Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848.
Ulm, 25 März. Wir haben den ganzen Tag in großer Be- Gr. Baden. Karlsruhe, 22 März. In der heutigen Sitzung Gr. Hessen. ***Darmstadt, 23 März. Das vor einigen Tagen "Es ist der stabile Diese Zeit der That ist erschienen, und der "Sind nicht endlich der Erst nach vielen Jahren soll der Freie Städte. ***Frankfurt a. M., 20 März. Die
Ulm, 25 März. Wir haben den ganzen Tag in großer Be- Gr. Baden. Karlsruhe, 22 März. In der heutigen Sitzung Gr. Heſſen. ***Darmſtadt, 23 März. Das vor einigen Tagen „Es iſt der ſtabile Dieſe Zeit der That iſt erſchienen, und der „Sind nicht endlich der Erſt nach vielen Jahren ſoll der Freie Städte. ***Frankfurt a. M., 20 März. Die <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p> <cit> <quote><pb facs="#f0003" n="1363"/><cb/> Theil werden. So eben organiſiren und bewaffnen ſich die Studirenden<lb/> der Univerſität unter ihren Lehrern, auch die Bürger werden aufgeboten<lb/> hier und im ganzen Lande, die Einigkeit unter allen Ständen, jetzt wo<lb/> die Rettung des Vaterlandes vor dem ſchmachvollſten Anfalle gilt, hat<lb/> nur Ein Ziel im Auge, die Begeiſterung flammt hoch empor. Keiner<lb/> von jenen Vermeſſenen wird über den Rhein zurückgelangen. Und wir<lb/> Deutſchen werden aus dieſem voreiligen Anfall unſerer Erbfeinde die<lb/> Lehre ſchöpfen, was von ihnen zu erwarten ſey, trotz ihrer Verſprechun-<lb/> gen allgemeiner Bruderliebe. Wir werden deſto einiger und ſtärker im<lb/> Innern unſere Organiſation vollenden. Deutſche, Völker und Fürſten,<lb/> Stärke durch Einigkeit!“</quote> </cit> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Ulm,</hi> 25 März.</dateline> <p>Wir haben den ganzen Tag in großer Be-<lb/> ſtürzung gelebt. Es war durch mehrere Couriere bei der königl. Re-<lb/> gierung und dem Oberamt die amtliche Anzeige gemacht worden daß<lb/> ein Trupp franzöſiſches Raubgeſindel — welches das Gerücht bis zu<lb/> 40,000 Mann taxirte — den Rhein und den Kniebis überſchritten<lb/> habe, im Badiſchen raube, morde, und brenne und ins württembergiſche<lb/> Land einzufallen drohe, ja, bereits nicht allzuweit hinter Ehingen ein-<lb/> gefallen ſey. Da das Gerücht die Demonſtrationen der deutſchen De-<lb/> mokraten in Paris mit Herwegh an der Spitze damit in Verbindung<lb/> brachte, ſteigerte ſich die Beſorgniß nicht wenig, und man ſah in allen<lb/> Straßen Gruppen zuſammenſtehen welche ſich über die möglichen Fol-<lb/> gen dieſer Nachricht lebhaft unterhielten. Der Stadtſchultheiß ließ die<lb/> Bürgerſchaft alsbald durch öffentlichen Ausruf auf heute Nachmittag<lb/> 2 Uhr zu einer Verſammlung in den Hof des deutſchen Hauſes mit<lb/> der Aufforderung einladen daß jeder Gewehre und Waſſen, welcher Form<lb/> und Art ſie auch ſeyn möchten, mitbringen ſolle. Das Gouvernement<lb/> hatte von Stuttgart aus Befehl bekommen alle drei Regimenter zu jeder<lb/> Stunde marſchfertig zu halten. Die Hechinger Officiere, welche ſeit dem<lb/> Exil aus ihrem Fürſtenthum hier ihren Aufenhalt genommen, erhielten<lb/> gleichfalls in voriger Nacht durch Eſtaffette Ordre alsbald zurückzukehren.<lb/> Zur beſtimmten Stunde eilten nun eine außerordentlich große Anzahl Bür-<lb/> ger mit Waffen aller Gattung, Gewehren, Spießen, Senſen, Rapieren, De-<lb/> gen ꝛc. auf den Sammelplatz, allwo Hr. Schuſter die Verſammelten auf<lb/> die bedrohliche Lage der Gegenwart aufmerkſam machte, ſie ſofort in<lb/> 4 Rotten eintheilte und ihnen Sammelplätze anwies. Von morgen an<lb/> wird auf beiden Ufern unſerer Bundesfeſtung das ſchwarz-roth-goldne<lb/> Banner und der deutſche Reichsadler wehen: württembergiſcherſeits auf<lb/> der Wilhelmsburg, und bayeriſcherſeits auf dem Augsburger Thor. So<lb/> will es der deutſche Bund laut geſtern Abend eingetroffener Anzeige an<lb/> die Feſtungsbaudirection. <hi rendition="#g">Nachſchrift.</hi> So eben, Abends halb 6 Uhr,<lb/> erhielt ein Theil der hieſigen Cavallerie Befehl ſogleich abzumarſchiren.<lb/> Um halb 8 Uhr rückt das ganze zweite Infanterieregiment ebenfalls<lb/> nach, und das dritte ſteht marſchfertig in der Caſerne.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Gr. Baden.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Karlsruhe,</hi> 22 März.</dateline> <p>In der heutigen Sitzung<lb/> der zweiten Kammer zeigte der Präſident an daß die Abg. Junghanns<lb/> und Weizel ihre Stellen niedergelegt haben. Hecker als Mitglied der<lb/> Commiſſion für den Geſetzentwurf über Volksbewaffnung bemerkt: man<lb/> habe ſich wegen Dringlichkeit der Sache vorläufig mit der Regierungs-<lb/> commiſſion dahin vereinigt eine proviſoriſche Volksbewaffnung zu orga-<lb/> nifiren, um das Geſetz ſelbſt mit mehr Ruhe berathen zu können. Mathy<lb/> erſtattet Bericht über ſeine und des Abg. Straub jüngſt vorgenommene<lb/> Reiſe, und gibt den Bewohnern des Seekreiſes das Zeugniß eines ern-<lb/> ſten männlichen Verhaltens und eines kräftigen Geiſtes, der mit derſel-<lb/> ben Feſtigkeit ſowohl der rohen Gewalt als auch jedem Rückſchritte<lb/> entgenwirken werde, der aber auch keine Sympathien für eine Vereini-<lb/> gung mit der Schweiz noch für eine „Winkelrepublik“ habe, welche uns<lb/> von dem übrigen Deutſchland nur lostrennen müßte, und der vielmehr<lb/> ein einziges freies Deutſchland mit freien Inſtitutionen verlange.<lb/> Straub ſpricht im ähnlichen Sinne und beklagt einen Vorfall in Engen,<lb/> bei welchem er eine unwürdige Behandlung erfahren habe. <hi rendition="#red">(<hi rendition="#g">Bad.</hi> Bl.)</hi></p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Gr. 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Der Verfaſ-<lb/> ſer ſprach ſich damals im „Vorwort“ dahin aus: </p> <cit> <quote>„Es iſt der ſtabile<lb/> Vorwurf der Stabilen gegen die Partei der Liberalen daß dieſe nur zu<lb/> zerſtören, aber nicht zu erhalten, daß ſie das Vorhandene nur zu ver-<lb/> nichten, aber daraus keine neue Ordnung zu erſchaffen wiſſe. Wir<lb/> können dieſen Vorwurf zurückgeben, indem wir auf die Geſchichte der<lb/> letzten Jahre hinweiſen, die zu Duzenden die diplomatiſchen Kartenhäu-<lb/> ſer auseinanderwarf, welche man wähnte mit dem Schweiße und dem<lb/> Blute der Völker für eine Ewigkeit zuſammen geleimt zu haben. Aber<lb/> damit hätten wir uns unſern Gegnern nur gleich geſtellt, und wir ſte-<lb/> hen höher als ſie. Was ich ſeit Jahren erkannt und gedacht, was ich<lb/> im Verkehr mit andern geläutert und berichtigt, auch wohl da und dort<lb/> ſchon andeutend ausgeſprochen habe, erſcheint in dieſem Buche als zu-<lb/> ſammenhängendes Ganze. Es macht darauf Anſpruch als ſolches ge-<lb/> prüft und beachtet, nicht bloß halb gebilligt und halb verworfen, halb<lb/> bejaht und halb verneint zu werden. Von dem Beſtehenden ausgehend<lb/> und ſowohl das Ziel als den Weg zum Ziele ins Auge faſſend, fordert<lb/> es zu beſtimmter That auf.“</quote> </cit> <p>Dieſe Zeit der That iſt erſchienen, und der<lb/> Verfaſſer will ſelbſt am nahen 30 März im nahen Frankfurt tagen<lb/> helfen. Er ſchloß ſein Buch mit den Worten:</p> <cit> <quote>„Sind nicht endlich der<lb/> Zeichen genug geſchehen auch in unſerm deutſchen Vaterlande, und kön-<lb/> net Ihr zu behaupten wagen daß der erzürnte Geiſt des immer von<lb/> neuem gereizten Volkes verſöhnt ſey, und daß er durch eitle Worte ver-<lb/> ſöhnt werden könne, weil bis zu dieſer Stunde auch der Streit der Par-<lb/> teien nur mit Worten geführt wird? In dieſem Streit werden erſt die<lb/> Waffen für den entſcheidenden Kampf geſchärft; die Leidenſchaften wer-<lb/> den geweckt ohne befriedigt zu werden. Aber immer feindlicher fallen<lb/> die Parteien auseinander, und eine Verſöhnung iſt nicht zu hoffen ſo<lb/> lange die Vereinigung aller Deutſchen nur angeprieſen und vorgepre-<lb/> digt aber nicht <hi rendition="#g">erlebt;</hi> ſolange noch die Einheit unſers Vaterlandes<lb/> keine <hi rendition="#g">ſichtbare</hi> Thatſache geworden iſt. Das iſt ſie nicht eher gewor-<lb/> den, bis das geſammte deutſche Volk die Männer ſeines Vertrauens zu<lb/> einer Geſammtheit verbunden ſieht.“</quote> </cit> <p> Erſt nach vielen Jahren ſoll der<lb/> Prophet im Vaterland gelten.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Freie Städte.</hi> </head><lb/> <div n="4"> <dateline>***<hi rendition="#b">Frankfurt a. M.,</hi> 20 März.</dateline> <p>Die<lb/> Herzogin v. Orleans bewährte ſich als die Frau von Verſtand und Cha-<lb/> rakter für welche ſie ſchon früher galt, denn ſie ſchlug ganz ihren eige-<lb/> nen Weg ein. Nach ihren bekannten Schritten in Paris, und nachdem<lb/> ſie dieſes verlaſſen hielt ſie ſich zwei Tage in der Nähe verborgen; dann<lb/> wandte ſie ſich mit thren Kindern und einer Kammerjungfer, ohne wei-<lb/> tere Begleitung, nach Brüſſel und kam ohne Geld, ohne alle Effecten<lb/> und in demſelben Hemde worin ſie Paris verlaſſen nach Koblenz, und<lb/> wohnt ſeitdem in der tiefſten Zurückgezogenheit in dem Gaſthof zu den<lb/> „vier Thürmen“ zu Ems, wo ſie bis zur Saiſon bleiben und dann nach<lb/> Würzburg gehen wird. Man fängt in Frankfurt bereits an ſich der<lb/> Preßfreiheit zu Angriffen auf die Verfaſſung der Stadt zu bedienen.<lb/> Sugenheim ließ als Beiblatt zum Frankfurter Journal hier in dieſen<lb/> Tagen ein Flugblatt ausgehen: „Frankfurter Reformen,“ worin nach<lb/> dem Urtheil der beſonnenſten Männer unläugbare Mängel der Verfaſ-<lb/> ſung Frankfurts gerügt werden, welches dieſelbe aber minder glücklich<lb/> mit den Verfaſſungen der Schweizerkantone zu vergleichen ſcheint. Da<lb/> die Iſraeliten mit dem Venehmen der Chriſten gegen ſie in dieſem Au-<lb/> genblick wohl nicht ohne Grund unzufrieden ſind, ſo erlaube ich mir<lb/> Ihnen folgendes mitzutheilen. Nach den ganz zuverläſſigen Angaben<lb/> des „Comité’s für ſtatiſtiſche Arbeiten des geographiſchen Vereins“ vom<lb/> Jahr 1847 beträgt die iſraelitiſche Bevölkerung Frankfurts, mit Ein-<lb/> ſchluß der im Ausland etablirten hier verbürgerten Perſonen, 3237<lb/> (1759 männlich, 1478 weiblich). In den letzten 25 Jahren ſind im<lb/> Durchſchnitt jährlich kaum 2 fremde Juden durch Einheirathung hieher<lb/> gekommen, und im Ganzen kann man annehmen daß die iſraelitiſche<lb/> Bevölkerung eher im Ab- als im Zunehmen iſt. Die Geldariſtokratie<lb/> der Juden hat durch die letzten Ereigniſſe einen <hi rendition="#g">bedeutenden</hi> Stoß<lb/> erhalten und wird ſich ſo leicht nicht wieder erheben, daher der Einfluß<lb/> von dieſer Seite nicht mehr zu fürchten iſt. Die Juden betreiben Hand-<lb/> werke, und befördern daß dieß geſchehe durch einen zu dieſem Zweck unter<lb/> ihnen beſtehenden Verein. Ihre Gemeinde-, Schul-, Armen- und Kran-<lb/> kenanſtalten ſind muſterhaft. Bei chriſtlichen wiſſenſchaftlichen und<lb/> andern Vereinen werden jetzt auch häufig Iſraeliten in den <hi rendition="#g">Vorſtand</hi><lb/> gewählt, die ſich als redliche, tüchtige und brauchbare Männer erweiſen.<lb/> Hier in Frankfurt ſcheint alſo das chriſtliche Vorurtheil das einzige<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1363/0003]
Theil werden. So eben organiſiren und bewaffnen ſich die Studirenden
der Univerſität unter ihren Lehrern, auch die Bürger werden aufgeboten
hier und im ganzen Lande, die Einigkeit unter allen Ständen, jetzt wo
die Rettung des Vaterlandes vor dem ſchmachvollſten Anfalle gilt, hat
nur Ein Ziel im Auge, die Begeiſterung flammt hoch empor. Keiner
von jenen Vermeſſenen wird über den Rhein zurückgelangen. Und wir
Deutſchen werden aus dieſem voreiligen Anfall unſerer Erbfeinde die
Lehre ſchöpfen, was von ihnen zu erwarten ſey, trotz ihrer Verſprechun-
gen allgemeiner Bruderliebe. Wir werden deſto einiger und ſtärker im
Innern unſere Organiſation vollenden. Deutſche, Völker und Fürſten,
Stärke durch Einigkeit!“
Ulm, 25 März.Wir haben den ganzen Tag in großer Be-
ſtürzung gelebt. Es war durch mehrere Couriere bei der königl. Re-
gierung und dem Oberamt die amtliche Anzeige gemacht worden daß
ein Trupp franzöſiſches Raubgeſindel — welches das Gerücht bis zu
40,000 Mann taxirte — den Rhein und den Kniebis überſchritten
habe, im Badiſchen raube, morde, und brenne und ins württembergiſche
Land einzufallen drohe, ja, bereits nicht allzuweit hinter Ehingen ein-
gefallen ſey. Da das Gerücht die Demonſtrationen der deutſchen De-
mokraten in Paris mit Herwegh an der Spitze damit in Verbindung
brachte, ſteigerte ſich die Beſorgniß nicht wenig, und man ſah in allen
Straßen Gruppen zuſammenſtehen welche ſich über die möglichen Fol-
gen dieſer Nachricht lebhaft unterhielten. Der Stadtſchultheiß ließ die
Bürgerſchaft alsbald durch öffentlichen Ausruf auf heute Nachmittag
2 Uhr zu einer Verſammlung in den Hof des deutſchen Hauſes mit
der Aufforderung einladen daß jeder Gewehre und Waſſen, welcher Form
und Art ſie auch ſeyn möchten, mitbringen ſolle. Das Gouvernement
hatte von Stuttgart aus Befehl bekommen alle drei Regimenter zu jeder
Stunde marſchfertig zu halten. Die Hechinger Officiere, welche ſeit dem
Exil aus ihrem Fürſtenthum hier ihren Aufenhalt genommen, erhielten
gleichfalls in voriger Nacht durch Eſtaffette Ordre alsbald zurückzukehren.
Zur beſtimmten Stunde eilten nun eine außerordentlich große Anzahl Bür-
ger mit Waffen aller Gattung, Gewehren, Spießen, Senſen, Rapieren, De-
gen ꝛc. auf den Sammelplatz, allwo Hr. Schuſter die Verſammelten auf
die bedrohliche Lage der Gegenwart aufmerkſam machte, ſie ſofort in
4 Rotten eintheilte und ihnen Sammelplätze anwies. Von morgen an
wird auf beiden Ufern unſerer Bundesfeſtung das ſchwarz-roth-goldne
Banner und der deutſche Reichsadler wehen: württembergiſcherſeits auf
der Wilhelmsburg, und bayeriſcherſeits auf dem Augsburger Thor. So
will es der deutſche Bund laut geſtern Abend eingetroffener Anzeige an
die Feſtungsbaudirection. Nachſchrift. So eben, Abends halb 6 Uhr,
erhielt ein Theil der hieſigen Cavallerie Befehl ſogleich abzumarſchiren.
Um halb 8 Uhr rückt das ganze zweite Infanterieregiment ebenfalls
nach, und das dritte ſteht marſchfertig in der Caſerne.
Gr. Baden.
Karlsruhe, 22 März.In der heutigen Sitzung
der zweiten Kammer zeigte der Präſident an daß die Abg. Junghanns
und Weizel ihre Stellen niedergelegt haben. Hecker als Mitglied der
Commiſſion für den Geſetzentwurf über Volksbewaffnung bemerkt: man
habe ſich wegen Dringlichkeit der Sache vorläufig mit der Regierungs-
commiſſion dahin vereinigt eine proviſoriſche Volksbewaffnung zu orga-
nifiren, um das Geſetz ſelbſt mit mehr Ruhe berathen zu können. Mathy
erſtattet Bericht über ſeine und des Abg. Straub jüngſt vorgenommene
Reiſe, und gibt den Bewohnern des Seekreiſes das Zeugniß eines ern-
ſten männlichen Verhaltens und eines kräftigen Geiſtes, der mit derſel-
ben Feſtigkeit ſowohl der rohen Gewalt als auch jedem Rückſchritte
entgenwirken werde, der aber auch keine Sympathien für eine Vereini-
gung mit der Schweiz noch für eine „Winkelrepublik“ habe, welche uns
von dem übrigen Deutſchland nur lostrennen müßte, und der vielmehr
ein einziges freies Deutſchland mit freien Inſtitutionen verlange.
Straub ſpricht im ähnlichen Sinne und beklagt einen Vorfall in Engen,
bei welchem er eine unwürdige Behandlung erfahren habe. (Bad. Bl.)
Gr. Heſſen.
***Darmſtadt, 23 März.Das vor einigen Tagen
erſchienene Edict, welches den „wegen politiſcher Vergehen Verurtheilten
oder Beſchuldigten“ Amneſtie ertheilte, hat bereits einen unſerer Mitbürger
in unſere Mitte zurückgeführt. Dr. Wilhelm Schulz, welcher als ehe-
maliger Officier von dem hieſigen Kriegsgerichte im Jahr 1834 in einen
fünfjährigen ſtrengen Feſtungsarreſt verurtheilt worden war, und
bald darauf aus der Feſtung Babenhauſen entfloh, iſt bereits von
Zürich, wo er ſeither wohnte, zurückgekehrt. Welcher Wechſel der
Dinge! Sein damaliges Verbrechen war außer einer andern politiſchen
Schrift vaterländiſcher Geſinnung die Herausgabe ſeiner im Jahr 1832
in Stuttgart erſchienenen Schrift: „Deutſchlands Einheit durch Natio-
nalrepräſentation,“ die er Rotteck und Welcker widmete. Der Verfaſ-
ſer ſprach ſich damals im „Vorwort“ dahin aus:
„Es iſt der ſtabile
Vorwurf der Stabilen gegen die Partei der Liberalen daß dieſe nur zu
zerſtören, aber nicht zu erhalten, daß ſie das Vorhandene nur zu ver-
nichten, aber daraus keine neue Ordnung zu erſchaffen wiſſe. Wir
können dieſen Vorwurf zurückgeben, indem wir auf die Geſchichte der
letzten Jahre hinweiſen, die zu Duzenden die diplomatiſchen Kartenhäu-
ſer auseinanderwarf, welche man wähnte mit dem Schweiße und dem
Blute der Völker für eine Ewigkeit zuſammen geleimt zu haben. Aber
damit hätten wir uns unſern Gegnern nur gleich geſtellt, und wir ſte-
hen höher als ſie. Was ich ſeit Jahren erkannt und gedacht, was ich
im Verkehr mit andern geläutert und berichtigt, auch wohl da und dort
ſchon andeutend ausgeſprochen habe, erſcheint in dieſem Buche als zu-
ſammenhängendes Ganze. Es macht darauf Anſpruch als ſolches ge-
prüft und beachtet, nicht bloß halb gebilligt und halb verworfen, halb
bejaht und halb verneint zu werden. Von dem Beſtehenden ausgehend
und ſowohl das Ziel als den Weg zum Ziele ins Auge faſſend, fordert
es zu beſtimmter That auf.“Dieſe Zeit der That iſt erſchienen, und der
Verfaſſer will ſelbſt am nahen 30 März im nahen Frankfurt tagen
helfen. Er ſchloß ſein Buch mit den Worten:
„Sind nicht endlich der
Zeichen genug geſchehen auch in unſerm deutſchen Vaterlande, und kön-
net Ihr zu behaupten wagen daß der erzürnte Geiſt des immer von
neuem gereizten Volkes verſöhnt ſey, und daß er durch eitle Worte ver-
ſöhnt werden könne, weil bis zu dieſer Stunde auch der Streit der Par-
teien nur mit Worten geführt wird? In dieſem Streit werden erſt die
Waffen für den entſcheidenden Kampf geſchärft; die Leidenſchaften wer-
den geweckt ohne befriedigt zu werden. Aber immer feindlicher fallen
die Parteien auseinander, und eine Verſöhnung iſt nicht zu hoffen ſo
lange die Vereinigung aller Deutſchen nur angeprieſen und vorgepre-
digt aber nicht erlebt; ſolange noch die Einheit unſers Vaterlandes
keine ſichtbare Thatſache geworden iſt. Das iſt ſie nicht eher gewor-
den, bis das geſammte deutſche Volk die Männer ſeines Vertrauens zu
einer Geſammtheit verbunden ſieht.“ Erſt nach vielen Jahren ſoll der
Prophet im Vaterland gelten.
Freie Städte.
***Frankfurt a. M., 20 März.Die
Herzogin v. Orleans bewährte ſich als die Frau von Verſtand und Cha-
rakter für welche ſie ſchon früher galt, denn ſie ſchlug ganz ihren eige-
nen Weg ein. Nach ihren bekannten Schritten in Paris, und nachdem
ſie dieſes verlaſſen hielt ſie ſich zwei Tage in der Nähe verborgen; dann
wandte ſie ſich mit thren Kindern und einer Kammerjungfer, ohne wei-
tere Begleitung, nach Brüſſel und kam ohne Geld, ohne alle Effecten
und in demſelben Hemde worin ſie Paris verlaſſen nach Koblenz, und
wohnt ſeitdem in der tiefſten Zurückgezogenheit in dem Gaſthof zu den
„vier Thürmen“ zu Ems, wo ſie bis zur Saiſon bleiben und dann nach
Würzburg gehen wird. Man fängt in Frankfurt bereits an ſich der
Preßfreiheit zu Angriffen auf die Verfaſſung der Stadt zu bedienen.
Sugenheim ließ als Beiblatt zum Frankfurter Journal hier in dieſen
Tagen ein Flugblatt ausgehen: „Frankfurter Reformen,“ worin nach
dem Urtheil der beſonnenſten Männer unläugbare Mängel der Verfaſ-
ſung Frankfurts gerügt werden, welches dieſelbe aber minder glücklich
mit den Verfaſſungen der Schweizerkantone zu vergleichen ſcheint. Da
die Iſraeliten mit dem Venehmen der Chriſten gegen ſie in dieſem Au-
genblick wohl nicht ohne Grund unzufrieden ſind, ſo erlaube ich mir
Ihnen folgendes mitzutheilen. Nach den ganz zuverläſſigen Angaben
des „Comité’s für ſtatiſtiſche Arbeiten des geographiſchen Vereins“ vom
Jahr 1847 beträgt die iſraelitiſche Bevölkerung Frankfurts, mit Ein-
ſchluß der im Ausland etablirten hier verbürgerten Perſonen, 3237
(1759 männlich, 1478 weiblich). In den letzten 25 Jahren ſind im
Durchſchnitt jährlich kaum 2 fremde Juden durch Einheirathung hieher
gekommen, und im Ganzen kann man annehmen daß die iſraelitiſche
Bevölkerung eher im Ab- als im Zunehmen iſt. Die Geldariſtokratie
der Juden hat durch die letzten Ereigniſſe einen bedeutenden Stoß
erhalten und wird ſich ſo leicht nicht wieder erheben, daher der Einfluß
von dieſer Seite nicht mehr zu fürchten iſt. Die Juden betreiben Hand-
werke, und befördern daß dieß geſchehe durch einen zu dieſem Zweck unter
ihnen beſtehenden Verein. Ihre Gemeinde-, Schul-, Armen- und Kran-
kenanſtalten ſind muſterhaft. Bei chriſtlichen wiſſenſchaftlichen und
andern Vereinen werden jetzt auch häufig Iſraeliten in den Vorſtand
gewählt, die ſich als redliche, tüchtige und brauchbare Männer erweiſen.
Hier in Frankfurt ſcheint alſo das chriſtliche Vorurtheil das einzige
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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