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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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-- und fand: im Tempel. Er stieg unter dem
Heruntertraben der Kirchgänger ungehört hinauf in
die aussen leer scheinende adeliche Frontloge, diese
Konsole und diese Blumengestelle der Stifts-Non¬
nen. Es war heute nichts drinnen als entfalne Bir¬
kenblätter: denn die sämtlichen Nonnen und die Aeb¬
tissin und die Ex-Nonne Klotilde standen -- unten
in der Kirche und faßten den Altar mit einem Chor
von singenden Engeln ein und empfingen daran das
Abendmal. -- Mit einem Freudenschauer blickte er
die Königin seines Himmels an, die so theuer Ge¬
liebte und so Unverdiente, diesen glänzenden Engel,
der seine Hülle aus Erdenschnee mit der himmlischen
Wärme zu Thränen zerschmilzt, um bald unsichtbar
zu werden. -- -- Sein Geist bog sich als sie kniete:
"Himmelsfrieden trinke (sagt' er) aus dem Ordens¬
"kelch des großen Menschen, unter dessen Gedanken
"keine Wolke und kein Seufzer war -- o der Ge¬
"danke, den du jetzt mit so fester Andacht anschau¬
"est, müsse immer leuchtender und unbeweglich wie
"eine Sonne werden und immer ein warmes Abend¬
"licht über die müde Seele werfen!" -- Dieser En¬
gel im Trauerkleide zog jetzt in seinem Innern durch
eine Todtenauferweckung alle Tugenden seines Lebens
und alle Fehler desselben herauf und gab jenen einen
Himmel und diesen ihre Hölle: daher war er jetzt
zu heilig, um eine Heilige zu stören durch seine Er¬

— und fand: im Tempel. Er ſtieg unter dem
Heruntertraben der Kirchgaͤnger ungehoͤrt hinauf in
die auſſen leer ſcheinende adeliche Frontloge, dieſe
Konſole und dieſe Blumengeſtelle der Stifts-Non¬
nen. Es war heute nichts drinnen als entfalne Bir¬
kenblaͤtter: denn die ſaͤmtlichen Nonnen und die Aeb¬
tiſſin und die Ex-Nonne Klotilde ſtanden — unten
in der Kirche und faßten den Altar mit einem Chor
von ſingenden Engeln ein und empfingen daran das
Abendmal. — Mit einem Freudenſchauer blickte er
die Koͤnigin ſeines Himmels an, die ſo theuer Ge¬
liebte und ſo Unverdiente, dieſen glaͤnzenden Engel,
der ſeine Huͤlle aus Erdenſchnee mit der himmliſchen
Waͤrme zu Thraͤnen zerſchmilzt, um bald unſichtbar
zu werden. — — Sein Geiſt bog ſich als ſie kniete:
»Himmelsfrieden trinke (ſagt' er) aus dem Ordens¬
»kelch des großen Menſchen, unter deſſen Gedanken
»keine Wolke und kein Seufzer war — o der Ge¬
»danke, den du jetzt mit ſo feſter Andacht anſchau¬
»eſt, muͤſſe immer leuchtender und unbeweglich wie
»eine Sonne werden und immer ein warmes Abend¬
»licht uͤber die muͤde Seele werfen!» — Dieſer En¬
gel im Trauerkleide zog jetzt in ſeinem Innern durch
eine Todtenauferweckung alle Tugenden ſeines Lebens
und alle Fehler deſſelben herauf und gab jenen einen
Himmel und dieſen ihre Hoͤlle: daher war er jetzt
zu heilig, um eine Heilige zu ſtoͤren durch ſeine Er¬

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[125/0135] — und fand: im Tempel. Er ſtieg unter dem Heruntertraben der Kirchgaͤnger ungehoͤrt hinauf in die auſſen leer ſcheinende adeliche Frontloge, dieſe Konſole und dieſe Blumengeſtelle der Stifts-Non¬ nen. Es war heute nichts drinnen als entfalne Bir¬ kenblaͤtter: denn die ſaͤmtlichen Nonnen und die Aeb¬ tiſſin und die Ex-Nonne Klotilde ſtanden — unten in der Kirche und faßten den Altar mit einem Chor von ſingenden Engeln ein und empfingen daran das Abendmal. — Mit einem Freudenſchauer blickte er die Koͤnigin ſeines Himmels an, die ſo theuer Ge¬ liebte und ſo Unverdiente, dieſen glaͤnzenden Engel, der ſeine Huͤlle aus Erdenſchnee mit der himmliſchen Waͤrme zu Thraͤnen zerſchmilzt, um bald unſichtbar zu werden. — — Sein Geiſt bog ſich als ſie kniete: »Himmelsfrieden trinke (ſagt' er) aus dem Ordens¬ »kelch des großen Menſchen, unter deſſen Gedanken »keine Wolke und kein Seufzer war — o der Ge¬ »danke, den du jetzt mit ſo feſter Andacht anſchau¬ »eſt, muͤſſe immer leuchtender und unbeweglich wie »eine Sonne werden und immer ein warmes Abend¬ »licht uͤber die muͤde Seele werfen!» — Dieſer En¬ gel im Trauerkleide zog jetzt in ſeinem Innern durch eine Todtenauferweckung alle Tugenden ſeines Lebens und alle Fehler deſſelben herauf und gab jenen einen Himmel und dieſen ihre Hoͤlle: daher war er jetzt zu heilig, um eine Heilige zu ſtoͤren durch ſeine Er¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/135>, abgerufen am 23.11.2024.