Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 3. Berlin, 15. August 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

Zur Unterhaltung und Belehrung. 199
[Beginn Spaltensatz] seufzer und absurde phantastische Ergüsse der Bewunderung
entlocken. -- Hui! Uns überkommt stets Grausen und
Entsetzen, wenn wir die "epheuumrankten" Trümmer er-
blicken mit ihrem vielbewunderten, weil dauerhaftem Mörtel,
[Spaltenumbruch] dessen Kitt wahrscheinlich nichts anderes ist, als Menschen-
schweiß, Thränen und -- Blut. --

Wahrlich, solchen Parteien gegenüber gilt's, nicht halb,
sondern ganz zu sein, brave Social=Demokraten!

[Ende Spaltensatz]

Reise nach Jkarien
von Cabet.
( Fortsetzung. )
[Beginn Spaltensatz]
Neuntes Kapitel.

Wohnung -- Möblirung.

Jch hatte eben nach England geschrieben, da kam Eugen und
schlug einen Besuch bei einer ihm bekannten Familie vor. Dies
war eine Gelegenheit, sich im Jnnern einer ikarischen Privat-
wohnung umzusehen. Mit Bereitwilligkeit nahm ich an und
wir gingen. Daß Jkar den Musterplan eines Hauses hatte fest-
setzen lassen, nach Zuratheziehung des Wohnungscomit e ' s und
der gesammten Nation, und nach vorgängiger Untersuchung der
Bauarten in den verschiedensten Ländern, dieses wußte ich.
Demgemäß durfte ich ein in jeglicher Beziehung mustergültiges
Haus erwarten, und dennoch ward meine hohe Erwartung noch
übertroffen.

Jch fand in diesem Privathause das Nothwendige, Nütz-
liche, Angenehme im besten Verein.

Jedes Haus hat vier Stockwerke, nicht mitgerechnet die un-
terste Reihe Gemächer oder das Erdgeschoß. Jedes Haus hat
drei, vier, auch fünf Fenster Front. Unter der untersten Reihe
Gemächer befinden sich die Keller, die Räumlichkeiten für Kohlen
und Holz; der Boden dieser tiefen Räume liegt etwa sechs Fuß
unter dem Trottoir, und ihre Decke erhebt sich drei bis vier Fuß
über ihm. Die Dame des Hauses hatte die Güte, uns überall
herum zu führen. Sie erklärte uns, wie Maschinen das in
dieses unterirdische Gelaß Gehörige, aus dem Wagen und in
die Tiefe fördern, ohne das Trottoir zu beschädigen und zu be-
schmutzen.

Vom Keller herauf wird vermittelst Oeffnungen in dem Fuß-
boden und durch Gewinde der Jnhalt in die Küche und oberen
Gemächer geschafft, so daß auch hier wieder Menschenkräfte ge-
schont und erspart sind.

Es versteht sich, daß zu ebener Erde keine Läden, keine Eck-
zimmer für Pförtner, keine Ställe, kein Wagengelaß, kein Thor-
weg, kein Hof zu finden ist; wohl aber ist dort der Speisesaal,
die Küche nebst Zubehör, ein kleines Sprechzimmer, welches als
Bibliothek dient, ein Baderaum nebst anstoßender Hausapotheke,
eine kleine Werkstatt für die Männer und eine andere für die
Frauen, in jeder die für den Haushalt nöthigsten Werkzeuge.
Desgleichen trifft man dort, auf dem Erdgeschoß, einen Hof für
Geflügel, und daran lehnt sich der Garten mit dem Gartenhause
voll der zum Gartenbau nohwendigen Jnstrumente. --

Jm ersten Stocke ein großer Salon mit musikalischen Jn-
strumenten.

Schlafzimmer und Zimmer zu sonstigem Behuf füllen den
Rest des Hauses.

Alle Fenster öffnen sich nach innen und haben nach außen
Balkone.

Die Treppen waren vortrefflich. Sie führten uns auf das
Dach des Hauses, eine niedliche Terrasse, die ein Gärtchen war,
von dem man einer angenehmen Aussicht genoß. Jm Sommer
[Spaltenumbruch] an heiteren Abenden pflegt man dort oben sich zu versammeln, zu
singen und zu Nacht zu essen. Blumen duften auch fast auf je-
dem Balkone; da ist eine zweite kleine Terrasse.

Das Regenwasser geht in Zisternen, ohne die Terrassen zu
belästigen. Die Heizung geschieht auf höchst reinliche, ökonomische
Weise, und verbreitet überall eine gleichmäßige fanfte Wärme,
ohne die Bewohner dem Rauche oder gar Feuersbrünsten auszu-
setzen. "Sehen Sie," sagte die Wirthin, "da die kleinen Bild-
säulen auf dem Kamin; die Republik hat sie den sinnreichen bei-
den Männern gewidmet, welche das fast untrügliche Mittel gegen
Rauch und Feuersgefahr entdeckten; die unendlich seltenen Fälle,
wo Feuer ausbricht, sind ganz gefahrlos, und auf der Stelle wird
die Flamme erstickt. Man will jetzt eben noch eine Vorkehrung
entdeckt haben, wodurch Holz und Webestoffe unantastbar für
das Feuer gemacht werden."

Eugen bemerkte, daß Thüren und Fenster ohne Lärmen in
den Angeln rollten, sich von selbst schlossen und auf das Ge-
naueste gegen die Außenlust geschützt waren. "Ja wohl," setzte
die Dame hinzu, "und bemerken Sie auch, wie unsere Zimmer
zugleich luftig sind; ohne gezwungen zu sein, Thüren und Fen-
ster zu öffnen, lüften wir vermöge dieser Reihe von Klappen, die
zweckdienlich angebracht, und zweckdienlich in Gebrauch gesetzt,
die Atmosphäre rein erhalten."

Eine wahrhaft großartige Vorkehrung, Reinlichkeit im gan-
zen Hause zu bewahren, erfreut mich insonderheit. Damit zu-
sammen hingen andere, deren Zweck war, den weiblichen Mit-
gliedern der Familie das Widerliche in den Arbeiten der Haus-
haltung zu ersparen. So z. B. sind die Thüren im Erdgeschoß,
welche der Beschmutzung öfters blosgestellt sind als die oberen,
mit gefirnißter Fayenze, oder mit Farbe, welche bequem zu
waschen, überzogen. Das Wasser, sowohl das zum Trinken als
das zu anderen Zwecken dienende, kommt durch Röhren und
Krähne in alle Stockwerke, und wenn auch nicht in jedes Zim-
mer, so doch in die meisten. Das schmutzige Wasser in großen
Röhrenleitungen unter die Straße. -- Als nicht unwerth der
Erwähnung betrachte ich den Umstand, daß es eine Jkarierin
war, die den Preis erhalten, den das Wohnungscomit e auf die
beste Einrichtung der Abtritte gesetzt hatte; es ist dies in der
That ein Gegenstand, für den die Gesundheitspolizei ihr ernstes
Wort in unsern Ländern mit reden sollte; -- ja sollte. Und
es bleibt beim sollen! -- Die kleine Bildsäule der Erfinderin
ist in jedem Hause; die Republik hätte es für unwürdig gehal-
ten, einen wahrhaften Dienst um die allgemeine Gesundheit nicht
durch die besondere Zuerkennung eines Nationalbildnisses zu be-
lohnen.

Der Schmutz von der Straße kommt nicht bis in die Stu-
ben; die Trottoirs sind reinlich, und durch das ganze Haus ist
eine Menge kleiner Vorkehrungen getroffen. Zudem sieht die
Erziehung darauf, die Kinder zur äußersten Reinlichkeit zu ge-
wöhnen. -- Mancher Abfälle, z. B. aus der Küche, bedient man
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 199
[Beginn Spaltensatz] seufzer und absurde phantastische Ergüsse der Bewunderung
entlocken. — Hui! Uns überkommt stets Grausen und
Entsetzen, wenn wir die „epheuumrankten“ Trümmer er-
blicken mit ihrem vielbewunderten, weil dauerhaftem Mörtel,
[Spaltenumbruch] dessen Kitt wahrscheinlich nichts anderes ist, als Menschen-
schweiß, Thränen und — Blut. —

Wahrlich, solchen Parteien gegenüber gilt's, nicht halb,
sondern ganz zu sein, brave Social=Demokraten!

[Ende Spaltensatz]

Reise nach Jkarien
von Cabet.
( Fortsetzung. )
[Beginn Spaltensatz]
Neuntes Kapitel.

Wohnung — Möblirung.

Jch hatte eben nach England geschrieben, da kam Eugen und
schlug einen Besuch bei einer ihm bekannten Familie vor. Dies
war eine Gelegenheit, sich im Jnnern einer ikarischen Privat-
wohnung umzusehen. Mit Bereitwilligkeit nahm ich an und
wir gingen. Daß Jkar den Musterplan eines Hauses hatte fest-
setzen lassen, nach Zuratheziehung des Wohnungscomit é ' s und
der gesammten Nation, und nach vorgängiger Untersuchung der
Bauarten in den verschiedensten Ländern, dieses wußte ich.
Demgemäß durfte ich ein in jeglicher Beziehung mustergültiges
Haus erwarten, und dennoch ward meine hohe Erwartung noch
übertroffen.

Jch fand in diesem Privathause das Nothwendige, Nütz-
liche, Angenehme im besten Verein.

Jedes Haus hat vier Stockwerke, nicht mitgerechnet die un-
terste Reihe Gemächer oder das Erdgeschoß. Jedes Haus hat
drei, vier, auch fünf Fenster Front. Unter der untersten Reihe
Gemächer befinden sich die Keller, die Räumlichkeiten für Kohlen
und Holz; der Boden dieser tiefen Räume liegt etwa sechs Fuß
unter dem Trottoir, und ihre Decke erhebt sich drei bis vier Fuß
über ihm. Die Dame des Hauses hatte die Güte, uns überall
herum zu führen. Sie erklärte uns, wie Maschinen das in
dieses unterirdische Gelaß Gehörige, aus dem Wagen und in
die Tiefe fördern, ohne das Trottoir zu beschädigen und zu be-
schmutzen.

Vom Keller herauf wird vermittelst Oeffnungen in dem Fuß-
boden und durch Gewinde der Jnhalt in die Küche und oberen
Gemächer geschafft, so daß auch hier wieder Menschenkräfte ge-
schont und erspart sind.

Es versteht sich, daß zu ebener Erde keine Läden, keine Eck-
zimmer für Pförtner, keine Ställe, kein Wagengelaß, kein Thor-
weg, kein Hof zu finden ist; wohl aber ist dort der Speisesaal,
die Küche nebst Zubehör, ein kleines Sprechzimmer, welches als
Bibliothek dient, ein Baderaum nebst anstoßender Hausapotheke,
eine kleine Werkstatt für die Männer und eine andere für die
Frauen, in jeder die für den Haushalt nöthigsten Werkzeuge.
Desgleichen trifft man dort, auf dem Erdgeschoß, einen Hof für
Geflügel, und daran lehnt sich der Garten mit dem Gartenhause
voll der zum Gartenbau nohwendigen Jnstrumente. —

Jm ersten Stocke ein großer Salon mit musikalischen Jn-
strumenten.

Schlafzimmer und Zimmer zu sonstigem Behuf füllen den
Rest des Hauses.

Alle Fenster öffnen sich nach innen und haben nach außen
Balkone.

Die Treppen waren vortrefflich. Sie führten uns auf das
Dach des Hauses, eine niedliche Terrasse, die ein Gärtchen war,
von dem man einer angenehmen Aussicht genoß. Jm Sommer
[Spaltenumbruch] an heiteren Abenden pflegt man dort oben sich zu versammeln, zu
singen und zu Nacht zu essen. Blumen duften auch fast auf je-
dem Balkone; da ist eine zweite kleine Terrasse.

Das Regenwasser geht in Zisternen, ohne die Terrassen zu
belästigen. Die Heizung geschieht auf höchst reinliche, ökonomische
Weise, und verbreitet überall eine gleichmäßige fanfte Wärme,
ohne die Bewohner dem Rauche oder gar Feuersbrünsten auszu-
setzen. „Sehen Sie,“ sagte die Wirthin, „da die kleinen Bild-
säulen auf dem Kamin; die Republik hat sie den sinnreichen bei-
den Männern gewidmet, welche das fast untrügliche Mittel gegen
Rauch und Feuersgefahr entdeckten; die unendlich seltenen Fälle,
wo Feuer ausbricht, sind ganz gefahrlos, und auf der Stelle wird
die Flamme erstickt. Man will jetzt eben noch eine Vorkehrung
entdeckt haben, wodurch Holz und Webestoffe unantastbar für
das Feuer gemacht werden.“

Eugen bemerkte, daß Thüren und Fenster ohne Lärmen in
den Angeln rollten, sich von selbst schlossen und auf das Ge-
naueste gegen die Außenlust geschützt waren. „Ja wohl,“ setzte
die Dame hinzu, „und bemerken Sie auch, wie unsere Zimmer
zugleich luftig sind; ohne gezwungen zu sein, Thüren und Fen-
ster zu öffnen, lüften wir vermöge dieser Reihe von Klappen, die
zweckdienlich angebracht, und zweckdienlich in Gebrauch gesetzt,
die Atmosphäre rein erhalten.“

Eine wahrhaft großartige Vorkehrung, Reinlichkeit im gan-
zen Hause zu bewahren, erfreut mich insonderheit. Damit zu-
sammen hingen andere, deren Zweck war, den weiblichen Mit-
gliedern der Familie das Widerliche in den Arbeiten der Haus-
haltung zu ersparen. So z. B. sind die Thüren im Erdgeschoß,
welche der Beschmutzung öfters blosgestellt sind als die oberen,
mit gefirnißter Fayenze, oder mit Farbe, welche bequem zu
waschen, überzogen. Das Wasser, sowohl das zum Trinken als
das zu anderen Zwecken dienende, kommt durch Röhren und
Krähne in alle Stockwerke, und wenn auch nicht in jedes Zim-
mer, so doch in die meisten. Das schmutzige Wasser in großen
Röhrenleitungen unter die Straße. — Als nicht unwerth der
Erwähnung betrachte ich den Umstand, daß es eine Jkarierin
war, die den Preis erhalten, den das Wohnungscomit é auf die
beste Einrichtung der Abtritte gesetzt hatte; es ist dies in der
That ein Gegenstand, für den die Gesundheitspolizei ihr ernstes
Wort in unsern Ländern mit reden sollte; — ja sollte. Und
es bleibt beim sollen! — Die kleine Bildsäule der Erfinderin
ist in jedem Hause; die Republik hätte es für unwürdig gehal-
ten, einen wahrhaften Dienst um die allgemeine Gesundheit nicht
durch die besondere Zuerkennung eines Nationalbildnisses zu be-
lohnen.

Der Schmutz von der Straße kommt nicht bis in die Stu-
ben; die Trottoirs sind reinlich, und durch das ganze Haus ist
eine Menge kleiner Vorkehrungen getroffen. Zudem sieht die
Erziehung darauf, die Kinder zur äußersten Reinlichkeit zu ge-
wöhnen. — Mancher Abfälle, z. B. aus der Küche, bedient man
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0003" n="199"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Zur Unterhaltung und Belehrung.</hi> 199</fw><cb type="start"/>
seufzer und absurde phantastische Ergüsse der Bewunderung<lb/>
entlocken. &#x2014; Hui! Uns überkommt stets Grausen und<lb/>
Entsetzen, wenn wir die &#x201E;epheuumrankten&#x201C; Trümmer er-<lb/>
blicken mit ihrem vielbewunderten, weil dauerhaftem Mörtel,<lb/><cb n="2"/>
dessen Kitt wahrscheinlich nichts anderes ist, als Menschen-<lb/>
schweiß, Thränen und &#x2014; Blut. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wahrlich, solchen Parteien gegenüber gilt's, nicht halb,<lb/>
sondern ganz zu sein, brave Social=Demokraten!</p>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div xml:id="Reise7" type="jArticle" n="1">
        <head><hi rendition="#fr">Reise nach Jkarien</hi><lb/>
von <hi rendition="#g">Cabet.</hi><lb/><ref target="nn_social0802_1874#Reise6">( Fortsetzung. )</ref></head><lb/>
        <cb type="start"/>
        <div n="2">
          <head>Neuntes Kapitel.</head><lb/>
          <argument>
            <p>Wohnung &#x2014; Möblirung.</p>
          </argument><lb/>
          <p>Jch hatte eben nach England geschrieben, da kam Eugen und<lb/>
schlug einen Besuch bei einer ihm bekannten Familie vor. Dies<lb/>
war eine Gelegenheit, sich im Jnnern einer ikarischen Privat-<lb/>
wohnung umzusehen. Mit Bereitwilligkeit nahm ich an und<lb/>
wir gingen. Daß Jkar den Musterplan eines Hauses hatte fest-<lb/>
setzen lassen, nach Zuratheziehung des Wohnungscomit <hi rendition="#aq">é</hi> ' s und<lb/>
der gesammten Nation, und nach vorgängiger Untersuchung der<lb/>
Bauarten in den verschiedensten Ländern, dieses wußte ich.<lb/>
Demgemäß durfte ich ein in jeglicher Beziehung mustergültiges<lb/>
Haus erwarten, und dennoch ward meine hohe Erwartung noch<lb/>
übertroffen. </p><lb/>
          <p>Jch fand in diesem Privathause das Nothwendige, Nütz-<lb/>
liche, Angenehme im besten Verein.</p><lb/>
          <p>Jedes Haus hat vier Stockwerke, nicht mitgerechnet die un-<lb/>
terste Reihe Gemächer oder das Erdgeschoß. Jedes Haus hat<lb/>
drei, vier, auch fünf Fenster Front. Unter der untersten Reihe<lb/>
Gemächer befinden sich die Keller, die Räumlichkeiten für Kohlen<lb/>
und Holz; der Boden dieser tiefen Räume liegt etwa sechs Fuß<lb/>
unter dem Trottoir, und ihre Decke erhebt sich drei bis vier Fuß<lb/>
über ihm. Die Dame des Hauses hatte die Güte, uns überall<lb/>
herum zu führen. Sie erklärte uns, wie Maschinen das in<lb/>
dieses unterirdische Gelaß Gehörige, aus dem Wagen und in<lb/>
die Tiefe fördern, ohne das Trottoir zu beschädigen und zu be-<lb/>
schmutzen.</p><lb/>
          <p>Vom Keller herauf wird vermittelst Oeffnungen in dem Fuß-<lb/>
boden und durch Gewinde der Jnhalt in die Küche und oberen<lb/>
Gemächer geschafft, so daß auch hier wieder Menschenkräfte ge-<lb/>
schont und erspart sind.</p><lb/>
          <p>Es versteht sich, daß zu ebener Erde keine Läden, keine Eck-<lb/>
zimmer für Pförtner, keine Ställe, kein Wagengelaß, kein Thor-<lb/>
weg, kein Hof zu finden ist; wohl aber ist dort der Speisesaal,<lb/>
die Küche nebst Zubehör, ein kleines Sprechzimmer, welches als<lb/>
Bibliothek dient, ein Baderaum nebst anstoßender Hausapotheke,<lb/>
eine kleine Werkstatt für die Männer und eine andere für die<lb/>
Frauen, in jeder die für den Haushalt nöthigsten Werkzeuge.<lb/>
Desgleichen trifft man dort, auf dem Erdgeschoß, einen Hof für<lb/>
Geflügel, und daran lehnt sich der Garten mit dem Gartenhause<lb/>
voll der zum Gartenbau nohwendigen Jnstrumente. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Jm ersten Stocke ein großer Salon mit musikalischen Jn-<lb/>
strumenten.</p><lb/>
          <p>Schlafzimmer und Zimmer zu sonstigem Behuf füllen den<lb/>
Rest des Hauses.</p><lb/>
          <p>Alle Fenster öffnen sich nach innen und haben nach außen<lb/>
Balkone.</p><lb/>
          <p>Die Treppen waren vortrefflich. Sie führten uns auf das<lb/>
Dach des Hauses, eine niedliche Terrasse, die ein Gärtchen war,<lb/>
von dem man einer angenehmen Aussicht genoß. Jm Sommer<lb/><cb n="2"/>
an heiteren Abenden pflegt man dort oben sich zu versammeln, zu<lb/>
singen und zu Nacht zu essen. Blumen duften auch fast auf je-<lb/>
dem Balkone; da ist eine zweite kleine Terrasse.</p><lb/>
          <p>Das Regenwasser geht in Zisternen, ohne die Terrassen zu<lb/>
belästigen. Die Heizung geschieht auf höchst reinliche, ökonomische<lb/>
Weise, und verbreitet überall eine gleichmäßige fanfte Wärme,<lb/>
ohne die Bewohner dem Rauche oder gar Feuersbrünsten auszu-<lb/>
setzen. &#x201E;Sehen Sie,&#x201C; sagte die Wirthin, &#x201E;da die kleinen Bild-<lb/>
säulen auf dem Kamin; die Republik hat sie den sinnreichen bei-<lb/>
den Männern gewidmet, welche das fast untrügliche Mittel gegen<lb/>
Rauch und Feuersgefahr entdeckten; die unendlich seltenen Fälle,<lb/>
wo Feuer ausbricht, sind ganz gefahrlos, und auf der Stelle wird<lb/>
die Flamme erstickt. Man will jetzt eben noch eine Vorkehrung<lb/>
entdeckt haben, wodurch Holz und Webestoffe unantastbar für<lb/>
das Feuer gemacht werden.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Eugen bemerkte, daß Thüren und Fenster ohne Lärmen in<lb/>
den Angeln rollten, sich von selbst schlossen und auf das Ge-<lb/>
naueste gegen die Außenlust geschützt waren. &#x201E;Ja wohl,&#x201C; setzte<lb/>
die Dame hinzu, &#x201E;und bemerken Sie auch, wie unsere Zimmer<lb/>
zugleich luftig sind; ohne gezwungen zu sein, Thüren und Fen-<lb/>
ster zu öffnen, lüften wir vermöge dieser Reihe von Klappen, die<lb/>
zweckdienlich angebracht, und zweckdienlich in Gebrauch gesetzt,<lb/>
die Atmosphäre rein erhalten.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Eine wahrhaft großartige Vorkehrung, Reinlichkeit im gan-<lb/>
zen Hause zu bewahren, erfreut mich insonderheit. Damit zu-<lb/>
sammen hingen andere, deren Zweck war, den weiblichen Mit-<lb/>
gliedern der Familie das Widerliche in den Arbeiten der Haus-<lb/>
haltung zu ersparen. So z. B. sind die Thüren im Erdgeschoß,<lb/>
welche der Beschmutzung öfters blosgestellt sind als die oberen,<lb/>
mit gefirnißter Fayenze, oder mit Farbe, welche bequem zu<lb/>
waschen, überzogen. Das Wasser, sowohl das zum Trinken als<lb/>
das zu anderen Zwecken dienende, kommt durch Röhren und<lb/>
Krähne in alle Stockwerke, und wenn auch nicht in jedes Zim-<lb/>
mer, so doch in die meisten. Das schmutzige Wasser in großen<lb/>
Röhrenleitungen unter die Straße. &#x2014; Als nicht unwerth der<lb/>
Erwähnung betrachte ich den Umstand, daß es eine Jkarierin<lb/>
war, die den Preis erhalten, den das Wohnungscomit <hi rendition="#aq">é</hi> auf die<lb/>
beste Einrichtung der Abtritte gesetzt hatte; es ist dies in der<lb/>
That ein Gegenstand, für den die Gesundheitspolizei ihr ernstes<lb/>
Wort in unsern Ländern mit reden sollte; &#x2014; ja <hi rendition="#g">sollte.</hi> Und<lb/>
es bleibt beim <hi rendition="#g">sollen!</hi> &#x2014; Die kleine Bildsäule der Erfinderin<lb/>
ist in jedem Hause; die Republik hätte es für unwürdig gehal-<lb/>
ten, einen wahrhaften Dienst um die allgemeine Gesundheit nicht<lb/>
durch die besondere Zuerkennung eines Nationalbildnisses zu be-<lb/>
lohnen.</p><lb/>
          <p>Der Schmutz von der Straße kommt nicht bis in die Stu-<lb/>
ben; die Trottoirs sind reinlich, und durch das ganze Haus ist<lb/>
eine Menge kleiner Vorkehrungen getroffen. Zudem sieht die<lb/>
Erziehung darauf, die Kinder zur äußersten Reinlichkeit zu ge-<lb/>
wöhnen. &#x2014; Mancher Abfälle, z. B. aus der Küche, bedient man<lb/><cb type="end"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0003] Zur Unterhaltung und Belehrung. 199 seufzer und absurde phantastische Ergüsse der Bewunderung entlocken. — Hui! Uns überkommt stets Grausen und Entsetzen, wenn wir die „epheuumrankten“ Trümmer er- blicken mit ihrem vielbewunderten, weil dauerhaftem Mörtel, dessen Kitt wahrscheinlich nichts anderes ist, als Menschen- schweiß, Thränen und — Blut. — Wahrlich, solchen Parteien gegenüber gilt's, nicht halb, sondern ganz zu sein, brave Social=Demokraten! Reise nach Jkarien von Cabet. ( Fortsetzung. ) Neuntes Kapitel. Wohnung — Möblirung. Jch hatte eben nach England geschrieben, da kam Eugen und schlug einen Besuch bei einer ihm bekannten Familie vor. Dies war eine Gelegenheit, sich im Jnnern einer ikarischen Privat- wohnung umzusehen. Mit Bereitwilligkeit nahm ich an und wir gingen. Daß Jkar den Musterplan eines Hauses hatte fest- setzen lassen, nach Zuratheziehung des Wohnungscomit é ' s und der gesammten Nation, und nach vorgängiger Untersuchung der Bauarten in den verschiedensten Ländern, dieses wußte ich. Demgemäß durfte ich ein in jeglicher Beziehung mustergültiges Haus erwarten, und dennoch ward meine hohe Erwartung noch übertroffen. Jch fand in diesem Privathause das Nothwendige, Nütz- liche, Angenehme im besten Verein. Jedes Haus hat vier Stockwerke, nicht mitgerechnet die un- terste Reihe Gemächer oder das Erdgeschoß. Jedes Haus hat drei, vier, auch fünf Fenster Front. Unter der untersten Reihe Gemächer befinden sich die Keller, die Räumlichkeiten für Kohlen und Holz; der Boden dieser tiefen Räume liegt etwa sechs Fuß unter dem Trottoir, und ihre Decke erhebt sich drei bis vier Fuß über ihm. Die Dame des Hauses hatte die Güte, uns überall herum zu führen. Sie erklärte uns, wie Maschinen das in dieses unterirdische Gelaß Gehörige, aus dem Wagen und in die Tiefe fördern, ohne das Trottoir zu beschädigen und zu be- schmutzen. Vom Keller herauf wird vermittelst Oeffnungen in dem Fuß- boden und durch Gewinde der Jnhalt in die Küche und oberen Gemächer geschafft, so daß auch hier wieder Menschenkräfte ge- schont und erspart sind. Es versteht sich, daß zu ebener Erde keine Läden, keine Eck- zimmer für Pförtner, keine Ställe, kein Wagengelaß, kein Thor- weg, kein Hof zu finden ist; wohl aber ist dort der Speisesaal, die Küche nebst Zubehör, ein kleines Sprechzimmer, welches als Bibliothek dient, ein Baderaum nebst anstoßender Hausapotheke, eine kleine Werkstatt für die Männer und eine andere für die Frauen, in jeder die für den Haushalt nöthigsten Werkzeuge. Desgleichen trifft man dort, auf dem Erdgeschoß, einen Hof für Geflügel, und daran lehnt sich der Garten mit dem Gartenhause voll der zum Gartenbau nohwendigen Jnstrumente. — Jm ersten Stocke ein großer Salon mit musikalischen Jn- strumenten. Schlafzimmer und Zimmer zu sonstigem Behuf füllen den Rest des Hauses. Alle Fenster öffnen sich nach innen und haben nach außen Balkone. Die Treppen waren vortrefflich. Sie führten uns auf das Dach des Hauses, eine niedliche Terrasse, die ein Gärtchen war, von dem man einer angenehmen Aussicht genoß. Jm Sommer an heiteren Abenden pflegt man dort oben sich zu versammeln, zu singen und zu Nacht zu essen. Blumen duften auch fast auf je- dem Balkone; da ist eine zweite kleine Terrasse. Das Regenwasser geht in Zisternen, ohne die Terrassen zu belästigen. Die Heizung geschieht auf höchst reinliche, ökonomische Weise, und verbreitet überall eine gleichmäßige fanfte Wärme, ohne die Bewohner dem Rauche oder gar Feuersbrünsten auszu- setzen. „Sehen Sie,“ sagte die Wirthin, „da die kleinen Bild- säulen auf dem Kamin; die Republik hat sie den sinnreichen bei- den Männern gewidmet, welche das fast untrügliche Mittel gegen Rauch und Feuersgefahr entdeckten; die unendlich seltenen Fälle, wo Feuer ausbricht, sind ganz gefahrlos, und auf der Stelle wird die Flamme erstickt. Man will jetzt eben noch eine Vorkehrung entdeckt haben, wodurch Holz und Webestoffe unantastbar für das Feuer gemacht werden.“ Eugen bemerkte, daß Thüren und Fenster ohne Lärmen in den Angeln rollten, sich von selbst schlossen und auf das Ge- naueste gegen die Außenlust geschützt waren. „Ja wohl,“ setzte die Dame hinzu, „und bemerken Sie auch, wie unsere Zimmer zugleich luftig sind; ohne gezwungen zu sein, Thüren und Fen- ster zu öffnen, lüften wir vermöge dieser Reihe von Klappen, die zweckdienlich angebracht, und zweckdienlich in Gebrauch gesetzt, die Atmosphäre rein erhalten.“ Eine wahrhaft großartige Vorkehrung, Reinlichkeit im gan- zen Hause zu bewahren, erfreut mich insonderheit. Damit zu- sammen hingen andere, deren Zweck war, den weiblichen Mit- gliedern der Familie das Widerliche in den Arbeiten der Haus- haltung zu ersparen. So z. B. sind die Thüren im Erdgeschoß, welche der Beschmutzung öfters blosgestellt sind als die oberen, mit gefirnißter Fayenze, oder mit Farbe, welche bequem zu waschen, überzogen. Das Wasser, sowohl das zum Trinken als das zu anderen Zwecken dienende, kommt durch Röhren und Krähne in alle Stockwerke, und wenn auch nicht in jedes Zim- mer, so doch in die meisten. Das schmutzige Wasser in großen Röhrenleitungen unter die Straße. — Als nicht unwerth der Erwähnung betrachte ich den Umstand, daß es eine Jkarierin war, die den Preis erhalten, den das Wohnungscomit é auf die beste Einrichtung der Abtritte gesetzt hatte; es ist dies in der That ein Gegenstand, für den die Gesundheitspolizei ihr ernstes Wort in unsern Ländern mit reden sollte; — ja sollte. Und es bleibt beim sollen! — Die kleine Bildsäule der Erfinderin ist in jedem Hause; die Republik hätte es für unwürdig gehal- ten, einen wahrhaften Dienst um die allgemeine Gesundheit nicht durch die besondere Zuerkennung eines Nationalbildnisses zu be- lohnen. Der Schmutz von der Straße kommt nicht bis in die Stu- ben; die Trottoirs sind reinlich, und durch das ganze Haus ist eine Menge kleiner Vorkehrungen getroffen. Zudem sieht die Erziehung darauf, die Kinder zur äußersten Reinlichkeit zu ge- wöhnen. — Mancher Abfälle, z. B. aus der Küche, bedient man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0803_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0803_1874/3
Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 3. Berlin, 15. August 1874, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0803_1874/3>, abgerufen am 23.11.2024.