Jch, Hochzuehrende, und Werthgeschätzte Jung- frau, ich, der ich minima particula, ein kleiner Theil, dieses Ganzen bin, ich fühle diese Triebe der Natur mehr als jemals, da ich das Glück gehabt, Sie kennen zu lernen. Jch halte es für meine Pflicht, dieser Stimme zu folgen. Sie würden rebellisch seyn, wenn Sie diesen Trieben der Natur sich widersetzen, und nichts fühlen wollten, da Sie doch zu eben diesen großen Absichten so fühlbar ge- bohren sind.
Lassen Sie uns denn, Werthgeschätzte Jung- frau, diese Triebe vereinigen, und, so viel an uns ist, hindern, daß die Welt nicht zur Wüste werde.
Sie heißen Dorothea, denn Sie sind eine wah- re Gottesgabe; und da ich Theodor heiße: so wird es überflüssig seyn, zu beweisen, daß wir beide für einander geschaffen zu seyn scheinen.
Jener malte eine Sonnenblume, mit der Ue- berschrift:
Sequitur suum!
Wie dieser ist die Sonne: So bist du meine Wonne!
anzudeuten, daß ein Verliebter niemals seinen ge- liebten Gegenstand aus den Augen lasse, sondern sich, gleich einer Sonnenblume, nach demselben be- ständig wende und kehre. Glauben Sie, Hochzu- ehrende Jungfrau, daß ich niemals meine eheliche Pflicht aus den Augen lassen, sondern mit unver- wandten Augen nach Jhnen, wie ein Schiffer nach dem Polarsterne, sehn, und mir Mühe geben wer-
de,
Satyriſche Briefe.
Jch, Hochzuehrende, und Werthgeſchaͤtzte Jung- frau, ich, der ich minima particula, ein kleiner Theil, dieſes Ganzen bin, ich fuͤhle dieſe Triebe der Natur mehr als jemals, da ich das Gluͤck gehabt, Sie kennen zu lernen. Jch halte es fuͤr meine Pflicht, dieſer Stimme zu folgen. Sie wuͤrden rebelliſch ſeyn, wenn Sie dieſen Trieben der Natur ſich widerſetzen, und nichts fuͤhlen wollten, da Sie doch zu eben dieſen großen Abſichten ſo fuͤhlbar ge- bohren ſind.
Laſſen Sie uns denn, Werthgeſchaͤtzte Jung- frau, dieſe Triebe vereinigen, und, ſo viel an uns iſt, hindern, daß die Welt nicht zur Wuͤſte werde.
Sie heißen Dorothea, denn Sie ſind eine wah- re Gottesgabe; und da ich Theodor heiße: ſo wird es uͤberfluͤſſig ſeyn, zu beweiſen, daß wir beide fuͤr einander geſchaffen zu ſeyn ſcheinen.
Jener malte eine Sonnenblume, mit der Ue- berſchrift:
Sequitur ſuum!
Wie dieſer iſt die Sonne: So biſt du meine Wonne!
anzudeuten, daß ein Verliebter niemals ſeinen ge- liebten Gegenſtand aus den Augen laſſe, ſondern ſich, gleich einer Sonnenblume, nach demſelben be- ſtaͤndig wende und kehre. Glauben Sie, Hochzu- ehrende Jungfrau, daß ich niemals meine eheliche Pflicht aus den Augen laſſen, ſondern mit unver- wandten Augen nach Jhnen, wie ein Schiffer nach dem Polarſterne, ſehn, und mir Muͤhe geben wer-
de,
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Satyriſche Briefe.
Jch, Hochzuehrende, und Werthgeſchaͤtzte Jung-
frau, ich, der ich minima particula, ein kleiner
Theil, dieſes Ganzen bin, ich fuͤhle dieſe Triebe der
Natur mehr als jemals, da ich das Gluͤck gehabt,
Sie kennen zu lernen. Jch halte es fuͤr meine
Pflicht, dieſer Stimme zu folgen. Sie wuͤrden
rebelliſch ſeyn, wenn Sie dieſen Trieben der Natur
ſich widerſetzen, und nichts fuͤhlen wollten, da Sie
doch zu eben dieſen großen Abſichten ſo fuͤhlbar ge-
bohren ſind.
Laſſen Sie uns denn, Werthgeſchaͤtzte Jung-
frau, dieſe Triebe vereinigen, und, ſo viel an uns iſt,
hindern, daß die Welt nicht zur Wuͤſte werde.
Sie heißen Dorothea, denn Sie ſind eine wah-
re Gottesgabe; und da ich Theodor heiße: ſo wird
es uͤberfluͤſſig ſeyn, zu beweiſen, daß wir beide fuͤr
einander geſchaffen zu ſeyn ſcheinen.
Jener malte eine Sonnenblume, mit der Ue-
berſchrift:
Sequitur ſuum!
Wie dieſer iſt die Sonne:
So biſt du meine Wonne!
anzudeuten, daß ein Verliebter niemals ſeinen ge-
liebten Gegenſtand aus den Augen laſſe, ſondern
ſich, gleich einer Sonnenblume, nach demſelben be-
ſtaͤndig wende und kehre. Glauben Sie, Hochzu-
ehrende Jungfrau, daß ich niemals meine eheliche
Pflicht aus den Augen laſſen, ſondern mit unver-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/391>, abgerufen am 23.11.2024.
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