Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 2. Berlin, 8. August 1874.Zur Unterhaltung und Belehrung. 192 [Beginn Spaltensatz]
verbannt, und so kommt es denn, daß die ikarische Tracht anForm, Farbe und Zeichnung die angenehmste ist, die ich je ge- sehen; ich glaube nicht, daß es etwas darüber giebt. Da ist Einfachheit nebst Grazie, da ist Pracht nebst Geschmack. Jede Schuhform, jede Haartracht z. B. ist vorher in einem Modell der Besprechung für würdig erachtet und kritisirt worden. Nament- lich sind die Kleidungen des weiblichen Geschlechts über allen Tadel erhoben. Das weibliche Geschlecht, bester Kamill, genießt überhaupt in diesem glücklichen Lande Auszeichnungen, Achtungs- bezeigungen, wie es sie im übrigen Theil der Welt noch vergeb- lich sucht. Es ist der stete zarte Gegenstand der feinen und ern- sten Huldigungen seitens der männlichen Bewohner Jkarien's. Man möchte sagen, die ikarischen Männer erheben und verherr- lichen ihre Mitbürgerinnen, um mit so reicherem Genuß sie an- beten zu können. Wie gar anders sieht es dagegen in unserem unseligen Frankreich aus! Es wird, da wir einmal auf diesem Kleiderkapitel sind, Dir Allgemein ist die Sitte hier zu Lande, die Kleider mit Du kannst Dir vorstellen, daß jeder zwar dieselbe Kleidung Blumen und Edelsteine, Federn und Prachtstoffe sind übri- Stelle Dir nun die gesammte Bevölkerung, in Festkleidern, Willst Du etwas von der Weise wissen, wie die Kleidung Du hast nicht vergessen, daß die Republik mit Leichtigkeit Fast alle Stücke, von der Kopf= bis zur Fußbekleidung, sind Jede Familie wählt im Magazine, was sie braucht und was Jch ging zu Walmor, der uns in eine Uhrmacherei zu füh- Ein herrlicher, großartiger Anblick bot sich dar. Jn den Walmor's Verwandter sprach folgendes: Wir kommen ein Zur Unterhaltung und Belehrung. 192 [Beginn Spaltensatz]
verbannt, und so kommt es denn, daß die ikarische Tracht anForm, Farbe und Zeichnung die angenehmste ist, die ich je ge- sehen; ich glaube nicht, daß es etwas darüber giebt. Da ist Einfachheit nebst Grazie, da ist Pracht nebst Geschmack. Jede Schuhform, jede Haartracht z. B. ist vorher in einem Modell der Besprechung für würdig erachtet und kritisirt worden. Nament- lich sind die Kleidungen des weiblichen Geschlechts über allen Tadel erhoben. Das weibliche Geschlecht, bester Kamill, genießt überhaupt in diesem glücklichen Lande Auszeichnungen, Achtungs- bezeigungen, wie es sie im übrigen Theil der Welt noch vergeb- lich sucht. Es ist der stete zarte Gegenstand der feinen und ern- sten Huldigungen seitens der männlichen Bewohner Jkarien's. Man möchte sagen, die ikarischen Männer erheben und verherr- lichen ihre Mitbürgerinnen, um mit so reicherem Genuß sie an- beten zu können. Wie gar anders sieht es dagegen in unserem unseligen Frankreich aus! Es wird, da wir einmal auf diesem Kleiderkapitel sind, Dir Allgemein ist die Sitte hier zu Lande, die Kleider mit Du kannst Dir vorstellen, daß jeder zwar dieselbe Kleidung Blumen und Edelsteine, Federn und Prachtstoffe sind übri- Stelle Dir nun die gesammte Bevölkerung, in Festkleidern, Willst Du etwas von der Weise wissen, wie die Kleidung Du hast nicht vergessen, daß die Republik mit Leichtigkeit Fast alle Stücke, von der Kopf= bis zur Fußbekleidung, sind Jede Familie wählt im Magazine, was sie braucht und was Jch ging zu Walmor, der uns in eine Uhrmacherei zu füh- Ein herrlicher, großartiger Anblick bot sich dar. Jn den Walmor's Verwandter sprach folgendes: Wir kommen ein <TEI> <text> <body> <div xml:id="Reise6" type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="192"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Zur Unterhaltung und Belehrung.</hi> 192</fw><cb type="start"/> verbannt, und so kommt es denn, daß die ikarische Tracht an<lb/> Form, Farbe und Zeichnung die angenehmste ist, die ich je ge-<lb/> sehen; ich glaube nicht, daß es etwas darüber giebt. Da ist<lb/> Einfachheit nebst Grazie, da ist Pracht nebst Geschmack. Jede<lb/> Schuhform, jede Haartracht z. B. ist vorher in einem Modell der<lb/> Besprechung für würdig erachtet und kritisirt worden. Nament-<lb/> lich sind die Kleidungen des weiblichen Geschlechts über allen<lb/> Tadel erhoben. Das weibliche Geschlecht, bester Kamill, genießt<lb/> überhaupt in diesem glücklichen Lande Auszeichnungen, Achtungs-<lb/> bezeigungen, wie es sie im übrigen Theil der Welt noch vergeb-<lb/> lich sucht. Es ist der stete zarte Gegenstand der feinen und ern-<lb/> sten Huldigungen seitens der männlichen Bewohner Jkarien's.<lb/> Man möchte sagen, die ikarischen Männer erheben und verherr-<lb/> lichen ihre Mitbürgerinnen, um mit so reicherem Genuß sie an-<lb/> beten zu können. Wie gar anders sieht es dagegen in unserem<lb/> unseligen Frankreich aus!</p><lb/> <p>Es wird, da wir einmal auf diesem Kleiderkapitel sind, Dir<lb/> nicht uninteressant sein zu hören, daß die Federn und die Edel-<lb/> steine, deren man sich hier zum Putz bedient, meist unecht sind;<lb/> auch die Schmuckstücke sind fast nie von Gold, sondern nur ver-<lb/> goldet. Und in diesem unechten Schmuck strahlen Jkarien's<lb/> Frauen so schön wie die unsrigen im echten. Zudem haben die<lb/> Jkarierinnen unendliche Vorzüge, denn ihre Grazie, ihre Bil-<lb/> dung sind echt.</p><lb/> <p>Allgemein ist die Sitte hier zu Lande, die Kleider mit<lb/> Wohlgerüchen zu versehen; eine Sitte, von welcher sich nicht das<lb/> männliche Geschlecht ausschließt. Jn der That, sie haben nicht<lb/> Unrecht, wenn sie sagen: umgieb Dich mit angenehmen Düften,<lb/> das ist nicht sowohl eine Annehmlichkeit für Dich selber, sondern<lb/> ebenso sehr, und vielleicht noch mehr, eine Annehmlichkeit für<lb/> Andere, die wir verpflichtet sind, ihnen zu gewähren. Eine aus-<lb/> nehmende Fülle von duftenden Wässern und Salben, Räucherun-<lb/> gen und Pulvern ist in Jkarien in Gebrauch. Uebrigens ist die<lb/> Blumenzucht so hoch gesteigert, daß die Parfümerie schon dadurch<lb/> verallgemeinert wird. Allerliebst, wie ein Feenschlößchen, ist so<lb/> ein ikarisches Spezerei= und Parfümeriemagazin!</p><lb/> <p>Du kannst Dir vorstellen, daß jeder zwar dieselbe Kleidung<lb/> trägt, aber doch bei dem entwickelten Schönheitssinn der Nation,<lb/> die Einförmigkeit und Langweile vermieden wird. Von selbst<lb/> versteht sich, daß die Kleidung der beiden Geschlechter eine ver-<lb/> schiedene ist. Jn jedem Geschlecht ändert das Jndividuum häufig<lb/> seine Tracht, je nach seinem Alter und seiner Stellung. Durch<lb/> ein sinnreiches Anwenden des Gegebenen ist die Einrichtung ge-<lb/> troffen, daß gewisse Verhältnisse der Person auch besondere Eigen-<lb/> thümlichkeiten in der Tracht mit sich führen. So sind Kindheit,<lb/> Jugend auf ihren verschiedenen Stufen, Mündigkeit z. B., ver-<lb/> heiratheter, lediger, verwittweter Stand, Wiederverheirathung,<lb/> die verschiedenen Geschäfte und Aemter, Arbeiten und Verwal-<lb/> tungen, auf der Kleidung angezeigt. Es kommen auf diese Weise<lb/> Uniformen dabei heraus, aber was schadet das? Tausende und<lb/> Tausende von Uniformen, jede eine andere, ist das nicht himmel-<lb/> weit entfernt von dem Einförmigen? — Zudem ist für die jun-<lb/> gen Frauenzimmer, z. B. zwar Stoff und Schnitt des Gewandes<lb/> bestimmt, aber die Farbe keineswegs; diese hängt lediglich von<lb/> ihrem Geschmack ab, und Du weißt, die Frauen wissen sich stets<lb/> geschmackvoll zu tragen, sobald man sie vom Joche der albernen<lb/> Moden befreit hat. Ferner ist die Kleidung für die Arbeits-<lb/> stunde, für die Mußestunde, für Festlichkeit, für die feine Ge-<lb/> sellschaft oder für die öffentliche Versammlung, für die Stube —<lb/> stets eine verschiedene.</p><lb/> <p>Blumen und Edelsteine, Federn und Prachtstoffe sind übri-<lb/> gens durch Verordnungen nur an gewisse Lebensalter und Ver-<lb/> hältnisse gebunden, und auf solche Weise ist leicht ersichtlich, daß<lb/><cb n="2"/> die Republik genug von diesen Gegenständen producirt, um die<lb/> nicht übermäßige Anzahl Personen dieser bestimmten Punkte, mit<lb/> obigem Schmuck zu versehen.</p><lb/> <p>Stelle Dir nun die gesammte Bevölkerung, in Festkleidern,<lb/> an Nationalfesten auf den Promenaden, in den Schauspielhäu-<lb/> sern, im Circus vereinigt vor, und Du kannst das Urtheil fällen,<lb/> daß die Logen der Opern von London und Paris, die Salons<lb/> und sogar die Höfe in diesen Hauptstädten Europa's nicht höhere<lb/> Pracht entfalten; was bedeuten auch die kleinen bevorrechteten<lb/> Kreise im Vergleich mit der großen, Millionen zählenden ikari-<lb/> schen Nation?</p><lb/> <p>Willst Du etwas von der Weise wissen, wie die Kleidung<lb/> gemacht und ausgetheilt wird, so vernimm Folgendes:</p><lb/> <p>Du hast nicht vergessen, daß die Republik mit Leichtigkeit<lb/> die Uebersicht über die Quantität der Rohstoffe, wie auch der<lb/> Kleidungsstücke, die zur Nothwendigkeit gehören, sich bewahrt,<lb/> mit Leichtigkeit desgleichen die Rohstoffe im Bereich Jkarien's<lb/> durch ihre Ackerbauer erzeugt oder im Ausland ankauft; ferner<lb/> durch die, weit näher als bei uns, der Vollkommenheit gebrachten<lb/> Maschinen zubereitet, und in riesenhaften Werkstätten durch Ar-<lb/> beiter und Arbeiterinnen in Kleidungen verwandelt.</p><lb/> <p>Fast alle Stücke, von der Kopf= bis zur Fußbekleidung, sind<lb/> elastisch, können mithin im Nothfall für verschiedene Personen<lb/> passen, und sind ohnehin so eingerichtet, daß ihre Darstellung<lb/> sehr geringe Zeit in Anspruch nimmt. Beinahe Alle werden<lb/> auf mechanischem Wege gemacht, und die Arbeiterhände haben<lb/> nur wenig zu thun übrig. Maaßnehmen ist unnütz geworden,<lb/> da die Stücke immer auf vier bis fünf Größen gefertigt sind.<lb/> Die immer dieselben Stücke machenden Arbeiter gelangen, von<lb/> den Maschinen unterstützt, nothwendig zu großer Gewandtheit,<lb/> und zwar unter kostbarer Ersparniß von Zeit, Kräften und Mühe.<lb/> Auch ist die lächerliche Erscheinung, die man <hi rendition="#g">Mode</hi> nennt, ver-<lb/> schwunden.</p><lb/> <p>Jede Familie wählt im Magazine, was sie braucht und was<lb/> ihr zusagt. Das Magazin führt Buch über jede Familie und<lb/> schickt ihr in's Haus, was sie sich gewählt hat und was ihr zu-<lb/> kommt. Ausbesserung der Kleidung geschieht durch die weiblichen<lb/> Mitglieder der Familie, doch ist diese Arbeit sehr gering; das<lb/> Waschen ist ohnehin der Familie abgenommen und der National-<lb/> wäscherei übergeben. — Sieh, theurer Bruder, solche Dinge<lb/> geschehen nur in diesem einzigen Jkarien; wolle unser guter<lb/> Schutzgeist, daß Frankreich bald ein zweites werde! Lebe herzlich<lb/> wohl!</p><lb/> <p>Jch ging zu Walmor, der uns in eine Uhrmacherei zu füh-<lb/> ren versprochen, worin einer seiner Vettern Arbeit verrichtete.<lb/> Jch nahm Eugen mit.</p><lb/> <p>Ein herrlicher, großartiger Anblick bot sich dar. Jn den<lb/> vielen Magazinen, woraus das Ganze besteht, ist Alles aufge-<lb/> häuft, vom Rohstoff an, was nur irgend in die Uhr hineingeht.<lb/> Jm letzten Magazin die fertigen Uhren, wahre Kunstwerke;<lb/> Taschenuhren und Sternuhren, Thurmuhren und Wanduhren<lb/> formiren dort ein brillantes Museum. Die eigentliche Uhren-<lb/> werkstatt ist ein eintausend Fuß in's Geviert zählendes Gebäude, auf<lb/> Eisensäulen ruhend, drei Stockwerke übereinander. Unten sind<lb/> Maschinen zum Metallschneiden. Oben die Arbeitenden, in ebenso<lb/> viele Klassen getheilt, als es Arbeiten in der Uhr giebt; eine<lb/> Klasse macht stets nur eine und die nämliche Arbeit. Die Ord-<lb/> nung, Reinlichkeit, Helligkeit, Bequemlichkeit und der Fleiß sind<lb/> wahrhaft bewundernswerth. Man sieht, es sind freie, gleiche<lb/> Leute.</p><lb/> <p>Walmor's Verwandter sprach folgendes: Wir kommen ein<lb/> Viertel vor sechs Morgens her, wechseln unsere Stadtkleider im<lb/> Kleidersaal der Werkstätte gegen diese Arbeitskleider, und fangen<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0004]
Zur Unterhaltung und Belehrung. 192
verbannt, und so kommt es denn, daß die ikarische Tracht an
Form, Farbe und Zeichnung die angenehmste ist, die ich je ge-
sehen; ich glaube nicht, daß es etwas darüber giebt. Da ist
Einfachheit nebst Grazie, da ist Pracht nebst Geschmack. Jede
Schuhform, jede Haartracht z. B. ist vorher in einem Modell der
Besprechung für würdig erachtet und kritisirt worden. Nament-
lich sind die Kleidungen des weiblichen Geschlechts über allen
Tadel erhoben. Das weibliche Geschlecht, bester Kamill, genießt
überhaupt in diesem glücklichen Lande Auszeichnungen, Achtungs-
bezeigungen, wie es sie im übrigen Theil der Welt noch vergeb-
lich sucht. Es ist der stete zarte Gegenstand der feinen und ern-
sten Huldigungen seitens der männlichen Bewohner Jkarien's.
Man möchte sagen, die ikarischen Männer erheben und verherr-
lichen ihre Mitbürgerinnen, um mit so reicherem Genuß sie an-
beten zu können. Wie gar anders sieht es dagegen in unserem
unseligen Frankreich aus!
Es wird, da wir einmal auf diesem Kleiderkapitel sind, Dir
nicht uninteressant sein zu hören, daß die Federn und die Edel-
steine, deren man sich hier zum Putz bedient, meist unecht sind;
auch die Schmuckstücke sind fast nie von Gold, sondern nur ver-
goldet. Und in diesem unechten Schmuck strahlen Jkarien's
Frauen so schön wie die unsrigen im echten. Zudem haben die
Jkarierinnen unendliche Vorzüge, denn ihre Grazie, ihre Bil-
dung sind echt.
Allgemein ist die Sitte hier zu Lande, die Kleider mit
Wohlgerüchen zu versehen; eine Sitte, von welcher sich nicht das
männliche Geschlecht ausschließt. Jn der That, sie haben nicht
Unrecht, wenn sie sagen: umgieb Dich mit angenehmen Düften,
das ist nicht sowohl eine Annehmlichkeit für Dich selber, sondern
ebenso sehr, und vielleicht noch mehr, eine Annehmlichkeit für
Andere, die wir verpflichtet sind, ihnen zu gewähren. Eine aus-
nehmende Fülle von duftenden Wässern und Salben, Räucherun-
gen und Pulvern ist in Jkarien in Gebrauch. Uebrigens ist die
Blumenzucht so hoch gesteigert, daß die Parfümerie schon dadurch
verallgemeinert wird. Allerliebst, wie ein Feenschlößchen, ist so
ein ikarisches Spezerei= und Parfümeriemagazin!
Du kannst Dir vorstellen, daß jeder zwar dieselbe Kleidung
trägt, aber doch bei dem entwickelten Schönheitssinn der Nation,
die Einförmigkeit und Langweile vermieden wird. Von selbst
versteht sich, daß die Kleidung der beiden Geschlechter eine ver-
schiedene ist. Jn jedem Geschlecht ändert das Jndividuum häufig
seine Tracht, je nach seinem Alter und seiner Stellung. Durch
ein sinnreiches Anwenden des Gegebenen ist die Einrichtung ge-
troffen, daß gewisse Verhältnisse der Person auch besondere Eigen-
thümlichkeiten in der Tracht mit sich führen. So sind Kindheit,
Jugend auf ihren verschiedenen Stufen, Mündigkeit z. B., ver-
heiratheter, lediger, verwittweter Stand, Wiederverheirathung,
die verschiedenen Geschäfte und Aemter, Arbeiten und Verwal-
tungen, auf der Kleidung angezeigt. Es kommen auf diese Weise
Uniformen dabei heraus, aber was schadet das? Tausende und
Tausende von Uniformen, jede eine andere, ist das nicht himmel-
weit entfernt von dem Einförmigen? — Zudem ist für die jun-
gen Frauenzimmer, z. B. zwar Stoff und Schnitt des Gewandes
bestimmt, aber die Farbe keineswegs; diese hängt lediglich von
ihrem Geschmack ab, und Du weißt, die Frauen wissen sich stets
geschmackvoll zu tragen, sobald man sie vom Joche der albernen
Moden befreit hat. Ferner ist die Kleidung für die Arbeits-
stunde, für die Mußestunde, für Festlichkeit, für die feine Ge-
sellschaft oder für die öffentliche Versammlung, für die Stube —
stets eine verschiedene.
Blumen und Edelsteine, Federn und Prachtstoffe sind übri-
gens durch Verordnungen nur an gewisse Lebensalter und Ver-
hältnisse gebunden, und auf solche Weise ist leicht ersichtlich, daß
die Republik genug von diesen Gegenständen producirt, um die
nicht übermäßige Anzahl Personen dieser bestimmten Punkte, mit
obigem Schmuck zu versehen.
Stelle Dir nun die gesammte Bevölkerung, in Festkleidern,
an Nationalfesten auf den Promenaden, in den Schauspielhäu-
sern, im Circus vereinigt vor, und Du kannst das Urtheil fällen,
daß die Logen der Opern von London und Paris, die Salons
und sogar die Höfe in diesen Hauptstädten Europa's nicht höhere
Pracht entfalten; was bedeuten auch die kleinen bevorrechteten
Kreise im Vergleich mit der großen, Millionen zählenden ikari-
schen Nation?
Willst Du etwas von der Weise wissen, wie die Kleidung
gemacht und ausgetheilt wird, so vernimm Folgendes:
Du hast nicht vergessen, daß die Republik mit Leichtigkeit
die Uebersicht über die Quantität der Rohstoffe, wie auch der
Kleidungsstücke, die zur Nothwendigkeit gehören, sich bewahrt,
mit Leichtigkeit desgleichen die Rohstoffe im Bereich Jkarien's
durch ihre Ackerbauer erzeugt oder im Ausland ankauft; ferner
durch die, weit näher als bei uns, der Vollkommenheit gebrachten
Maschinen zubereitet, und in riesenhaften Werkstätten durch Ar-
beiter und Arbeiterinnen in Kleidungen verwandelt.
Fast alle Stücke, von der Kopf= bis zur Fußbekleidung, sind
elastisch, können mithin im Nothfall für verschiedene Personen
passen, und sind ohnehin so eingerichtet, daß ihre Darstellung
sehr geringe Zeit in Anspruch nimmt. Beinahe Alle werden
auf mechanischem Wege gemacht, und die Arbeiterhände haben
nur wenig zu thun übrig. Maaßnehmen ist unnütz geworden,
da die Stücke immer auf vier bis fünf Größen gefertigt sind.
Die immer dieselben Stücke machenden Arbeiter gelangen, von
den Maschinen unterstützt, nothwendig zu großer Gewandtheit,
und zwar unter kostbarer Ersparniß von Zeit, Kräften und Mühe.
Auch ist die lächerliche Erscheinung, die man Mode nennt, ver-
schwunden.
Jede Familie wählt im Magazine, was sie braucht und was
ihr zusagt. Das Magazin führt Buch über jede Familie und
schickt ihr in's Haus, was sie sich gewählt hat und was ihr zu-
kommt. Ausbesserung der Kleidung geschieht durch die weiblichen
Mitglieder der Familie, doch ist diese Arbeit sehr gering; das
Waschen ist ohnehin der Familie abgenommen und der National-
wäscherei übergeben. — Sieh, theurer Bruder, solche Dinge
geschehen nur in diesem einzigen Jkarien; wolle unser guter
Schutzgeist, daß Frankreich bald ein zweites werde! Lebe herzlich
wohl!
Jch ging zu Walmor, der uns in eine Uhrmacherei zu füh-
ren versprochen, worin einer seiner Vettern Arbeit verrichtete.
Jch nahm Eugen mit.
Ein herrlicher, großartiger Anblick bot sich dar. Jn den
vielen Magazinen, woraus das Ganze besteht, ist Alles aufge-
häuft, vom Rohstoff an, was nur irgend in die Uhr hineingeht.
Jm letzten Magazin die fertigen Uhren, wahre Kunstwerke;
Taschenuhren und Sternuhren, Thurmuhren und Wanduhren
formiren dort ein brillantes Museum. Die eigentliche Uhren-
werkstatt ist ein eintausend Fuß in's Geviert zählendes Gebäude, auf
Eisensäulen ruhend, drei Stockwerke übereinander. Unten sind
Maschinen zum Metallschneiden. Oben die Arbeitenden, in ebenso
viele Klassen getheilt, als es Arbeiten in der Uhr giebt; eine
Klasse macht stets nur eine und die nämliche Arbeit. Die Ord-
nung, Reinlichkeit, Helligkeit, Bequemlichkeit und der Fleiß sind
wahrhaft bewundernswerth. Man sieht, es sind freie, gleiche
Leute.
Walmor's Verwandter sprach folgendes: Wir kommen ein
Viertel vor sechs Morgens her, wechseln unsere Stadtkleider im
Kleidersaal der Werkstätte gegen diese Arbeitskleider, und fangen
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