß die Vortheile<lb/> eines gemeinſamen Vorgehens von Seiten der Alliirten dieſen Schritt ent-<lb/> ſchuldigen werden.“ Die Erfüllung dieſer in einer Depeſche vom 6 Februar<lb/> ausgedrückten Abſicht wird uns in zwei neuen Depeſchen vom 6 und 7 März<lb/> mitgetheilt. Jene enthält eine Abſchrift des vom Hrn. Bruce dem „älteren<lb/> Staatsſecretär Pang-Wan-Tſchang“ überſchickten Ultimatums, in welchem<lb/> verlangt wird: 1) Entſchuldigung; 2) unverzügliche Ratification des Vertrags<lb/> von Tien-tſin nebſt freier Fahrt des nach Peking reiſenden engliſchen Geſandten<lb/> auf einem brittiſchen Kriegsſchiff über Taku bis Tien-tſin (alſo gerade das<lb/> was zum Conflict am Peiho geführt hatte); 3) volle Ausführung des Vertrags<lb/> und prempte Bezahlung der ſtipulirten Entſchädigungsſumme von 4 Mill. Taels;<lb/> 4) Aufgebung der Privatübereinkunft, wonach der engl. Geſandte nur gelegent-<lb/> lich und je nach Bedürfniß nach Peking kommen ſoll, und Geltendmachung<lb/> des §. 2 des Tien-tſin-Vertrags, der dem Geſandten einen permanenten<lb/> Aufenthalt in Peking zuſagt; 5 Herausgabe der am Peiho genommenen<lb/> Schiffe und Kriegsmaterialien; 6) Entſchädigung für die Koſten der gegen-<lb/> wärtigen Expedition. Der letzte Punkt wird anfangs nur durch eine beilän-<lb/> fige Parentheſe angedeutet, jedoch ſpäter, wie in der Depeſche vom 7 März zu<lb/> leſen iſt, zu ſeinem beſondern Paragraphen formulirt. Hr. Bruce kennt die<lb/> „Größe der Verantwortlichkeit,“ die er durch dieſes eigenmächtige Verfahren<lb/> über ſich nimmt, ſehr wohl, aber er denkt daß die finanzielle Frage keinen<lb/> großen Widerſpruch in Peking finden werde; zwar iſt „der Staatsſchatz leer,<lb/> aber die Kaufmannſchaft fährt fort ſolvent zu ſeyn.“ Dieſe brauchen die<lb/> Mandarinen daher nur zu brandſchatzen um die individuellen Sympathien,<lb/> welche Hr. Bruce im Widerſpruch mit den Vorſchriften ſeiner Regierung für<lb/> beſagte „Entſchädigung“ empfindet, gebührend zu befriedigen. Unter dem<lb/> 9 April kündigt Hr. Bruce die Verwerfung des Ultimatums von Seite der<lb/> chineſiſchen Regierung an, und hält es nochmals für nöthig ſein Verfahren in<lb/> den Vorgängen des verfloſſenen Jahres zu rechtfertigen, oder vielmehr zu ent-<lb/> ſchuldigen. <hi rendition="#aq">Qui s’excuse s’accuse.</hi> Das Verdammungsurtheil welches<lb/> ganz Europa und die Majorität des engliſchen Volks über den Conflict am<lb/> Peihozgeſprochen hat, und welches endlich zu ſeiner Zurückberufung und der<lb/> Abſendung ſeines Bruders, Lord Elgins, führte, kann durch dieſe ſchwachen<lb/> Rechtfertigungsverſuche nicht alterirt werden. Er „muß bemerken daß die<lb/> Entſchließung der chineſiſchen Regierung einem Verſuche von Seite der euro-<lb/> päiſchen Geſandtſchaften Peking vermittelſt des Peiho zu erreichen: mit Ge-<lb/> walt zu widerſtehen, einige Monate früher der ruſſiſchen Regierung mitgetheilt<lb/> worden war.“ Dieſe Mittheilung wird Hrn. Urquhart erwünſcht kommen.<lb/> Er ſelbſt wurde nur aufgefordert „die Kriegsſchiffe außerhalb der Flußbarre<lb/> an der Mündung des Peiho ankern zu laſſen.“ Gleichwohl brachte, wie es<lb/> ſpäter heißt, Admiral Hope, „die kleinern Kanonenboote über die Barre,“<lb/> d. h. er riß dieſe Barre ein, und begann den Angriff auf das Fort. Die Ant-<lb/> wort des chineſiſchen Cabinets, welche von der Times als „Inſolenz“ bezeich-<lb/> net wird, iſt ein intereſſantes Actenſtück, das viel mehr Logik und diplomati-<lb/> ſchen Tack verräth als die perſönlichen Kriegsmanifeſte welche Hr. Bruce in<lb/> Form von Depeſchen nach Downingſtreet ſchickt. Hrn. Bruce’s Mittheilungen<lb/> haben den Miniſterrath des himmliſchen Reichs „in das größte Erſtaunen<lb/> verſetzt.“ Der engliſche Geſandte war benachrichtigt worden daß Kriegsſchiffe<lb/> nicht über die Barre gehen dürften. „Der Generalgouverneur von Tſchih l<lb/> theilte ihm ferner mit daß er ſeinen Weg über Peh-tang zu nehmen habe, und<lb/> ſchickte ihm ein Geſchenk an Lebensmitteln; er wollte nichts annehmen, ſon-<lb/><cb/> dern brachte ſeine Schiffe plötzlich nach Taku, und hegann die Vertheidigungs-<lb/> werke zu zerſtören. Und da er kam um einen Vertrag auszutauſchen, warum<lb/> brachte er Kriegsſchiffe mit?“ Die Beantwortung dieſer Frage ſchließt das<lb/> Geheimniß des Bruce’ſchen Verfahrens und der engliſchen Politik ſeit dem er-<lb/> ſten chineſiſchen Krieg ein. Die Entſchädigungsforderungen werden ganz rich-<lb/> tig mit der Entgegnung zurückgewieſen: daß die Koſten welche China zu ſeiner<lb/> Vertheidigung habe aufwenden müſſen, noch viel größer ſeyen als die von den<lb/> Engländern auf ihren Angriff verwandten. Wollte daher China ſeinerſeits<lb/> Entſchädigung verlangen, ſo würde England finden daß ſeine Auslagen nicht<lb/> halb ſo viel betragen als die des Reichs der Mitte. Schließlich wird um<lb/> mehr „Decorum“ gebeten. Alles das wurde von den Gegnern der in China<lb/> verfolgten Politik genau vorausgeſagt. England, auf der einen Seite von<lb/> ſeinem Handelsegoismus getrieben, auf der andern von Frankreich aufgehetzt,<lb/> während Rußland dieſen Freundſchaftsdienſt bei den Chineſen übernommen<lb/> zu haben ſcheint, ſchreitet auf dem Weg der Gewaltthätigkeit unaufhaltſam<lb/> weiter, bis es jeden friedlichen Handelsverkehr mit den Chineſen unmöglich<lb/> gemacht haben wird. 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Das<lb/> Bildniß der Frau Schillers namentlich zieht durch die Regelmäßigkeit und<lb/> Milde der Züge ungemein an.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>= <hi rendition="#b">Nürnberg,</hi> 3 Jun.</dateline><lb/> <p>Von heute bis zum 6 Jun. ſind im obern<lb/> Gelaß der Herrentrinkſtube die Geſchenke ausgeſtellt welche zum Zweck der<lb/> Verlooſung für die allgemeine deutſche Schillerſtiftung vom hieſigen Filial-<lb/> verein geſammelt wurden. Es ſind zumeiſt Arbeiten von Frauen und Jung-<lb/> frauen aus Nürnberg und dem benachbarten Fürth, über 700 Stücke, von<lb/> mannichfachem Werth und oft ſinniger Wahl. Die Sammlung wird nach der<lb/> Ausſtellung ſofort nach Dresden geſendet, und dort ein ehrendes Zeugniß für<lb/> unſere Frauenwelt ablegen; der Eintrittspreis zur Beſichtigung obiger Ge-<lb/> ſchenke und Arbeiten iſt dem Beſten der Schillerſtiftung ſelbſt gewidmet. —<lb/> Nach Berichten aus der Oberpfalz ſind die Arbeiten für die Nürnberg-Pilſener<lb/> Eiſenbahn bereits bis knapp an die böhmiſche Gränze vorgerückt, ſo daß die<lb/> Eröffnung der Fahrt von Nürnberg bis Cham bis October dieſes, und von<lb/> da bis Furth bis zum Frühjahr des nächſten Jahrs erfolgen kann. Für Furth<lb/> im Walde erwächst aus dem Umſtand daß es einen Doppelbahnhof mit einem<lb/> böhmiſch-bayeriſchen Zollamt ꝛc. erhält, ein weſentlicher Vortheil, und es iſt<lb/> dieſer von Aemtern und Vortheilen bisher ſehr verſchonten Stadt auch wohl zu<lb/> gönnen. 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Der Anſchlag der Arbeiten für Maurer, Steinhauer,<lb/> Blechner, Schloſſer, Schreiner und Zimmerleute betrug 332,000 fl.“ Was<lb/> zunächſt den Ausdruck „Feſtungsbau“ betrifft, ſo iſt dieſer auf ein ſehr be-<lb/> ſcheidenes Maß zu reduciren; um die angeführte Summe läßt ſich nur ein<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2614/0002]
gelegten Depeſchen des Hrn. Bruce eine gewiſſe Beſtätigung zu erhalten. Hr.
Bruce, deſſen Ungeſtüm ſein am Peiho begangenes Unrecht durch ein neues
und größeres wieder gut zu machen ſich nicht länger zügeln läßt, erhält end-
lich das erſehnte Ultimatum, in dem er nichts anderes als den Beginn der
Feindſeligkeiten ſehen konnte. Dieſes Ultimatum, welches durch ſeine Ueber-
einſtimmung mit dem gleichzeitig abzugebenden franzöſiſchen einen beſonders
impoſanten Effect hervorbringen ſollte, weicht jedoch bei näherer Beſichtigung
in einem weſentlichen Punkt von demjenigen ab welches der franzöſiſche Ge-
fandte zu überreichen beauftragt iſt. Frankreich verlangt Entſchädigung für
die Koſten ſeiner Expedition, Lord J. Ruſſell jedoch will eine ſolche Forderung
erſt dann geltend machen, wenn das Ultimatum verworfen werden ſollte. Was
iſt zu thun? Hr. Bruce, für deſſen diplomatiſche Weisheit Bomben und Kar-
tätſchen bekanntlich nicht nur die ultima, ſondern die erſte und einzige ratio
ſind, weiß fich zu helfen; auf ſeine eigene Verantwortung hin annullirt er
„dieſen Gnadenact, den er, wie er fürchtet, durch ſeine eigenen Depeſchen ver-
anlaßt hat.“ Aber dieſe Depeſchen waren unrichtig, „denn es iſt ſeine Ueber-
zeugung daß nichts als eine vollſtändige Niederlage dieſer feindlichen Partei,
und eine Lection die den Chineſen lehren wird daß Treuloſigkeit und Unauf-
richtigkeit nothwendig zu eclatanter Beſtrafung führen müſſen, uns befähigen
kann unſere Beziehungen für die Zukunft auf eine feſte Grundlage zu ſtellen.“
In dieſer Ueberzeugung, die übrigens von allen in China verwandten eng-
liſchen Staatsmännern getheilt worden iſt, und gleichwohl keine ſehr „feſte
Grundlage“ bis jetzt geſchaffen hat, nimmt er ſich die Freiheit den unpafſenden
„Gnadenact“ unſeres Cabinets zu verbeſſern, und „ſein Ultimatum mit dem
franzöſiſchen in Uebereinſtimmung zu bringen,“ und hofft „daß die Vortheile
eines gemeinſamen Vorgehens von Seiten der Alliirten dieſen Schritt ent-
ſchuldigen werden.“ Die Erfüllung dieſer in einer Depeſche vom 6 Februar
ausgedrückten Abſicht wird uns in zwei neuen Depeſchen vom 6 und 7 März
mitgetheilt. Jene enthält eine Abſchrift des vom Hrn. Bruce dem „älteren
Staatsſecretär Pang-Wan-Tſchang“ überſchickten Ultimatums, in welchem
verlangt wird: 1) Entſchuldigung; 2) unverzügliche Ratification des Vertrags
von Tien-tſin nebſt freier Fahrt des nach Peking reiſenden engliſchen Geſandten
auf einem brittiſchen Kriegsſchiff über Taku bis Tien-tſin (alſo gerade das
was zum Conflict am Peiho geführt hatte); 3) volle Ausführung des Vertrags
und prempte Bezahlung der ſtipulirten Entſchädigungsſumme von 4 Mill. Taels;
4) Aufgebung der Privatübereinkunft, wonach der engl. Geſandte nur gelegent-
lich und je nach Bedürfniß nach Peking kommen ſoll, und Geltendmachung
des §. 2 des Tien-tſin-Vertrags, der dem Geſandten einen permanenten
Aufenthalt in Peking zuſagt; 5 Herausgabe der am Peiho genommenen
Schiffe und Kriegsmaterialien; 6) Entſchädigung für die Koſten der gegen-
wärtigen Expedition. Der letzte Punkt wird anfangs nur durch eine beilän-
fige Parentheſe angedeutet, jedoch ſpäter, wie in der Depeſche vom 7 März zu
leſen iſt, zu ſeinem beſondern Paragraphen formulirt. Hr. Bruce kennt die
„Größe der Verantwortlichkeit,“ die er durch dieſes eigenmächtige Verfahren
über ſich nimmt, ſehr wohl, aber er denkt daß die finanzielle Frage keinen
großen Widerſpruch in Peking finden werde; zwar iſt „der Staatsſchatz leer,
aber die Kaufmannſchaft fährt fort ſolvent zu ſeyn.“ Dieſe brauchen die
Mandarinen daher nur zu brandſchatzen um die individuellen Sympathien,
welche Hr. Bruce im Widerſpruch mit den Vorſchriften ſeiner Regierung für
beſagte „Entſchädigung“ empfindet, gebührend zu befriedigen. Unter dem
9 April kündigt Hr. Bruce die Verwerfung des Ultimatums von Seite der
chineſiſchen Regierung an, und hält es nochmals für nöthig ſein Verfahren in
den Vorgängen des verfloſſenen Jahres zu rechtfertigen, oder vielmehr zu ent-
ſchuldigen. Qui s’excuse s’accuse. Das Verdammungsurtheil welches
ganz Europa und die Majorität des engliſchen Volks über den Conflict am
Peihozgeſprochen hat, und welches endlich zu ſeiner Zurückberufung und der
Abſendung ſeines Bruders, Lord Elgins, führte, kann durch dieſe ſchwachen
Rechtfertigungsverſuche nicht alterirt werden. Er „muß bemerken daß die
Entſchließung der chineſiſchen Regierung einem Verſuche von Seite der euro-
päiſchen Geſandtſchaften Peking vermittelſt des Peiho zu erreichen: mit Ge-
walt zu widerſtehen, einige Monate früher der ruſſiſchen Regierung mitgetheilt
worden war.“ Dieſe Mittheilung wird Hrn. Urquhart erwünſcht kommen.
Er ſelbſt wurde nur aufgefordert „die Kriegsſchiffe außerhalb der Flußbarre
an der Mündung des Peiho ankern zu laſſen.“ Gleichwohl brachte, wie es
ſpäter heißt, Admiral Hope, „die kleinern Kanonenboote über die Barre,“
d. h. er riß dieſe Barre ein, und begann den Angriff auf das Fort. Die Ant-
wort des chineſiſchen Cabinets, welche von der Times als „Inſolenz“ bezeich-
net wird, iſt ein intereſſantes Actenſtück, das viel mehr Logik und diplomati-
ſchen Tack verräth als die perſönlichen Kriegsmanifeſte welche Hr. Bruce in
Form von Depeſchen nach Downingſtreet ſchickt. Hrn. Bruce’s Mittheilungen
haben den Miniſterrath des himmliſchen Reichs „in das größte Erſtaunen
verſetzt.“ Der engliſche Geſandte war benachrichtigt worden daß Kriegsſchiffe
nicht über die Barre gehen dürften. „Der Generalgouverneur von Tſchih l
theilte ihm ferner mit daß er ſeinen Weg über Peh-tang zu nehmen habe, und
ſchickte ihm ein Geſchenk an Lebensmitteln; er wollte nichts annehmen, ſon-
dern brachte ſeine Schiffe plötzlich nach Taku, und hegann die Vertheidigungs-
werke zu zerſtören. Und da er kam um einen Vertrag auszutauſchen, warum
brachte er Kriegsſchiffe mit?“ Die Beantwortung dieſer Frage ſchließt das
Geheimniß des Bruce’ſchen Verfahrens und der engliſchen Politik ſeit dem er-
ſten chineſiſchen Krieg ein. Die Entſchädigungsforderungen werden ganz rich-
tig mit der Entgegnung zurückgewieſen: daß die Koſten welche China zu ſeiner
Vertheidigung habe aufwenden müſſen, noch viel größer ſeyen als die von den
Engländern auf ihren Angriff verwandten. Wollte daher China ſeinerſeits
Entſchädigung verlangen, ſo würde England finden daß ſeine Auslagen nicht
halb ſo viel betragen als die des Reichs der Mitte. Schließlich wird um
mehr „Decorum“ gebeten. Alles das wurde von den Gegnern der in China
verfolgten Politik genau vorausgeſagt. England, auf der einen Seite von
ſeinem Handelsegoismus getrieben, auf der andern von Frankreich aufgehetzt,
während Rußland dieſen Freundſchaftsdienſt bei den Chineſen übernommen
zu haben ſcheint, ſchreitet auf dem Weg der Gewaltthätigkeit unaufhaltſam
weiter, bis es jeden friedlichen Handelsverkehr mit den Chineſen unmöglich
gemacht haben wird. Und das iſt es gerade was Frankreich und Rußland
erreichen wollen.
Deutſchland.
Bayern.
München.
Zur Erinnerung an die ſtets denkwürdige Säcu-
larfeier der Geburt Schillers iſt im Verlage von Piloty u. Löhle in München ein
Kunſtblatt mit Schillers und ſeiner Frau Bildniſſen nach bisher wenig bekannten
Originalzeichnungen erſchienen. Das Bild Schillers iſt nach dem Leben
1787 von Reinhart, und das ſeiner Frau Charlotte 1791 von Charlotte
v. Stein (Goethe’s Freundin), von S. Braun auf Stein ausgeführt. Das
Bildniß der Frau Schillers namentlich zieht durch die Regelmäßigkeit und
Milde der Züge ungemein an.
= Nürnberg, 3 Jun.
Von heute bis zum 6 Jun. ſind im obern
Gelaß der Herrentrinkſtube die Geſchenke ausgeſtellt welche zum Zweck der
Verlooſung für die allgemeine deutſche Schillerſtiftung vom hieſigen Filial-
verein geſammelt wurden. Es ſind zumeiſt Arbeiten von Frauen und Jung-
frauen aus Nürnberg und dem benachbarten Fürth, über 700 Stücke, von
mannichfachem Werth und oft ſinniger Wahl. Die Sammlung wird nach der
Ausſtellung ſofort nach Dresden geſendet, und dort ein ehrendes Zeugniß für
unſere Frauenwelt ablegen; der Eintrittspreis zur Beſichtigung obiger Ge-
ſchenke und Arbeiten iſt dem Beſten der Schillerſtiftung ſelbſt gewidmet. —
Nach Berichten aus der Oberpfalz ſind die Arbeiten für die Nürnberg-Pilſener
Eiſenbahn bereits bis knapp an die böhmiſche Gränze vorgerückt, ſo daß die
Eröffnung der Fahrt von Nürnberg bis Cham bis October dieſes, und von
da bis Furth bis zum Frühjahr des nächſten Jahrs erfolgen kann. Für Furth
im Walde erwächst aus dem Umſtand daß es einen Doppelbahnhof mit einem
böhmiſch-bayeriſchen Zollamt ꝛc. erhält, ein weſentlicher Vortheil, und es iſt
dieſer von Aemtern und Vortheilen bisher ſehr verſchonten Stadt auch wohl zu
gönnen. Auch von Pilſen nach der bayeriſchen Gränze zu wird rüftig gear-
beitet, ſo daß man ſicherlich von dieſer Seite den Eröffnungstermin ebenfalls
gewiſſenhaft einhalten wird. Auffallend ſoll der grelle Unterſchied zwiſchen den
hohen Entſchädigungen ſeyn welche in Bayern für abgetretene Grundſtücke
gezahlt wurden, und den faſt ärmlichen Summen welche den Grundbeſitzern
auf böhmiſchem Boden gewährt wurden.
Württemberg.
Im „Schw. M.“ leſen wir: „Als die badiſche Re-
gierung den Vertrag wegen Erbauung einer feſten Rheinbrücke bei Straß-
burg zur Kenntniß des Bundestags brachte, machte ſie ſich zur Erbauung
eines Forts am rechten Ufer verbindlich, dem Vernehmen nach nur auf ſol-
chen Umfang berechnet daß wenigſtens noch die Möglichkeit eines Sprengens
der Brücke im Fall eines feindlichen Angriffs in der Hand der Deutſchen
bliebe. Dieſe geringe Ausdehnung wurde ſchon damals unter politiſch nicht
bedrohten Verhältniſſen von competenten militäriſchen Autoritäten angefoch-
ten; wir fragen aber: wie ſteht es nun damit? Iſt jene Befeſtigung wirklich
in Angriff genommen, und wird ihr Bau ſo gefördert daß er mit Eröffnung
der Brücke (im Herbſt dieſes Jahres) als vollendet zu betrachten iſt? Es hat
ſeitdem nichts mehr darüber verlautet, und wir wären dankbar wenn die-
jenigen welche Kenntniß von der Sache haben, uns über dieſe Frage auf-
klärten.“ Dieſe Frage hat nun inſofern eine indirecte Antwort gefunden als
in der Darmſtädter Militärzeitung aus Kehl vom 2 Mai die Nachricht ge-
bracht wird: „Dieſer Tage fand die Vergebung der Arbeiten zum hieſigen
Feſtungsbau ſtatt. Der Anſchlag der Arbeiten für Maurer, Steinhauer,
Blechner, Schloſſer, Schreiner und Zimmerleute betrug 332,000 fl.“ Was
zunächſt den Ausdruck „Feſtungsbau“ betrifft, ſo iſt dieſer auf ein ſehr be-
ſcheidenes Maß zu reduciren; um die angeführte Summe läßt ſich nur ein
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(2021-08-16T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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