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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 97. Leipzig (Sachsen), 9. November 1854.

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[Beginn Spaltensatz] zeit treiben sie ihre Heerden herab von den Sennereien
ins niedere Dörflein und leben sechs Monate friedlich
und eng nebeneinander unter den romantischen Schrecken
donnernder Schneelavinen. Dies sind ihre schlimmsten
Tage, aber sie sind doch schön, denn der Lenz folgt
ihnen. Sobald dann die milde Frühlingssonne die Ge-
birgsströme mit Schneewasser füllt, so treiben sie die
Heerden wieder heraus aus den Winterställen und zer-
streuen sich über die Höhen der grünenden Alp. Das
ist eine Freude, wenn Alles wieder hinauszieht in die
herrliche, freie Natur. Der Hirt spielt den ländlichen
Reigen, singend findet die frühe Morgensonne den
lustigen Sennen und der abendliche Westwind trägt
das harmonische Geläute der muntern Heerden und
den Reigen der Schalmeien von Matte zu Matte.

Unsere Abbildung stellt das Vorspiel eines solchen
Abzugs in die Alphöhen dar. Lange hat der Hirt
[Spaltenumbruch] diesmal auf den Frühling gewartet. Das Heu in den
Ställen ist auf die Neige gegangen und zum ersten
mal drohte der geliebten Heerde ein bedenklicher Fut-
termangel. Da bricht plötzlich die wärmende Sonne
durch die schweren Wolken, der Nebel schwindet, die
Gebirgswässer schwellen an und der Mai überzieht die
Anhöhen rasch mit seinem grünen blühenden Teppiche.
Jubelnd treten Waidmann, Hirt, Senne und Senne-
rin aus der niedern Thalhütte. Es ist keine Täu-
schung, der Frühling entfaltet seine Kraft und morgen
ziehen sie hinauf auf die liebe Alp. Die Kerkerzeit im
engen Thale ist wieder zu Ende. Der dicke gemüth-
liche Schulmeister, der im Sommer zugleich Senne ist,
bläst auf seiner Pfeife den Abschied, der hagere Kü-
ster setzt sich mit der Geige in Positur und der phleg-
matische Knecht des Dorfpfarrers hämmert nach dem
Takte des Schulmeisters träg auf seiner Pauke. So
[Ende Spaltensatz] [Abbildung]
[Beginn Spaltensatz] wird der Abend unter den sprossenden Bäumen zu
einem improvisirten Feste. Der reiche Käsehändler mit
seinem Dreispitzhute, der alte Ortsvorsteher mit seinem
abgetragenen Klaventiner beginnen den Nationaltanz;
ihre Weiber, fleißig waltende Hausfrauen, folgen dem
Beispiel; Knechte und Mägde im Hintergrunde jodeln
einen ländlichen Gebirgswalzer, der die idyllischen Freu-
den des wiederkehrenden Alpenlebens ausdrücken soll.
Staunend sitzen die Kinder links im Vordergrunde,
neben ihnen der treue Mops und der muntere kleine
George, der kaum stehen kann. Sie haben ihre Äl-
tern lange nicht so fröhlich gesehen und Mops, der
alte Wächter des Vorstehers, folgt mit besonderer Auf-
merksamkeit den graziösen Sprüngen seines Herrn.
Zwischen seiner Enkelin und dem Paukenschläger hat
sich der älteste Mann des Thals, ein 80jähriger Greis,
auf den Rasen niedergelassen. Aber sein Gesicht strahlt
[Spaltenumbruch] heute von jugendlichem Feuer. Seit 70 Jahren kennt
er alle Wege und Stege der heimatlichen Höhen und
will auch die Alpfahrt heuer wieder mitmachen. Selbst
der ehrwürdige Seelsorger ist nicht unter seinem Dache
geblieben. Jn seinem schönsten Anzuge steht er da,
seine Gemeinde, die ihn wie einen Vater liebt, auch
in ihrer Freude zu segnen, ehe sich ein Theil derselben
auf sechs lange Monate verabschiedet, denn nicht alle
steigen Sonntags wieder herab zu der niedern Thal-
kirche. Jhre Alpen sind zu hoch und zu weit entfernt
von der Winterwohnung. Sie beten Gott an in sei-
nem herrlichen Naturtempel, neben all den Wundern
ihres romantischen Gartens auf den ewigen Säulen
und Thürmen der Alpen. Glückliches, einfaches, bie-
deres Naturvolk, das so den Frühling begrüßt und
den Sommer erwartet!

[Ende Spaltensatz]

Abtei Saint=Clond.
[Beginn Spaltensatz]

Saint=Cloud, ein Flecken etwa eine Meile von Pa-
ris, am Abhange eines Hügels am linken Ufer der
[Spaltenumbruch] Seine gelegen und berühmt durch sein prachtvolles kö-
nigliches, von einem Parke umgebenes Schloß, hat
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] zeit treiben sie ihre Heerden herab von den Sennereien
ins niedere Dörflein und leben sechs Monate friedlich
und eng nebeneinander unter den romantischen Schrecken
donnernder Schneelavinen. Dies sind ihre schlimmsten
Tage, aber sie sind doch schön, denn der Lenz folgt
ihnen. Sobald dann die milde Frühlingssonne die Ge-
birgsströme mit Schneewasser füllt, so treiben sie die
Heerden wieder heraus aus den Winterställen und zer-
streuen sich über die Höhen der grünenden Alp. Das
ist eine Freude, wenn Alles wieder hinauszieht in die
herrliche, freie Natur. Der Hirt spielt den ländlichen
Reigen, singend findet die frühe Morgensonne den
lustigen Sennen und der abendliche Westwind trägt
das harmonische Geläute der muntern Heerden und
den Reigen der Schalmeien von Matte zu Matte.

Unsere Abbildung stellt das Vorspiel eines solchen
Abzugs in die Alphöhen dar. Lange hat der Hirt
[Spaltenumbruch] diesmal auf den Frühling gewartet. Das Heu in den
Ställen ist auf die Neige gegangen und zum ersten
mal drohte der geliebten Heerde ein bedenklicher Fut-
termangel. Da bricht plötzlich die wärmende Sonne
durch die schweren Wolken, der Nebel schwindet, die
Gebirgswässer schwellen an und der Mai überzieht die
Anhöhen rasch mit seinem grünen blühenden Teppiche.
Jubelnd treten Waidmann, Hirt, Senne und Senne-
rin aus der niedern Thalhütte. Es ist keine Täu-
schung, der Frühling entfaltet seine Kraft und morgen
ziehen sie hinauf auf die liebe Alp. Die Kerkerzeit im
engen Thale ist wieder zu Ende. Der dicke gemüth-
liche Schulmeister, der im Sommer zugleich Senne ist,
bläst auf seiner Pfeife den Abschied, der hagere Kü-
ster setzt sich mit der Geige in Positur und der phleg-
matische Knecht des Dorfpfarrers hämmert nach dem
Takte des Schulmeisters träg auf seiner Pauke. So
[Ende Spaltensatz] [Abbildung]
[Beginn Spaltensatz] wird der Abend unter den sprossenden Bäumen zu
einem improvisirten Feste. Der reiche Käsehändler mit
seinem Dreispitzhute, der alte Ortsvorsteher mit seinem
abgetragenen Klaventiner beginnen den Nationaltanz;
ihre Weiber, fleißig waltende Hausfrauen, folgen dem
Beispiel; Knechte und Mägde im Hintergrunde jodeln
einen ländlichen Gebirgswalzer, der die idyllischen Freu-
den des wiederkehrenden Alpenlebens ausdrücken soll.
Staunend sitzen die Kinder links im Vordergrunde,
neben ihnen der treue Mops und der muntere kleine
George, der kaum stehen kann. Sie haben ihre Äl-
tern lange nicht so fröhlich gesehen und Mops, der
alte Wächter des Vorstehers, folgt mit besonderer Auf-
merksamkeit den graziösen Sprüngen seines Herrn.
Zwischen seiner Enkelin und dem Paukenschläger hat
sich der älteste Mann des Thals, ein 80jähriger Greis,
auf den Rasen niedergelassen. Aber sein Gesicht strahlt
[Spaltenumbruch] heute von jugendlichem Feuer. Seit 70 Jahren kennt
er alle Wege und Stege der heimatlichen Höhen und
will auch die Alpfahrt heuer wieder mitmachen. Selbst
der ehrwürdige Seelsorger ist nicht unter seinem Dache
geblieben. Jn seinem schönsten Anzuge steht er da,
seine Gemeinde, die ihn wie einen Vater liebt, auch
in ihrer Freude zu segnen, ehe sich ein Theil derselben
auf sechs lange Monate verabschiedet, denn nicht alle
steigen Sonntags wieder herab zu der niedern Thal-
kirche. Jhre Alpen sind zu hoch und zu weit entfernt
von der Winterwohnung. Sie beten Gott an in sei-
nem herrlichen Naturtempel, neben all den Wundern
ihres romantischen Gartens auf den ewigen Säulen
und Thürmen der Alpen. Glückliches, einfaches, bie-
deres Naturvolk, das so den Frühling begrüßt und
den Sommer erwartet!

[Ende Spaltensatz]

Abtei Saint=Clond.
[Beginn Spaltensatz]

Saint=Cloud, ein Flecken etwa eine Meile von Pa-
ris, am Abhange eines Hügels am linken Ufer der
[Spaltenumbruch] Seine gelegen und berühmt durch sein prachtvolles kö-
nigliches, von einem Parke umgebenes Schloß, hat
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[356/0004] 356 zeit treiben sie ihre Heerden herab von den Sennereien ins niedere Dörflein und leben sechs Monate friedlich und eng nebeneinander unter den romantischen Schrecken donnernder Schneelavinen. Dies sind ihre schlimmsten Tage, aber sie sind doch schön, denn der Lenz folgt ihnen. Sobald dann die milde Frühlingssonne die Ge- birgsströme mit Schneewasser füllt, so treiben sie die Heerden wieder heraus aus den Winterställen und zer- streuen sich über die Höhen der grünenden Alp. Das ist eine Freude, wenn Alles wieder hinauszieht in die herrliche, freie Natur. Der Hirt spielt den ländlichen Reigen, singend findet die frühe Morgensonne den lustigen Sennen und der abendliche Westwind trägt das harmonische Geläute der muntern Heerden und den Reigen der Schalmeien von Matte zu Matte. Unsere Abbildung stellt das Vorspiel eines solchen Abzugs in die Alphöhen dar. Lange hat der Hirt diesmal auf den Frühling gewartet. Das Heu in den Ställen ist auf die Neige gegangen und zum ersten mal drohte der geliebten Heerde ein bedenklicher Fut- termangel. Da bricht plötzlich die wärmende Sonne durch die schweren Wolken, der Nebel schwindet, die Gebirgswässer schwellen an und der Mai überzieht die Anhöhen rasch mit seinem grünen blühenden Teppiche. Jubelnd treten Waidmann, Hirt, Senne und Senne- rin aus der niedern Thalhütte. Es ist keine Täu- schung, der Frühling entfaltet seine Kraft und morgen ziehen sie hinauf auf die liebe Alp. Die Kerkerzeit im engen Thale ist wieder zu Ende. Der dicke gemüth- liche Schulmeister, der im Sommer zugleich Senne ist, bläst auf seiner Pfeife den Abschied, der hagere Kü- ster setzt sich mit der Geige in Positur und der phleg- matische Knecht des Dorfpfarrers hämmert nach dem Takte des Schulmeisters träg auf seiner Pauke. So [Abbildung] wird der Abend unter den sprossenden Bäumen zu einem improvisirten Feste. Der reiche Käsehändler mit seinem Dreispitzhute, der alte Ortsvorsteher mit seinem abgetragenen Klaventiner beginnen den Nationaltanz; ihre Weiber, fleißig waltende Hausfrauen, folgen dem Beispiel; Knechte und Mägde im Hintergrunde jodeln einen ländlichen Gebirgswalzer, der die idyllischen Freu- den des wiederkehrenden Alpenlebens ausdrücken soll. Staunend sitzen die Kinder links im Vordergrunde, neben ihnen der treue Mops und der muntere kleine George, der kaum stehen kann. Sie haben ihre Äl- tern lange nicht so fröhlich gesehen und Mops, der alte Wächter des Vorstehers, folgt mit besonderer Auf- merksamkeit den graziösen Sprüngen seines Herrn. Zwischen seiner Enkelin und dem Paukenschläger hat sich der älteste Mann des Thals, ein 80jähriger Greis, auf den Rasen niedergelassen. Aber sein Gesicht strahlt heute von jugendlichem Feuer. Seit 70 Jahren kennt er alle Wege und Stege der heimatlichen Höhen und will auch die Alpfahrt heuer wieder mitmachen. Selbst der ehrwürdige Seelsorger ist nicht unter seinem Dache geblieben. Jn seinem schönsten Anzuge steht er da, seine Gemeinde, die ihn wie einen Vater liebt, auch in ihrer Freude zu segnen, ehe sich ein Theil derselben auf sechs lange Monate verabschiedet, denn nicht alle steigen Sonntags wieder herab zu der niedern Thal- kirche. Jhre Alpen sind zu hoch und zu weit entfernt von der Winterwohnung. Sie beten Gott an in sei- nem herrlichen Naturtempel, neben all den Wundern ihres romantischen Gartens auf den ewigen Säulen und Thürmen der Alpen. Glückliches, einfaches, bie- deres Naturvolk, das so den Frühling begrüßt und den Sommer erwartet! Abtei Saint=Clond. Saint=Cloud, ein Flecken etwa eine Meile von Pa- ris, am Abhange eines Hügels am linken Ufer der Seine gelegen und berühmt durch sein prachtvolles kö- nigliches, von einem Parke umgebenes Schloß, hat

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 97. Leipzig (Sachsen), 9. November 1854, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig097_1854/4>, abgerufen am 23.11.2024.