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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 8. Berlin-Charlottenburg, 9. März 1905.

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Julius Knopf: Das Seitengewhr.
Leid. Der Gedanke an ihn sollte dir den stärksten Jmpuls geben, fröhlich
deinen Lebensweg zu wandeln, leichten Sinnes und allezeit heiter.

Aber das ist nicht leicht, sagst du. Man kann sich das nicht geben,
wenn's nicht im Blut liegt, u. s. w. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist
schwach. -- Unsinn! Das Fleisch ist willig, aber der Geist ist schwach. Ver-
suche doch einmal deinen Geist mit etwas Ewigkeitsphilosophie zu stärken!
Bringe deiner Vernunft doch etwas mehr Vernunft bei! Begreife einmal, daß
der Zweck des Lebens die Freude am Leben ist; daß dies das große Ziel ist,
dem alle Menschheitsentwicklung entgegenstrebt. Es heißt diesem Ziel wahrlich
schlecht dienen, wenn man sich und anderen das Leben verdüstert.

Also mein ernster Freund, gib deinem verehrten Geist einen Ruck! Oder,
wenn dir das nicht aus eigener Kraft gelingt, so laß dir einen Stoß von
außen geben. Es ist Karneval. Geh hin, wo man lacht und singt, trinkt,
tanzt und springt! Dort nimm Fröhlichkeitsproviant ein, für einige Wochen
wenigstens! Dann kommt der liebe Frühling ins Land, der wird dir wieder
ein Stück weiter helfen.

Hier die Pritsche -- schlag' deine und anderer Leute Grillen damit tot!
Hier die Narrenkappe -- damit du endlich vernünftig wirst. Hoch der Karneval!

    Werner vom Rhein.

[Abbildung]
Das Seitengewehr.
Eine tragische Geschichte.
Von Julius Knopf, Berlin.     [ Nachdruck verboten. ]

Es war im Jahr 1931. Bereits 25 Jahre währte der Waffenstillstand
zwischen Rußland und Japan. Man erinnert sich, daß die beiden kriegführenden
Mächte zu diesem Aushilfsmittel hatten greifen müssen, nachdem der letzte russische
Soldat von dem letzten japanischen erschossen worden. Da es nicht möglich ist,
einen Krieg ohne jene Leute zu führen, die nach ihm benannt werden, und nun-
mehro keine Krieger mehr vorhanden waren, so hatten Zar und Mikado, zähne-
knirschend, jenen berühmten Waffenstillstand zu Wladiwostok geschlossen.

Nun, da neue Generationen herangewachsen und im edlen Soldatenhand-
werk ausgebildet waren und man neue Explosionsstoffe erfunden, neue Panzer-
schiffe gebaut, neue Orden geschaffen und neue Anleihen aufgenommen hatte,
stand dem Wiederausbruch des Krieges nichts mehr im Wege. So setzte er
gleich mit unerhörter Heftigkeit ein, mörderischer denn je zuvor.

Jmmer gräßlicher wütete die Kriegsfurie. Von dem Kriegsfieber, das
die beiden Gegner ergriffen, wurden bald ihre Nachbarländer angesteckt, und so
geschah es, daß der Herd der Schlachtenseuche sich nicht mehr auf Rußland und
Japan beschränkte. Fast sämtliche zivilisierten Völker -- sie alle, die ein
Vierteljahrhundert zuvor zwar aufmerksame, aber müßige Zuschauer gewesen --

Julius Knopf: Das Seitengewhr.
Leid. Der Gedanke an ihn sollte dir den stärksten Jmpuls geben, fröhlich
deinen Lebensweg zu wandeln, leichten Sinnes und allezeit heiter.

Aber das ist nicht leicht, sagst du. Man kann sich das nicht geben,
wenn's nicht im Blut liegt, u. s. w. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist
schwach. — Unsinn! Das Fleisch ist willig, aber der Geist ist schwach. Ver-
suche doch einmal deinen Geist mit etwas Ewigkeitsphilosophie zu stärken!
Bringe deiner Vernunft doch etwas mehr Vernunft bei! Begreife einmal, daß
der Zweck des Lebens die Freude am Leben ist; daß dies das große Ziel ist,
dem alle Menschheitsentwicklung entgegenstrebt. Es heißt diesem Ziel wahrlich
schlecht dienen, wenn man sich und anderen das Leben verdüstert.

Also mein ernster Freund, gib deinem verehrten Geist einen Ruck! Oder,
wenn dir das nicht aus eigener Kraft gelingt, so laß dir einen Stoß von
außen geben. Es ist Karneval. Geh hin, wo man lacht und singt, trinkt,
tanzt und springt! Dort nimm Fröhlichkeitsproviant ein, für einige Wochen
wenigstens! Dann kommt der liebe Frühling ins Land, der wird dir wieder
ein Stück weiter helfen.

Hier die Pritsche — schlag' deine und anderer Leute Grillen damit tot!
Hier die Narrenkappe — damit du endlich vernünftig wirst. Hoch der Karneval!

    Werner vom Rhein.

[Abbildung]
Das Seitengewehr.
Eine tragische Geschichte.
Von Julius Knopf, Berlin.     [ Nachdruck verboten. ]

Es war im Jahr 1931. Bereits 25 Jahre währte der Waffenstillstand
zwischen Rußland und Japan. Man erinnert sich, daß die beiden kriegführenden
Mächte zu diesem Aushilfsmittel hatten greifen müssen, nachdem der letzte russische
Soldat von dem letzten japanischen erschossen worden. Da es nicht möglich ist,
einen Krieg ohne jene Leute zu führen, die nach ihm benannt werden, und nun-
mehro keine Krieger mehr vorhanden waren, so hatten Zar und Mikado, zähne-
knirschend, jenen berühmten Waffenstillstand zu Wladiwostok geschlossen.

Nun, da neue Generationen herangewachsen und im edlen Soldatenhand-
werk ausgebildet waren und man neue Explosionsstoffe erfunden, neue Panzer-
schiffe gebaut, neue Orden geschaffen und neue Anleihen aufgenommen hatte,
stand dem Wiederausbruch des Krieges nichts mehr im Wege. So setzte er
gleich mit unerhörter Heftigkeit ein, mörderischer denn je zuvor.

Jmmer gräßlicher wütete die Kriegsfurie. Von dem Kriegsfieber, das
die beiden Gegner ergriffen, wurden bald ihre Nachbarländer angesteckt, und so
geschah es, daß der Herd der Schlachtenseuche sich nicht mehr auf Rußland und
Japan beschränkte. Fast sämtliche zivilisierten Völker — sie alle, die ein
Vierteljahrhundert zuvor zwar aufmerksame, aber müßige Zuschauer gewesen —

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[375/0039] Julius Knopf: Das Seitengewhr. Leid. Der Gedanke an ihn sollte dir den stärksten Jmpuls geben, fröhlich deinen Lebensweg zu wandeln, leichten Sinnes und allezeit heiter. Aber das ist nicht leicht, sagst du. Man kann sich das nicht geben, wenn's nicht im Blut liegt, u. s. w. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. — Unsinn! Das Fleisch ist willig, aber der Geist ist schwach. Ver- suche doch einmal deinen Geist mit etwas Ewigkeitsphilosophie zu stärken! Bringe deiner Vernunft doch etwas mehr Vernunft bei! Begreife einmal, daß der Zweck des Lebens die Freude am Leben ist; daß dies das große Ziel ist, dem alle Menschheitsentwicklung entgegenstrebt. Es heißt diesem Ziel wahrlich schlecht dienen, wenn man sich und anderen das Leben verdüstert. Also mein ernster Freund, gib deinem verehrten Geist einen Ruck! Oder, wenn dir das nicht aus eigener Kraft gelingt, so laß dir einen Stoß von außen geben. Es ist Karneval. Geh hin, wo man lacht und singt, trinkt, tanzt und springt! Dort nimm Fröhlichkeitsproviant ein, für einige Wochen wenigstens! Dann kommt der liebe Frühling ins Land, der wird dir wieder ein Stück weiter helfen. Hier die Pritsche — schlag' deine und anderer Leute Grillen damit tot! Hier die Narrenkappe — damit du endlich vernünftig wirst. Hoch der Karneval! Werner vom Rhein. [Abbildung] Das Seitengewehr. Eine tragische Geschichte. Von Julius Knopf, Berlin. [ Nachdruck verboten. ] Es war im Jahr 1931. Bereits 25 Jahre währte der Waffenstillstand zwischen Rußland und Japan. Man erinnert sich, daß die beiden kriegführenden Mächte zu diesem Aushilfsmittel hatten greifen müssen, nachdem der letzte russische Soldat von dem letzten japanischen erschossen worden. Da es nicht möglich ist, einen Krieg ohne jene Leute zu führen, die nach ihm benannt werden, und nun- mehro keine Krieger mehr vorhanden waren, so hatten Zar und Mikado, zähne- knirschend, jenen berühmten Waffenstillstand zu Wladiwostok geschlossen. Nun, da neue Generationen herangewachsen und im edlen Soldatenhand- werk ausgebildet waren und man neue Explosionsstoffe erfunden, neue Panzer- schiffe gebaut, neue Orden geschaffen und neue Anleihen aufgenommen hatte, stand dem Wiederausbruch des Krieges nichts mehr im Wege. So setzte er gleich mit unerhörter Heftigkeit ein, mörderischer denn je zuvor. Jmmer gräßlicher wütete die Kriegsfurie. Von dem Kriegsfieber, das die beiden Gegner ergriffen, wurden bald ihre Nachbarländer angesteckt, und so geschah es, daß der Herd der Schlachtenseuche sich nicht mehr auf Rußland und Japan beschränkte. Fast sämtliche zivilisierten Völker — sie alle, die ein Vierteljahrhundert zuvor zwar aufmerksame, aber müßige Zuschauer gewesen —

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 8. Berlin-Charlottenburg, 9. März 1905, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0108_1905/39>, abgerufen am 23.11.2024.