Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Flitte aus Elsaß tanzte grade zu im Sessions¬
zimmer, besah lachend alle Ernste, und schwur,
er sei nicht der Reichste unter ihnen, aber, für
ganz Strasburg und Elsas dazu, wär' er nicht
im Stande bei einem solchen Spas zu weinen. --

Zulezt sah ihn der Polizei-Inspektor Har¬
precht sehr bedeutend an, und versicherte: falls
Monsieur etwan hoffe, durch Gelächter aus den
sehr bekannten Drüsen, und aus den Meibomi¬
schen und der Karunkel und andern die begehrten
Tropfen zu erpressen und sich diebisch mit diesem
Fensterschweis zu beschlagen, so wolle er ihn er¬
innern, daß er damit so wenig gewinnen könne
als wenn er die Nase schnäuzen und davon profi¬
tieren wolte, indem in leztere wie bekannt, durch
den ductus nasalis mehr aus den Augen fließe,
als in jeden Kirchenstuhl hinein unter einer Lei¬
chenpredigt. -- Aber der Elsaßer versicherte, er
lache nur zum Spas, nicht aus ernstern Absichten.

Der Inspektor seiner seits, bekannt mit sei¬
nem dephlegmierten Herzen, suchte dadurch et¬
was Passendes in die Augen zu treiben, daß er
mit ihnen sehr starr und weit offen blikte.

Flitte aus Elſaß tanzte grade zu im Seſſions¬
zimmer, beſah lachend alle Ernſte, und ſchwur,
er ſei nicht der Reichſte unter ihnen, aber, fuͤr
ganz Strasburg und Elſas dazu, waͤr' er nicht
im Stande bei einem ſolchen Spas zu weinen. —

Zulezt ſah ihn der Polizei-Inſpektor Har¬
precht ſehr bedeutend an, und verſicherte: falls
Monsieur etwan hoffe, durch Gelaͤchter aus den
ſehr bekannten Druͤſen, und aus den Meibomi¬
ſchen und der Karunkel und andern die begehrten
Tropfen zu erpreſſen und ſich diebiſch mit dieſem
Fenſterſchweis zu beſchlagen, ſo wolle er ihn er¬
innern, daß er damit ſo wenig gewinnen koͤnne
als wenn er die Naſe ſchnaͤuzen und davon profi¬
tieren wolte, indem in leztere wie bekannt, durch
den ductus nasalis mehr aus den Augen fließe,
als in jeden Kirchenſtuhl hinein unter einer Lei¬
chenpredigt. — Aber der Elſaßer verſicherte, er
lache nur zum Spas, nicht aus ernſtern Abſichten.

Der Inſpektor ſeiner ſeits, bekannt mit ſei¬
nem dephlegmierten Herzen, ſuchte dadurch et¬
was Paſſendes in die Augen zu treiben, daß er
mit ihnen ſehr ſtarr und weit offen blikte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0020" n="10"/>
          <p>Flitte aus El&#x017F;aß tanzte grade zu im Se&#x017F;&#x017F;ions¬<lb/>
zimmer, be&#x017F;ah lachend alle Ern&#x017F;te, und &#x017F;chwur,<lb/>
er &#x017F;ei nicht der Reich&#x017F;te unter ihnen, aber, fu&#x0364;r<lb/>
ganz Strasburg und El&#x017F;as dazu, wa&#x0364;r' er nicht<lb/>
im Stande bei einem &#x017F;olchen Spas zu weinen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Zulezt &#x017F;ah ihn der Polizei-In&#x017F;pektor Har¬<lb/>
precht &#x017F;ehr bedeutend an, und ver&#x017F;icherte: falls<lb/><hi rendition="#aq">Monsieur</hi> etwan hoffe, durch Gela&#x0364;chter aus den<lb/>
&#x017F;ehr bekannten Dru&#x0364;&#x017F;en, und aus den Meibomi¬<lb/>
&#x017F;chen und der Karunkel und andern die begehrten<lb/>
Tropfen zu erpre&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ich diebi&#x017F;ch mit die&#x017F;em<lb/>
Fen&#x017F;ter&#x017F;chweis zu be&#x017F;chlagen, &#x017F;o wolle er ihn er¬<lb/>
innern, daß er damit &#x017F;o wenig gewinnen ko&#x0364;nne<lb/>
als wenn er die Na&#x017F;e &#x017F;chna&#x0364;uzen und davon profi¬<lb/>
tieren wolte, indem in leztere wie bekannt, durch<lb/>
den <hi rendition="#aq">ductus nasalis</hi> mehr aus den Augen fließe,<lb/>
als in jeden Kirchen&#x017F;tuhl hinein unter einer Lei¬<lb/>
chenpredigt. &#x2014; Aber der El&#x017F;aßer ver&#x017F;icherte, er<lb/>
lache nur zum Spas, nicht aus ern&#x017F;tern Ab&#x017F;ichten.</p><lb/>
          <p>Der In&#x017F;pektor &#x017F;einer &#x017F;eits, bekannt mit &#x017F;ei¬<lb/>
nem dephlegmierten Herzen, &#x017F;uchte dadurch et¬<lb/>
was Pa&#x017F;&#x017F;endes in die Augen zu treiben, daß er<lb/>
mit ihnen &#x017F;ehr &#x017F;tarr und weit offen blikte.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0020] Flitte aus Elſaß tanzte grade zu im Seſſions¬ zimmer, beſah lachend alle Ernſte, und ſchwur, er ſei nicht der Reichſte unter ihnen, aber, fuͤr ganz Strasburg und Elſas dazu, waͤr' er nicht im Stande bei einem ſolchen Spas zu weinen. — Zulezt ſah ihn der Polizei-Inſpektor Har¬ precht ſehr bedeutend an, und verſicherte: falls Monsieur etwan hoffe, durch Gelaͤchter aus den ſehr bekannten Druͤſen, und aus den Meibomi¬ ſchen und der Karunkel und andern die begehrten Tropfen zu erpreſſen und ſich diebiſch mit dieſem Fenſterſchweis zu beſchlagen, ſo wolle er ihn er¬ innern, daß er damit ſo wenig gewinnen koͤnne als wenn er die Naſe ſchnaͤuzen und davon profi¬ tieren wolte, indem in leztere wie bekannt, durch den ductus nasalis mehr aus den Augen fließe, als in jeden Kirchenſtuhl hinein unter einer Lei¬ chenpredigt. — Aber der Elſaßer verſicherte, er lache nur zum Spas, nicht aus ernſtern Abſichten. Der Inſpektor ſeiner ſeits, bekannt mit ſei¬ nem dephlegmierten Herzen, ſuchte dadurch et¬ was Paſſendes in die Augen zu treiben, daß er mit ihnen ſehr ſtarr und weit offen blikte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/20
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/20>, abgerufen am 23.11.2024.