Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 1. Prag, 1835.Panorama des Universums. [Beginn Spaltensatz]
sorgsamen Hausfrau sich zeigen konnten. Die Mäd-chen, der Puppe entwachsen, lernten in der Zurück- gezogenheit spinnen, weben, wirken, lesen und schrei- ben, worin sie geübter waren, als die Männer, die alle Zeit der Körperkräftigung zu widmen hatten. Jn der Kirche und bei den Tänzen des Mai's sahen sich beide Geschlechter, und die Freude mußte um so höher steigen, je seltener man sich sah. Flöte, Geige, eine rauschende Handpauke ( Sumber ) und Gesang zauberte Frohsinn ins Herz. Die Liebe der Frauen zu anmuthigen Büchern und Liedern benützte der Sängerritter, seine Liebe kund zu thun. Ein Ring von der Geliebten gehörte unter die höchsten Gunstbezeugungen. Eine der schönsten Lichtseiten ist das reine Liebesverhältniß auch verheiratheter Rit- ter zu andern Frauen. Ulrich von Lichtenstein hat es in seinem "Frauendienst" geschildert. Bei aller ehelichen Sorgfalt für seine Frau ist sein gan- zes Streben dahin gerichtet, durch mannhafte Tha- ten Lob zu gewinnen, damit Hochachtung seine Her- zensfrau zwinge, ihm ihre Gunst zuzuwenden. Wie die saftige Ueppigkeit in der Knospe des Frühlings, so strömt in diesen Punkt alles zusammen, was ein edles Rittergemüth von Frömmigkeit, Ehre und Liebe fühlte, und handelnd ausprägen konnte. Von drei Lippen, die ihn verunstalteten, läßt sich Ulrich eine abschneiden, unternimmt Züge und ritterliche Tha- ten, und erhält das Versprechen, daß die Geliebte ihn des Nachts sehen will. Jn anderthalb Tagen reitet er 40 Meilen zu ihr, mischt sich unter die siechen Leute, die aus der Burg gespeist werden, um den austheilenden Dienerinnen sich bemerkbar zu machen. Abends kriecht er in den Burggraben, und verbirgt sich, während der Schaffner untersucht, ob alles sicher ist. Auf einem Leilacken wird er durchs Fenster in das Zimmer gezogen, wo er seine Huldigung darbringt, und als er scheiden will, spricht die Geliebte freundlich, beschmeichelt ihn wieder ins Leilacken zu treten, und als er so zwi- schen Himmel und Erde schwebend ihre Hand festhält, nimmt sie ihn beim Kinn und lispelt: Freund! küsse mich. Er, voll freudigen Hochentzückens läßt die Hand fahren -- und stürzt in den Burggraben. Nachtbe- suche dieser Art waren nicht selten, wie die schönen Wächterlieder bezeugen, in denen Liebende vor dem Einbrechen des Tages gewarnt werden. Diese Sitte ( mit dem Verfall des Ritterthums freilich zu sehr gemißbraucht ) brachte farbiges Leben in die engen Gemächer der Hausfrauen, die von ihren Männern meist verlassen, vor langer Weile hätten sterben mögen. Außer dem schwatzenden Staare oder Pa- pageien gab es noch zwei Mittel, die lange Weile zu vertreiben: Sänger und Narren. Eine Frauenkrankheit in Habesch ( Abissinien ) . Die Frauen in Abissinien sind gewöhnlich von Diese Krankheit kommt übrigens häufig vor, Quinta Claudia. Als Rom während des zweiten punischen Krie- Panorama des Universums. [Beginn Spaltensatz]
sorgsamen Hausfrau sich zeigen konnten. Die Mäd-chen, der Puppe entwachsen, lernten in der Zurück- gezogenheit spinnen, weben, wirken, lesen und schrei- ben, worin sie geübter waren, als die Männer, die alle Zeit der Körperkräftigung zu widmen hatten. Jn der Kirche und bei den Tänzen des Mai's sahen sich beide Geschlechter, und die Freude mußte um so höher steigen, je seltener man sich sah. Flöte, Geige, eine rauschende Handpauke ( Sumber ) und Gesang zauberte Frohsinn ins Herz. Die Liebe der Frauen zu anmuthigen Büchern und Liedern benützte der Sängerritter, seine Liebe kund zu thun. Ein Ring von der Geliebten gehörte unter die höchsten Gunstbezeugungen. Eine der schönsten Lichtseiten ist das reine Liebesverhältniß auch verheiratheter Rit- ter zu andern Frauen. Ulrich von Lichtenstein hat es in seinem „Frauendienst“ geschildert. Bei aller ehelichen Sorgfalt für seine Frau ist sein gan- zes Streben dahin gerichtet, durch mannhafte Tha- ten Lob zu gewinnen, damit Hochachtung seine Her- zensfrau zwinge, ihm ihre Gunst zuzuwenden. Wie die saftige Ueppigkeit in der Knospe des Frühlings, so strömt in diesen Punkt alles zusammen, was ein edles Rittergemüth von Frömmigkeit, Ehre und Liebe fühlte, und handelnd ausprägen konnte. Von drei Lippen, die ihn verunstalteten, läßt sich Ulrich eine abschneiden, unternimmt Züge und ritterliche Tha- ten, und erhält das Versprechen, daß die Geliebte ihn des Nachts sehen will. Jn anderthalb Tagen reitet er 40 Meilen zu ihr, mischt sich unter die siechen Leute, die aus der Burg gespeist werden, um den austheilenden Dienerinnen sich bemerkbar zu machen. Abends kriecht er in den Burggraben, und verbirgt sich, während der Schaffner untersucht, ob alles sicher ist. Auf einem Leilacken wird er durchs Fenster in das Zimmer gezogen, wo er seine Huldigung darbringt, und als er scheiden will, spricht die Geliebte freundlich, beschmeichelt ihn wieder ins Leilacken zu treten, und als er so zwi- schen Himmel und Erde schwebend ihre Hand festhält, nimmt sie ihn beim Kinn und lispelt: Freund! küsse mich. Er, voll freudigen Hochentzückens läßt die Hand fahren — und stürzt in den Burggraben. Nachtbe- suche dieser Art waren nicht selten, wie die schönen Wächterlieder bezeugen, in denen Liebende vor dem Einbrechen des Tages gewarnt werden. Diese Sitte ( mit dem Verfall des Ritterthums freilich zu sehr gemißbraucht ) brachte farbiges Leben in die engen Gemächer der Hausfrauen, die von ihren Männern meist verlassen, vor langer Weile hätten sterben mögen. Außer dem schwatzenden Staare oder Pa- pageien gab es noch zwei Mittel, die lange Weile zu vertreiben: Sänger und Narren. Eine Frauenkrankheit in Habesch ( Abissinien ) . 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Panorama des Universums.
sorgsamen Hausfrau sich zeigen konnten. Die Mäd-
chen, der Puppe entwachsen, lernten in der Zurück-
gezogenheit spinnen, weben, wirken, lesen und schrei-
ben, worin sie geübter waren, als die Männer, die
alle Zeit der Körperkräftigung zu widmen hatten.
Jn der Kirche und bei den Tänzen des Mai's sahen
sich beide Geschlechter, und die Freude mußte um
so höher steigen, je seltener man sich sah. Flöte,
Geige, eine rauschende Handpauke ( Sumber ) und
Gesang zauberte Frohsinn ins Herz. Die Liebe der
Frauen zu anmuthigen Büchern und Liedern benützte
der Sängerritter, seine Liebe kund zu thun. Ein
Ring von der Geliebten gehörte unter die höchsten
Gunstbezeugungen. Eine der schönsten Lichtseiten ist
das reine Liebesverhältniß auch verheiratheter Rit-
ter zu andern Frauen. Ulrich von Lichtenstein
hat es in seinem „Frauendienst“ geschildert. Bei
aller ehelichen Sorgfalt für seine Frau ist sein gan-
zes Streben dahin gerichtet, durch mannhafte Tha-
ten Lob zu gewinnen, damit Hochachtung seine Her-
zensfrau zwinge, ihm ihre Gunst zuzuwenden. Wie
die saftige Ueppigkeit in der Knospe des Frühlings,
so strömt in diesen Punkt alles zusammen, was ein
edles Rittergemüth von Frömmigkeit, Ehre und Liebe
fühlte, und handelnd ausprägen konnte. Von drei
Lippen, die ihn verunstalteten, läßt sich Ulrich eine
abschneiden, unternimmt Züge und ritterliche Tha-
ten, und erhält das Versprechen, daß die Geliebte
ihn des Nachts sehen will. Jn anderthalb Tagen
reitet er 40 Meilen zu ihr, mischt sich unter die
siechen Leute, die aus der Burg gespeist werden,
um den austheilenden Dienerinnen sich bemerkbar
zu machen. Abends kriecht er in den Burggraben,
und verbirgt sich, während der Schaffner untersucht,
ob alles sicher ist. Auf einem Leilacken wird er
durchs Fenster in das Zimmer gezogen, wo er seine
Huldigung darbringt, und als er scheiden will,
spricht die Geliebte freundlich, beschmeichelt ihn
wieder ins Leilacken zu treten, und als er so zwi-
schen Himmel und Erde schwebend ihre Hand festhält,
nimmt sie ihn beim Kinn und lispelt: Freund! küsse
mich. Er, voll freudigen Hochentzückens läßt die Hand
fahren — und stürzt in den Burggraben. Nachtbe-
suche dieser Art waren nicht selten, wie die schönen
Wächterlieder bezeugen, in denen Liebende vor dem
Einbrechen des Tages gewarnt werden. Diese Sitte
( mit dem Verfall des Ritterthums freilich zu sehr
gemißbraucht ) brachte farbiges Leben in die engen
Gemächer der Hausfrauen, die von ihren Männern
meist verlassen, vor langer Weile hätten sterben
mögen. Außer dem schwatzenden Staare oder Pa-
pageien gab es noch zwei Mittel, die lange Weile
zu vertreiben: Sänger und Narren.
Eine Frauenkrankheit in Habesch ( Abissinien ) .
Die Frauen in Abissinien sind gewöhnlich von
schöner Gestalt, ihre Augen groß und feurig, die
Lippen voll, doch nicht aufgeworfen, die Zähne blen-
dend weiß, das Haar gelockt, aber nicht wollig. Es
herrscht bei ihnen eine Art abzehrender Krankheit,
Tigre=ter genannt, wo sie vorgeben, von einem
gewissen bösen Geiste besessen zu seyn, der nur durch
Musik und Tanz ausgetrieben werden kann. Die
Person kränkelt, verliert die Sprache, zehrt sichtbar
ab und stirbt, wenn das geeignete Heilmittel nicht
angewendet wird. Zuerst wird die Hilfe eines Prie-
sters in Anspruch genommen, der den Geist beschwört,
und die Kranke sieben Tage lang mit kaltem Was-
ser begießt. Hilft dieses Verfahren nicht, so schmückt
man die Leidende mit goldenen und silbernen Zie-
rathen, überhäuft sie mit allem möglichem Putze,
läßt eine Anzahl Trompeter, Trommler und Pfei-
fer kommen, und von diesen Musik machen. Schon
die ersten Töne beleben die Kranke, sie erhebt sich,
bekommt Kraft, und fängt endlich, wie die Musik
rascher und lebendiger wird, an zu tanzen; ihr frü-
her wilder Blick lächelt, ihr Antlitz spricht Entzü-
cken aus, der Tanz wird Raserei, und sie hört nicht
früher auf, als bis die Musiker erschöpft schweigen.
Am folgenden Tage wird in dieser Art fortgefahren,
und es findet die Zeremonie dieß Mal, wie es
Sitte ist, auf dem Marktplatze Statt. Wenn die
Krankheit nach den wildesten, rastlosen Sprüngen
gewichen ist, scheint sie zum Bewußtseyn zu kommen,
nimmt die silbernen und goldenen Zierathen, womit
Arme und Füße geschmückt sind, ab, durchbricht plötz-
lich den Kreis und läuft pfeilgeschwind davon. Jn
einiger Entfernung stürzt sie wie todt nieder, man
folgt ihr; ein Mann feuert über ihrem Haupte eine
Pistole ab, schlägt sie mit der flachen Klinge eines
Schwertes auf den Rücken, fragt sie nach ihrem
Namen, sie antwortet, kommt zur Besinnung, der
böse Geist ist gebannt, die Krankheit gewichen. Man
trägt sie nach Hause, wo sie von einem Priester
neuerdings, als wie eine Neugeborene, getauft wird.
Diese Krankheit kommt übrigens häufig vor,
und ist von neuern, glaubwürdigen Reisenden oft
beobachtet worden. D. H.
Quinta Claudia.
Als Rom während des zweiten punischen Krie-
ges von Hannibal hart bedrängt, seine Zuflucht
zu dem Orakel nahm, entgegnete dieses: „Wollt
ihr den Feind besiegen und aus Jtalien vertreiben,
so holt die steinerne Bildsäule der Göttermutter, die
zu Pessinunt in Phrygien steht, und bringt sie
nach Rom. “ Man sandte sofort eine Botschaft an
den König von Pergamus, und bat ihn um die Aus-
lieferung des Heiligthums. Dieser willfahrte dem
Ansuchen, doch erhielten die römischen Abgesandten
zugleich von der Pythia zu Delphi die Weisung,
das Götterbildniß bei seiner Ankunft in Rom nur
den Händen des unbescholtensten Mannes anzuver-
trauen. Die Wahl fiel auf einen jungen Mann,
Namens Scipio Nasica. Als das Schiff aber
mit dem Heiligthume in der Tiber ankam, blieb es
plötzlich auf unbegreifliche Weise fest stehen, und
konnte durch keine Anstrengung weiter bewegt wer-
den. Unter der Zahl von Roms ausgezeichneten
Männern und Frauen, welche im feierlichen Zuge
nach Ostia hinausgegangen waren, um das Götter-
bildniß einzuholen, befand sich auch die edle Röme-
rin Quinta Claudia. Sie war als putzsüchtig
bekannt, und die Mißgunst hatte darum nicht unter-
lassen, ihren guten Ruf zu beflecken. Jm Bewußt-
seyn ihrer Unschuld beschloß sie jetzt durch das Her-
beiführen eines Götterausspruches sich von jedem
Verdacht zu reinigen. Sie löste ihren Gürtel, band
ihn an das Schiff, und flehte mit erhobenen Hän-
den und lauter Stimme zu den Göttern: Wenn
mein Wandel rein, wenn mein Herz ohne Schuld
und Fehler, dann gewährt, o hohe Götter, daß mei-
ner Hand dies Schiff gehorche und der Widerstand
schwinde, der das Palladium Rom vorenthält! —
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