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Der Arbeitgeber. Nr. 1036. Frankfurt a. M., 10. März 1877.

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-- Die dritte Bahn durch die Alpen gewinnt an Wahr-
scheinlichkeit. Die Linie Sitters=Leuck der Simplonbahn soll am
1. Juni eröffnet werden, die Fortsetzung bis Visp und Brieg im
nächsten Jahre. Die Vorarbeiten für den Tunnel sind im vollen
Gang, derselbe wird 18 Km. lang.

* Pferdebahn. Die Arbeiten zur Mannheimer Pferde-
bahn
sollen am 1. März mit 30 belgischen Arbeitern beginnen
und die Linien vom Bahnhof zum Hauptzollamt durch die breite
Straße, Schloßhof, Rheinbrücke nach dem Bahnhof Ludwigshafen
umfassen.

* Schifffahrt. Die Zahl der deutschen Handelsschiffe betrug
am 1. Januar 1875 4602, ( darunter 299 Dampfer ) mit einer
Tragfähigkeit von 1,068,383 Tons und 42,424 Mann Besatzung
83 mehr als i. J. 1871. Die Zahl der Segelschiffe ist zurückge-
gangen, wogegen die Zahl der Dampfer eine Steigerung um 124
Schiffe oder 70% erfahren hat. Die 102 Dampfschiffe, welche
Hamburg besitzt, übertreffen die 117 Dampfschiffe, welche die
ganze preußische Küste aufweist, in der Ladungsfähigkeit um nahezu
das Dreifache und in der Maschinenkraft um weit über das Doppelte.

-- Wir entnehmen der Korrespondenz des Königlichen Sta-
tistischen Büreau's zu Berlin die interessante Angabe, daß in dem
Verkehr auf dem Rhein im Jahr 1875, obschon Handel und
Jndustrie in gedrückter Lage verharrten, sich doch eine merkliche
Besserung fühlbar machte. -- Wird die Steinkohlen=Abfuhr aus
dem Hochfelder Hafen hinzugerechnet, die 74--4, 205, 706 Ctr.
u. 75--5, 671, 959 Ctr. betrug, so übersteigt die gesammte
Steinkohlen Abfuhr zu Wasser von 1875 ( im Betrage von
40,394,835 Ctr. ) diejenige von 1869, die sich auf 39,394,835
Ctr. belief, um nahezu 1,500,000 Ctr.

-- Der Verein für Hebung der deutschen Fluß-
und Kanalschifffahrt
hielt zwischen dem 19. und 22. Fe-
bruar seine Generalversammlung ab, in welcher Abgeordneter
Lammers ( Bremen ) über die Moorkultur und Dr. Hammacher
über Kapitalbeschaffung für Kanalbauten referirten.

* Münzwesen. Zur weiteren Durchführung des Münz-
Gesetzes
ward beschlossen: Für Reichs=Rechnung weitere
40,000 Pfund Gold in Kronen und halben Kronen auszuprägen
und zwar zunächst zu gleichen Werthbeträgen, und hat vom 3. lau-
fenden Monats an, nur noch die Ausprägung von Zwei=Mark-
Stücken
mit einem Betrage von etwa 19,000,000 Mk. und
von 50- Pfennig=Stücken mit einem Betrage von etwa
25,000,000 Mk. stattzufinden, worauf bis auf Weiteres mit der
Herstellung von Reichs=Silbermünzen ganz inne zu halten.

-- Die Börsen=Deputation und Handelskammer in Triest
beschloß die Niedersetzung einer Kommission zum gründlichen Stu-
dium des Ueberganges Oesterreichs zur Goldwährung, es sollen alle
österreichischen Handelskammern auf die Wichtigkeit desselben auf-
merksam gemacht werden.

* Telegrafie. Die Reichs=Post=Verwaltung beabsichtigt, im
Jnteresse des Verkehrs künftig Post=Marken auch zur Frankirung
der Telegramme
zu verwenden und die besonderen Telegraphen-
Marken zu beseitigen, wodurch zugleich eine Vereinfachung im Ge-
schäftsbetrieb herbeigeführt und anderseits die Kosten für Herstellung
zweierlei Marken erspart werden.

* Honigmarkt. Der steiermärkische Bienenzucht=Verein
beschloß in seiner letzten Hauptversammlung die Einrichtung eines
steierischen Honigmarktes in Graz.

* Rechtspflege. Der Bundesrath hat entgegen dem Antrage
Preußens, den Sitz des Reichs=Gerichts nach Berlin zu verlegen,
die Verlegung des Reichs=Gerichts nach Leipzig be-
schlossen. Mit großer Spannung sieht man dem Reichstag=Votum
entgegen. Man befürchtet, daß dasselbe im Sinne des preußischen
Antrages ausfällt. -- Es ist mit Genugthuung zu begrüßen, daß
man den Sitz des obersten Gerichtshofes nicht in die größte Stadt
des Reiches legte. Abgesehen von der ungünstigen geographischen
Lage Berlins übt eine solche Stadt, wo Gesetzgebung, Regierung
und ein bewegtes Parteileben konzentrirt sind, immer einen gewißen
Einfluß auf den Einzelnen aus, der einem Richter gegenüber nicht
wünschenswerth ist. Leipzig ist bereits der Sitz des Reichs=Handels-
Gerichtes, ferner der Marken= und Musterschutz Registrirung für
Ausländer. Es wird nur zweckmäßig sein, wenn man alle ähnlichen
Reichs=Behörden, auch das künftige Patentamt dahin verlegt.
Jn Amerika hat man dieselbe Maxime befolgt und in Frankreich hat
[Spaltenumbruch] man es auch für zweckmäßig erachtet, den Sitz der Nationalver-
sammlung von Paris wegzulegen.

* Der Haushalt des deutschen Reiches ist für 1877/8
auf 542,903,370 M. veranschlagt, worunter 414 Mill. laufende
und 128 Mill. einmalige Ausgaben, erstere natürlich meist für das
Heer, dazu kommen 168,000,000 Mk. für Kasernen, das sind
jährlich 8,400,000 M. Steuern mehr. Schöne Aussichten! --

* Steuerwesen. Jm preußischen Staat wurden im Jahre
1875 239,330 Steuer=Exekutionen in den unteren Klassen voll-
streckt, davon 124,196 fruchtlos, in den höheren 97,516,
fruchtlos 27,909. Jm Ganzen vollstreckt 403,456 davon frucht-
los 161,531!! Jm Landtag wurde der Gegenstand ebenfalls zur
Sprache gebracht, der Abg. Rickert erwähnte dabei, daß die
Steuer=Erhöhung i. J. 1873: 16%, 1874: 13, 1875: 6, also
im Ganzen in 3 Jahren 34% bertagen habe. Die Zahl der
Steuer=Exkutionen, habe zeit 1871 um 332,000 und 256,000
zusammen abgenommen. Bemerkenswerth ist daß von 202,000
Reklamationen 100,000, also die Hälfte ( ! ) von der
Regierung selbst für berechtigt erklärt wurden.

* Steuer=Reform. Die Friedens=Propaganda hat
sich sehr praktisch jetzt auf die Steuern geworfen, um durch die-
selben den Völkern die Augen zu öffnen. Potoni e schreibt uns:
"Die indirekte Steuer beruht auf der Kunst, ein Huhn zu rupfen,
ohne daß es schreit. Das dumme Volk weiß nicht, daß es Steuer
zahlt und namentlich nicht wie viel. Die direkte Steuer ändert
das, sie ist die beste Schule des Selfgovernment. Die indirekte
Steuer legt eine Binde um die Augen der Völker, die direkte legt
die Wunde blos, so daß sie schmerzt. Jene erzeugt die Revolutionen,
diese führt auf den langsamen, aber sichern Weg der Reformen.
Kurz die indirekte Steuer ist der beste Weg den Krieg zu bekriegen."
Die Völker werden dann fragen, wofür sie so viel zahlen müssen
und die Antwort wird immer lauten: " für die Heere, für
den Krieg.
" Die Einführung der direkten Steuern hat ihre
Schwierigkeit, allein man wird sie überwinden.

* Aktien=Gesetzgebung. Die Ausschüsse für Handel und
Verkehr haben den Antrag gestellt, den Reichskanzler zu ersuchen,
den Entwurf eines Gesetzes ausarbeiten und vorlegen zu lassen,
welches unabhängig von der Revision des Handels=Gesetzbuches, den
Ausschreitungen bei der Gründung, Verwaltung und dem Betriebe
der Aktien=Unternehmungen, entgegen zu wirken geeignet ist.

* Genossenschaftswesen. Man kann die Genossenschaften nicht
genug zur Vorsicht warnen, damit sie bei der Wahl ihrer Geschäfts-
leitung
die größte Sorgfalt beachten. Der Konsum=Verein
zu Jnsterburg
geht trotz seines mehr denn 10jährigen Bestehens
und bei einem Jahresumsatz von 36,000 Mark, mit einem Rein-
gewinn von 1100 Mark und 407 Mitgliedern, seiner Auflösung
entgegen; die vorgenommene Revision des Statuts, Erneuerung
des Vorstandes, sowie Wechsel des Lagerhalters kamen zu spät.
Vor Verlusten bei der Liquidation sind die Mitglieder durch den
angesammelten Reservefond von 1800 Mark gesichert.

-- Großes Aufsehen erregt die Erlassung eines Steckbriefes
gegen den Kommerzienrath Paul Krauß in Kannstatt wegen
Unterschlagung in seinem Amte als Verwalter der Kannstatter
Spar- und Vorschußbank. Der Schaden, welchen die ge-
genannte Anstalt durch das pflichtwidrige Gebahren ihres ehemaligen
Vorstandes erleidet wird auf über 200,000 Mark angegeben,
wozu noch die Verluste aus verschiedenen statutenwidrigen Geschäften
hinzukommen.

-- Die Gewerbebank zu Murrhardt seit 1869 bestehend,
erhöhte das dividendenberechtigte Kapital auf 43,363 Mk. und den
Reservefond auf 7264 Mk. Sie erzielte bei 224 Mitgliedern ei-
nen Kassenverkehr von 1,108,147 Mk., einen Kontokorrentenverkehr
von 646,572 Mk. und einen Depositenverkehr von 321,773 Mk.

-- Die Aschaffenburger Volksbank hat 1876: 7,874,000 Mk.
umgesetzt. Mitglieder 236. Vermögen 132,000 Mk. Dividenden 7 %.

-- Der "Metall=Arbeiter" bringt die Satzungen des
auch bei uns wenig bekannten interessanten "südd. Metall-
Geschäfts=Vereins
", der im Jahre 1872 zu Plochingen
gegründet wurde, und befürwortet die Errichtung einer
gleichen Vereinigung für Oestreich. Es ist dies ein Rohstoff=Verein,
welcher den Mitgliedern Eisen, Stahl, Kupfer, Blech, Kohlen u.
dgl. zu den Großpreisen und aus bester Quelle vermittelt, nebenbei
aber auch Vereinbarungen bezüglich der Lohnfrage trifft, den Ver-

[Spaltenumbruch]

-- Die dritte Bahn durch die Alpen gewinnt an Wahr-
scheinlichkeit. Die Linie Sitters=Leuck der Simplonbahn soll am
1. Juni eröffnet werden, die Fortsetzung bis Visp und Brieg im
nächsten Jahre. Die Vorarbeiten für den Tunnel sind im vollen
Gang, derselbe wird 18 Km. lang.

* Pferdebahn. Die Arbeiten zur Mannheimer Pferde-
bahn
sollen am 1. März mit 30 belgischen Arbeitern beginnen
und die Linien vom Bahnhof zum Hauptzollamt durch die breite
Straße, Schloßhof, Rheinbrücke nach dem Bahnhof Ludwigshafen
umfassen.

* Schifffahrt. Die Zahl der deutschen Handelsschiffe betrug
am 1. Januar 1875 4602, ( darunter 299 Dampfer ) mit einer
Tragfähigkeit von 1,068,383 Tons und 42,424 Mann Besatzung
83 mehr als i. J. 1871. Die Zahl der Segelschiffe ist zurückge-
gangen, wogegen die Zahl der Dampfer eine Steigerung um 124
Schiffe oder 70% erfahren hat. Die 102 Dampfschiffe, welche
Hamburg besitzt, übertreffen die 117 Dampfschiffe, welche die
ganze preußische Küste aufweist, in der Ladungsfähigkeit um nahezu
das Dreifache und in der Maschinenkraft um weit über das Doppelte.

-- Wir entnehmen der Korrespondenz des Königlichen Sta-
tistischen Büreau's zu Berlin die interessante Angabe, daß in dem
Verkehr auf dem Rhein im Jahr 1875, obschon Handel und
Jndustrie in gedrückter Lage verharrten, sich doch eine merkliche
Besserung fühlbar machte. -- Wird die Steinkohlen=Abfuhr aus
dem Hochfelder Hafen hinzugerechnet, die 74--4, 205, 706 Ctr.
u. 75--5, 671, 959 Ctr. betrug, so übersteigt die gesammte
Steinkohlen Abfuhr zu Wasser von 1875 ( im Betrage von
40,394,835 Ctr. ) diejenige von 1869, die sich auf 39,394,835
Ctr. belief, um nahezu 1,500,000 Ctr.

-- Der Verein für Hebung der deutschen Fluß-
und Kanalschifffahrt
hielt zwischen dem 19. und 22. Fe-
bruar seine Generalversammlung ab, in welcher Abgeordneter
Lammers ( Bremen ) über die Moorkultur und Dr. Hammacher
über Kapitalbeschaffung für Kanalbauten referirten.

* Münzwesen. Zur weiteren Durchführung des Münz-
Gesetzes
ward beschlossen: Für Reichs=Rechnung weitere
40,000 Pfund Gold in Kronen und halben Kronen auszuprägen
und zwar zunächst zu gleichen Werthbeträgen, und hat vom 3. lau-
fenden Monats an, nur noch die Ausprägung von Zwei=Mark-
Stücken
mit einem Betrage von etwa 19,000,000 Mk. und
von 50- Pfennig=Stücken mit einem Betrage von etwa
25,000,000 Mk. stattzufinden, worauf bis auf Weiteres mit der
Herstellung von Reichs=Silbermünzen ganz inne zu halten.

-- Die Börsen=Deputation und Handelskammer in Triest
beschloß die Niedersetzung einer Kommission zum gründlichen Stu-
dium des Ueberganges Oesterreichs zur Goldwährung, es sollen alle
österreichischen Handelskammern auf die Wichtigkeit desselben auf-
merksam gemacht werden.

* Telegrafie. Die Reichs=Post=Verwaltung beabsichtigt, im
Jnteresse des Verkehrs künftig Post=Marken auch zur Frankirung
der Telegramme
zu verwenden und die besonderen Telegraphen-
Marken zu beseitigen, wodurch zugleich eine Vereinfachung im Ge-
schäftsbetrieb herbeigeführt und anderseits die Kosten für Herstellung
zweierlei Marken erspart werden.

* Honigmarkt. Der steiermärkische Bienenzucht=Verein
beschloß in seiner letzten Hauptversammlung die Einrichtung eines
steierischen Honigmarktes in Graz.

* Rechtspflege. Der Bundesrath hat entgegen dem Antrage
Preußens, den Sitz des Reichs=Gerichts nach Berlin zu verlegen,
die Verlegung des Reichs=Gerichts nach Leipzig be-
schlossen. Mit großer Spannung sieht man dem Reichstag=Votum
entgegen. Man befürchtet, daß dasselbe im Sinne des preußischen
Antrages ausfällt. -- Es ist mit Genugthuung zu begrüßen, daß
man den Sitz des obersten Gerichtshofes nicht in die größte Stadt
des Reiches legte. Abgesehen von der ungünstigen geographischen
Lage Berlins übt eine solche Stadt, wo Gesetzgebung, Regierung
und ein bewegtes Parteileben konzentrirt sind, immer einen gewißen
Einfluß auf den Einzelnen aus, der einem Richter gegenüber nicht
wünschenswerth ist. Leipzig ist bereits der Sitz des Reichs=Handels-
Gerichtes, ferner der Marken= und Musterschutz Registrirung für
Ausländer. Es wird nur zweckmäßig sein, wenn man alle ähnlichen
Reichs=Behörden, auch das künftige Patentamt dahin verlegt.
Jn Amerika hat man dieselbe Maxime befolgt und in Frankreich hat
[Spaltenumbruch] man es auch für zweckmäßig erachtet, den Sitz der Nationalver-
sammlung von Paris wegzulegen.

* Der Haushalt des deutschen Reiches ist für 1877/8
auf 542,903,370 M. veranschlagt, worunter 414 Mill. laufende
und 128 Mill. einmalige Ausgaben, erstere natürlich meist für das
Heer, dazu kommen 168,000,000 Mk. für Kasernen, das sind
jährlich 8,400,000 M. Steuern mehr. Schöne Aussichten! --

* Steuerwesen. Jm preußischen Staat wurden im Jahre
1875 239,330 Steuer=Exekutionen in den unteren Klassen voll-
streckt, davon 124,196 fruchtlos, in den höheren 97,516,
fruchtlos 27,909. Jm Ganzen vollstreckt 403,456 davon frucht-
los 161,531!! Jm Landtag wurde der Gegenstand ebenfalls zur
Sprache gebracht, der Abg. Rickert erwähnte dabei, daß die
Steuer=Erhöhung i. J. 1873: 16%, 1874: 13, 1875: 6, also
im Ganzen in 3 Jahren 34% bertagen habe. Die Zahl der
Steuer=Exkutionen, habe zeit 1871 um 332,000 und 256,000
zusammen abgenommen. Bemerkenswerth ist daß von 202,000
Reklamationen 100,000, also die Hälfte ( ! ) von der
Regierung selbst für berechtigt erklärt wurden.

* Steuer=Reform. Die Friedens=Propaganda hat
sich sehr praktisch jetzt auf die Steuern geworfen, um durch die-
selben den Völkern die Augen zu öffnen. Potoni é schreibt uns:
„Die indirekte Steuer beruht auf der Kunst, ein Huhn zu rupfen,
ohne daß es schreit. Das dumme Volk weiß nicht, daß es Steuer
zahlt und namentlich nicht wie viel. Die direkte Steuer ändert
das, sie ist die beste Schule des Selfgovernment. Die indirekte
Steuer legt eine Binde um die Augen der Völker, die direkte legt
die Wunde blos, so daß sie schmerzt. Jene erzeugt die Revolutionen,
diese führt auf den langsamen, aber sichern Weg der Reformen.
Kurz die indirekte Steuer ist der beste Weg den Krieg zu bekriegen.“
Die Völker werden dann fragen, wofür sie so viel zahlen müssen
und die Antwort wird immer lauten: „ für die Heere, für
den Krieg.
“ Die Einführung der direkten Steuern hat ihre
Schwierigkeit, allein man wird sie überwinden.

* Aktien=Gesetzgebung. Die Ausschüsse für Handel und
Verkehr haben den Antrag gestellt, den Reichskanzler zu ersuchen,
den Entwurf eines Gesetzes ausarbeiten und vorlegen zu lassen,
welches unabhängig von der Revision des Handels=Gesetzbuches, den
Ausschreitungen bei der Gründung, Verwaltung und dem Betriebe
der Aktien=Unternehmungen, entgegen zu wirken geeignet ist.

* Genossenschaftswesen. Man kann die Genossenschaften nicht
genug zur Vorsicht warnen, damit sie bei der Wahl ihrer Geschäfts-
leitung
die größte Sorgfalt beachten. Der Konsum=Verein
zu Jnsterburg
geht trotz seines mehr denn 10jährigen Bestehens
und bei einem Jahresumsatz von 36,000 Mark, mit einem Rein-
gewinn von 1100 Mark und 407 Mitgliedern, seiner Auflösung
entgegen; die vorgenommene Revision des Statuts, Erneuerung
des Vorstandes, sowie Wechsel des Lagerhalters kamen zu spät.
Vor Verlusten bei der Liquidation sind die Mitglieder durch den
angesammelten Reservefond von 1800 Mark gesichert.

-- Großes Aufsehen erregt die Erlassung eines Steckbriefes
gegen den Kommerzienrath Paul Krauß in Kannstatt wegen
Unterschlagung in seinem Amte als Verwalter der Kannstatter
Spar- und Vorschußbank. Der Schaden, welchen die ge-
genannte Anstalt durch das pflichtwidrige Gebahren ihres ehemaligen
Vorstandes erleidet wird auf über 200,000 Mark angegeben,
wozu noch die Verluste aus verschiedenen statutenwidrigen Geschäften
hinzukommen.

-- Die Gewerbebank zu Murrhardt seit 1869 bestehend,
erhöhte das dividendenberechtigte Kapital auf 43,363 Mk. und den
Reservefond auf 7264 Mk. Sie erzielte bei 224 Mitgliedern ei-
nen Kassenverkehr von 1,108,147 Mk., einen Kontokorrentenverkehr
von 646,572 Mk. und einen Depositenverkehr von 321,773 Mk.

-- Die Aschaffenburger Volksbank hat 1876: 7,874,000 Mk.
umgesetzt. Mitglieder 236. Vermögen 132,000 Mk. Dividenden 7 %.

-- Der „Metall=Arbeiter“ bringt die Satzungen des
auch bei uns wenig bekannten interessanten „südd. Metall-
Geschäfts=Vereins
“, der im Jahre 1872 zu Plochingen
gegründet wurde, und befürwortet die Errichtung einer
gleichen Vereinigung für Oestreich. Es ist dies ein Rohstoff=Verein,
welcher den Mitgliedern Eisen, Stahl, Kupfer, Blech, Kohlen u.
dgl. zu den Großpreisen und aus bester Quelle vermittelt, nebenbei
aber auch Vereinbarungen bezüglich der Lohnfrage trifft, den Ver-

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[0004] -- Die dritte Bahn durch die Alpen gewinnt an Wahr- scheinlichkeit. Die Linie Sitters=Leuck der Simplonbahn soll am 1. Juni eröffnet werden, die Fortsetzung bis Visp und Brieg im nächsten Jahre. Die Vorarbeiten für den Tunnel sind im vollen Gang, derselbe wird 18 Km. lang. * Pferdebahn. Die Arbeiten zur Mannheimer Pferde- bahn sollen am 1. März mit 30 belgischen Arbeitern beginnen und die Linien vom Bahnhof zum Hauptzollamt durch die breite Straße, Schloßhof, Rheinbrücke nach dem Bahnhof Ludwigshafen umfassen. * Schifffahrt. Die Zahl der deutschen Handelsschiffe betrug am 1. Januar 1875 4602, ( darunter 299 Dampfer ) mit einer Tragfähigkeit von 1,068,383 Tons und 42,424 Mann Besatzung 83 mehr als i. J. 1871. Die Zahl der Segelschiffe ist zurückge- gangen, wogegen die Zahl der Dampfer eine Steigerung um 124 Schiffe oder 70% erfahren hat. Die 102 Dampfschiffe, welche Hamburg besitzt, übertreffen die 117 Dampfschiffe, welche die ganze preußische Küste aufweist, in der Ladungsfähigkeit um nahezu das Dreifache und in der Maschinenkraft um weit über das Doppelte. -- Wir entnehmen der Korrespondenz des Königlichen Sta- tistischen Büreau's zu Berlin die interessante Angabe, daß in dem Verkehr auf dem Rhein im Jahr 1875, obschon Handel und Jndustrie in gedrückter Lage verharrten, sich doch eine merkliche Besserung fühlbar machte. -- Wird die Steinkohlen=Abfuhr aus dem Hochfelder Hafen hinzugerechnet, die 74--4, 205, 706 Ctr. u. 75--5, 671, 959 Ctr. betrug, so übersteigt die gesammte Steinkohlen Abfuhr zu Wasser von 1875 ( im Betrage von 40,394,835 Ctr. ) diejenige von 1869, die sich auf 39,394,835 Ctr. belief, um nahezu 1,500,000 Ctr. -- Der Verein für Hebung der deutschen Fluß- und Kanalschifffahrt hielt zwischen dem 19. und 22. Fe- bruar seine Generalversammlung ab, in welcher Abgeordneter Lammers ( Bremen ) über die Moorkultur und Dr. Hammacher über Kapitalbeschaffung für Kanalbauten referirten. * Münzwesen. Zur weiteren Durchführung des Münz- Gesetzes ward beschlossen: Für Reichs=Rechnung weitere 40,000 Pfund Gold in Kronen und halben Kronen auszuprägen und zwar zunächst zu gleichen Werthbeträgen, und hat vom 3. lau- fenden Monats an, nur noch die Ausprägung von Zwei=Mark- Stücken mit einem Betrage von etwa 19,000,000 Mk. und von 50- Pfennig=Stücken mit einem Betrage von etwa 25,000,000 Mk. stattzufinden, worauf bis auf Weiteres mit der Herstellung von Reichs=Silbermünzen ganz inne zu halten. -- Die Börsen=Deputation und Handelskammer in Triest beschloß die Niedersetzung einer Kommission zum gründlichen Stu- dium des Ueberganges Oesterreichs zur Goldwährung, es sollen alle österreichischen Handelskammern auf die Wichtigkeit desselben auf- merksam gemacht werden. * Telegrafie. Die Reichs=Post=Verwaltung beabsichtigt, im Jnteresse des Verkehrs künftig Post=Marken auch zur Frankirung der Telegramme zu verwenden und die besonderen Telegraphen- Marken zu beseitigen, wodurch zugleich eine Vereinfachung im Ge- schäftsbetrieb herbeigeführt und anderseits die Kosten für Herstellung zweierlei Marken erspart werden. * Honigmarkt. Der steiermärkische Bienenzucht=Verein beschloß in seiner letzten Hauptversammlung die Einrichtung eines steierischen Honigmarktes in Graz. * Rechtspflege. Der Bundesrath hat entgegen dem Antrage Preußens, den Sitz des Reichs=Gerichts nach Berlin zu verlegen, die Verlegung des Reichs=Gerichts nach Leipzig be- schlossen. Mit großer Spannung sieht man dem Reichstag=Votum entgegen. Man befürchtet, daß dasselbe im Sinne des preußischen Antrages ausfällt. -- Es ist mit Genugthuung zu begrüßen, daß man den Sitz des obersten Gerichtshofes nicht in die größte Stadt des Reiches legte. Abgesehen von der ungünstigen geographischen Lage Berlins übt eine solche Stadt, wo Gesetzgebung, Regierung und ein bewegtes Parteileben konzentrirt sind, immer einen gewißen Einfluß auf den Einzelnen aus, der einem Richter gegenüber nicht wünschenswerth ist. Leipzig ist bereits der Sitz des Reichs=Handels- Gerichtes, ferner der Marken= und Musterschutz Registrirung für Ausländer. Es wird nur zweckmäßig sein, wenn man alle ähnlichen Reichs=Behörden, auch das künftige Patentamt dahin verlegt. Jn Amerika hat man dieselbe Maxime befolgt und in Frankreich hat man es auch für zweckmäßig erachtet, den Sitz der Nationalver- sammlung von Paris wegzulegen. * Der Haushalt des deutschen Reiches ist für 1877/8 auf 542,903,370 M. veranschlagt, worunter 414 Mill. laufende und 128 Mill. einmalige Ausgaben, erstere natürlich meist für das Heer, dazu kommen 168,000,000 Mk. für Kasernen, das sind jährlich 8,400,000 M. Steuern mehr. Schöne Aussichten! -- * Steuerwesen. Jm preußischen Staat wurden im Jahre 1875 239,330 Steuer=Exekutionen in den unteren Klassen voll- streckt, davon 124,196 fruchtlos, in den höheren 97,516, fruchtlos 27,909. Jm Ganzen vollstreckt 403,456 davon frucht- los 161,531!! Jm Landtag wurde der Gegenstand ebenfalls zur Sprache gebracht, der Abg. Rickert erwähnte dabei, daß die Steuer=Erhöhung i. J. 1873: 16%, 1874: 13, 1875: 6, also im Ganzen in 3 Jahren 34% bertagen habe. Die Zahl der Steuer=Exkutionen, habe zeit 1871 um 332,000 und 256,000 zusammen abgenommen. Bemerkenswerth ist daß von 202,000 Reklamationen 100,000, also die Hälfte ( ! ) von der Regierung selbst für berechtigt erklärt wurden. * Steuer=Reform. Die Friedens=Propaganda hat sich sehr praktisch jetzt auf die Steuern geworfen, um durch die- selben den Völkern die Augen zu öffnen. Potoni é schreibt uns: „Die indirekte Steuer beruht auf der Kunst, ein Huhn zu rupfen, ohne daß es schreit. Das dumme Volk weiß nicht, daß es Steuer zahlt und namentlich nicht wie viel. Die direkte Steuer ändert das, sie ist die beste Schule des Selfgovernment. Die indirekte Steuer legt eine Binde um die Augen der Völker, die direkte legt die Wunde blos, so daß sie schmerzt. Jene erzeugt die Revolutionen, diese führt auf den langsamen, aber sichern Weg der Reformen. Kurz die indirekte Steuer ist der beste Weg den Krieg zu bekriegen.“ Die Völker werden dann fragen, wofür sie so viel zahlen müssen und die Antwort wird immer lauten: „ für die Heere, für den Krieg. “ Die Einführung der direkten Steuern hat ihre Schwierigkeit, allein man wird sie überwinden. * Aktien=Gesetzgebung. Die Ausschüsse für Handel und Verkehr haben den Antrag gestellt, den Reichskanzler zu ersuchen, den Entwurf eines Gesetzes ausarbeiten und vorlegen zu lassen, welches unabhängig von der Revision des Handels=Gesetzbuches, den Ausschreitungen bei der Gründung, Verwaltung und dem Betriebe der Aktien=Unternehmungen, entgegen zu wirken geeignet ist. * Genossenschaftswesen. Man kann die Genossenschaften nicht genug zur Vorsicht warnen, damit sie bei der Wahl ihrer Geschäfts- leitung die größte Sorgfalt beachten. Der Konsum=Verein zu Jnsterburg geht trotz seines mehr denn 10jährigen Bestehens und bei einem Jahresumsatz von 36,000 Mark, mit einem Rein- gewinn von 1100 Mark und 407 Mitgliedern, seiner Auflösung entgegen; die vorgenommene Revision des Statuts, Erneuerung des Vorstandes, sowie Wechsel des Lagerhalters kamen zu spät. Vor Verlusten bei der Liquidation sind die Mitglieder durch den angesammelten Reservefond von 1800 Mark gesichert. -- Großes Aufsehen erregt die Erlassung eines Steckbriefes gegen den Kommerzienrath Paul Krauß in Kannstatt wegen Unterschlagung in seinem Amte als Verwalter der Kannstatter Spar- und Vorschußbank. Der Schaden, welchen die ge- genannte Anstalt durch das pflichtwidrige Gebahren ihres ehemaligen Vorstandes erleidet wird auf über 200,000 Mark angegeben, wozu noch die Verluste aus verschiedenen statutenwidrigen Geschäften hinzukommen. -- Die Gewerbebank zu Murrhardt seit 1869 bestehend, erhöhte das dividendenberechtigte Kapital auf 43,363 Mk. und den Reservefond auf 7264 Mk. Sie erzielte bei 224 Mitgliedern ei- nen Kassenverkehr von 1,108,147 Mk., einen Kontokorrentenverkehr von 646,572 Mk. und einen Depositenverkehr von 321,773 Mk. -- Die Aschaffenburger Volksbank hat 1876: 7,874,000 Mk. umgesetzt. Mitglieder 236. Vermögen 132,000 Mk. Dividenden 7 %. -- Der „Metall=Arbeiter“ bringt die Satzungen des auch bei uns wenig bekannten interessanten „südd. Metall- Geschäfts=Vereins “, der im Jahre 1872 zu Plochingen gegründet wurde, und befürwortet die Errichtung einer gleichen Vereinigung für Oestreich. Es ist dies ein Rohstoff=Verein, welcher den Mitgliedern Eisen, Stahl, Kupfer, Blech, Kohlen u. dgl. zu den Großpreisen und aus bester Quelle vermittelt, nebenbei aber auch Vereinbarungen bezüglich der Lohnfrage trifft, den Ver-

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 1036. Frankfurt a. M., 10. März 1877, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber1036_1877/4>, abgerufen am 23.11.2024.