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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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"es wären zwei Damen droben, die eine kenne man
"nicht" (er entdeckte aber im ersten Abriß ihres An¬
zugs sogleich die Pfarrerin) -- "die andere sey oft
"hierdurch passirt, es sey die Tochter des Obrist¬
"kammerherrn und habe Ganz-Trauer an, weil ihr
"Vater vor einigen Tagen todtgeschossen worden im
"Duell mit dem Regierungsrath Flamin, und beide
"reiseten, wie ihre Leute sagten, nach England."

Er schrie vergeblich, halb im Blut und Qual
erstickend: es ist unmöglich, mit dem Hofjunker von
Schleunes meint ihr." Aber es war doch -- Fla¬
min war im Gefängniß -- Matthieu ausser Landes
-- Le Baut schon unter der Erde . . . . Fodert
aber die Geschichte dieses Mordes jetzt nicht! --
Viktor zog langsam die Uhr des glücklichen Zeidlers
heraus und sah starr den Zeiger froher Stunden an,
der schon einige Tage unaufgezogen stockte; in ihm
rieth etwas der wilden Verzweiflung an, er sollte
sie gegen den steinernen Boden schleudern und schmet¬
tern. -- -- Aber drei Lauten-Hauche der Flöte,
mit der der Blinde eine schönere wärmere Vergan¬
genheit vor die erstarrte Seele zog, löseten sein
gerinnendes Herz in ein nasses Auge auf und er
hob es überfließend empor und sagte blos: "Vergieb
"mir's, Allgütiger -- ach ich will gern nur wei¬
"nen!" -- Wenn die Schmerzen in uns zu reissend
werden: so knirscht etwas in uns gegen das Schick¬

»es waͤren zwei Damen droben, die eine kenne man
»nicht« (er entdeckte aber im erſten Abriß ihres An¬
zugs ſogleich die Pfarrerin) — »die andere ſey oft
»hierdurch paſſirt, es ſey die Tochter des Obriſt¬
»kammerherrn und habe Ganz-Trauer an, weil ihr
»Vater vor einigen Tagen todtgeſchoſſen worden im
»Duell mit dem Regierungsrath Flamin, und beide
»reiſeten, wie ihre Leute ſagten, nach England.»

Er ſchrie vergeblich, halb im Blut und Qual
erſtickend: es iſt unmoͤglich, mit dem Hofjunker von
Schleunes meint ihr.» Aber es war doch — Fla¬
min war im Gefaͤngniß — Matthieu auſſer Landes
— Le Baut ſchon unter der Erde . . . . Fodert
aber die Geſchichte dieſes Mordes jetzt nicht! —
Viktor zog langſam die Uhr des gluͤcklichen Zeidlers
heraus und ſah ſtarr den Zeiger froher Stunden an,
der ſchon einige Tage unaufgezogen ſtockte; in ihm
rieth etwas der wilden Verzweiflung an, er ſollte
ſie gegen den ſteinernen Boden ſchleudern und ſchmet¬
tern. — — Aber drei Lauten-Hauche der Floͤte,
mit der der Blinde eine ſchoͤnere waͤrmere Vergan¬
genheit vor die erſtarrte Seele zog, loͤſeten ſein
gerinnendes Herz in ein naſſes Auge auf und er
hob es uͤberfließend empor und ſagte blos: »Vergieb
»mir's, Allguͤtiger — ach ich will gern nur wei¬
»nen!» — Wenn die Schmerzen in uns zu reiſſend
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[308/0318] »es waͤren zwei Damen droben, die eine kenne man »nicht« (er entdeckte aber im erſten Abriß ihres An¬ zugs ſogleich die Pfarrerin) — »die andere ſey oft »hierdurch paſſirt, es ſey die Tochter des Obriſt¬ »kammerherrn und habe Ganz-Trauer an, weil ihr »Vater vor einigen Tagen todtgeſchoſſen worden im »Duell mit dem Regierungsrath Flamin, und beide »reiſeten, wie ihre Leute ſagten, nach England.» Er ſchrie vergeblich, halb im Blut und Qual erſtickend: es iſt unmoͤglich, mit dem Hofjunker von Schleunes meint ihr.» Aber es war doch — Fla¬ min war im Gefaͤngniß — Matthieu auſſer Landes — Le Baut ſchon unter der Erde . . . . Fodert aber die Geſchichte dieſes Mordes jetzt nicht! — Viktor zog langſam die Uhr des gluͤcklichen Zeidlers heraus und ſah ſtarr den Zeiger froher Stunden an, der ſchon einige Tage unaufgezogen ſtockte; in ihm rieth etwas der wilden Verzweiflung an, er ſollte ſie gegen den ſteinernen Boden ſchleudern und ſchmet¬ tern. — — Aber drei Lauten-Hauche der Floͤte, mit der der Blinde eine ſchoͤnere waͤrmere Vergan¬ genheit vor die erſtarrte Seele zog, loͤſeten ſein gerinnendes Herz in ein naſſes Auge auf und er hob es uͤberfließend empor und ſagte blos: »Vergieb »mir's, Allguͤtiger — ach ich will gern nur wei¬ »nen!» — Wenn die Schmerzen in uns zu reiſſend werden: ſo knirſcht etwas in uns gegen das Schick¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/318>, abgerufen am 23.11.2024.