hung der Jugend für überflüßig hält; daß man glaubt, die Natur bilde die Gemüther schon selbst, ohne diese Erziehung; daß man sich die geringste Sorge nicht macht, es werden die übeln Ange- wohnheiten der Jugend einen Einfluß in die männlichen Jahre haben; mit einem Worte, man werde das im Alter thun, was man in der Ju- gend zu thun gewohnt ist.
Wer noch einen Augenblick daran zweifelt, der gebe sich die Mühe, und prüfe die Kinderzucht sei- ner Bekannten. Zwey Drittheile von ihnen be- kräftigen meinen Satz, und das übrige dritte Theil gehört zur Ausnahme, die keine Regel macht.
Am allermeisten bestätigt die Erfahrung, daß das Sprüchwort: jung gewohnt, alt gethan, gar keine allgemeine Wahrheit sey.
Der Graf N. N. war bis in sein zwanzigstes Jahr unter der strengen Zucht eines harten und eigensinnigen Vaters, einer abergläubischen Mut- ter, und eines pedantischen Jnformators. Der Vater wollte ihn mit Ohrfeigen zwingen, politisch, und ein Staatsmann zu werden; die Mutter prü- gelte ihn zum Christen, und der traurige Jnfor- mator blökte ihn bey jedem Donatschnitzer men- schenfeindlich an. Was waren die Folgen dieser Zucht? Er war sehr jung an die Bücher und zum Gebete gewöhnt: Hätte man nicht glauben sollen daß er sich bis in sein Alter damit beschäfftigen würde? Nichts weniger. Der unvermuthete Tod
seines
Antons Panßa von Mancha
hung der Jugend fuͤr uͤberfluͤßig haͤlt; daß man glaubt, die Natur bilde die Gemuͤther ſchon ſelbſt, ohne dieſe Erziehung; daß man ſich die geringſte Sorge nicht macht, es werden die uͤbeln Ange- wohnheiten der Jugend einen Einfluß in die maͤnnlichen Jahre haben; mit einem Worte, man werde das im Alter thun, was man in der Ju- gend zu thun gewohnt iſt.
Wer noch einen Augenblick daran zweifelt, der gebe ſich die Muͤhe, und pruͤfe die Kinderzucht ſei- ner Bekannten. Zwey Drittheile von ihnen be- kraͤftigen meinen Satz, und das uͤbrige dritte Theil gehoͤrt zur Ausnahme, die keine Regel macht.
Am allermeiſten beſtaͤtigt die Erfahrung, daß das Spruͤchwort: jung gewohnt, alt gethan, gar keine allgemeine Wahrheit ſey.
Der Graf N. N. war bis in ſein zwanzigſtes Jahr unter der ſtrengen Zucht eines harten und eigenſinnigen Vaters, einer aberglaͤubiſchen Mut- ter, und eines pedantiſchen Jnformators. Der Vater wollte ihn mit Ohrfeigen zwingen, politiſch, und ein Staatsmann zu werden; die Mutter pruͤ- gelte ihn zum Chriſten, und der traurige Jnfor- mator bloͤkte ihn bey jedem Donatſchnitzer men- ſchenfeindlich an. Was waren die Folgen dieſer Zucht? Er war ſehr jung an die Buͤcher und zum Gebete gewoͤhnt: Haͤtte man nicht glauben ſollen daß er ſich bis in ſein Alter damit beſchaͤfftigen wuͤrde? Nichts weniger. Der unvermuthete Tod
ſeines
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0164"n="142"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
hung der Jugend fuͤr uͤberfluͤßig haͤlt; daß man<lb/>
glaubt, die Natur bilde die Gemuͤther ſchon ſelbſt,<lb/>
ohne dieſe Erziehung; daß man ſich die geringſte<lb/>
Sorge nicht macht, es werden die uͤbeln Ange-<lb/>
wohnheiten der Jugend einen Einfluß in die<lb/>
maͤnnlichen Jahre haben; mit einem Worte, man<lb/>
werde das im Alter thun, was man in der Ju-<lb/>
gend zu thun gewohnt iſt.</p><lb/><p>Wer noch einen Augenblick daran zweifelt, der<lb/>
gebe ſich die Muͤhe, und pruͤfe die Kinderzucht ſei-<lb/>
ner Bekannten. Zwey Drittheile von ihnen be-<lb/>
kraͤftigen meinen Satz, und das uͤbrige dritte Theil<lb/>
gehoͤrt zur Ausnahme, die keine Regel macht.</p><lb/><p>Am allermeiſten beſtaͤtigt die Erfahrung, daß<lb/>
das Spruͤchwort: <hirendition="#fr">jung gewohnt, alt gethan,</hi><lb/>
gar keine allgemeine Wahrheit ſey.</p><lb/><p>Der Graf N. N. war bis in ſein zwanzigſtes<lb/>
Jahr unter der ſtrengen Zucht eines harten und<lb/>
eigenſinnigen Vaters, einer aberglaͤubiſchen Mut-<lb/>
ter, und eines pedantiſchen Jnformators. Der<lb/>
Vater wollte ihn mit Ohrfeigen zwingen, politiſch,<lb/>
und ein Staatsmann zu werden; die Mutter pruͤ-<lb/>
gelte ihn zum Chriſten, und der traurige Jnfor-<lb/>
mator bloͤkte ihn bey jedem Donatſchnitzer men-<lb/>ſchenfeindlich an. Was waren die Folgen dieſer<lb/>
Zucht? Er war ſehr jung an die Buͤcher und zum<lb/>
Gebete gewoͤhnt: Haͤtte man nicht glauben ſollen<lb/>
daß er ſich bis in ſein Alter damit beſchaͤfftigen<lb/>
wuͤrde? Nichts weniger. Der unvermuthete Tod<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſeines</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[142/0164]
Antons Panßa von Mancha
hung der Jugend fuͤr uͤberfluͤßig haͤlt; daß man
glaubt, die Natur bilde die Gemuͤther ſchon ſelbſt,
ohne dieſe Erziehung; daß man ſich die geringſte
Sorge nicht macht, es werden die uͤbeln Ange-
wohnheiten der Jugend einen Einfluß in die
maͤnnlichen Jahre haben; mit einem Worte, man
werde das im Alter thun, was man in der Ju-
gend zu thun gewohnt iſt.
Wer noch einen Augenblick daran zweifelt, der
gebe ſich die Muͤhe, und pruͤfe die Kinderzucht ſei-
ner Bekannten. Zwey Drittheile von ihnen be-
kraͤftigen meinen Satz, und das uͤbrige dritte Theil
gehoͤrt zur Ausnahme, die keine Regel macht.
Am allermeiſten beſtaͤtigt die Erfahrung, daß
das Spruͤchwort: jung gewohnt, alt gethan,
gar keine allgemeine Wahrheit ſey.
Der Graf N. N. war bis in ſein zwanzigſtes
Jahr unter der ſtrengen Zucht eines harten und
eigenſinnigen Vaters, einer aberglaͤubiſchen Mut-
ter, und eines pedantiſchen Jnformators. Der
Vater wollte ihn mit Ohrfeigen zwingen, politiſch,
und ein Staatsmann zu werden; die Mutter pruͤ-
gelte ihn zum Chriſten, und der traurige Jnfor-
mator bloͤkte ihn bey jedem Donatſchnitzer men-
ſchenfeindlich an. Was waren die Folgen dieſer
Zucht? Er war ſehr jung an die Buͤcher und zum
Gebete gewoͤhnt: Haͤtte man nicht glauben ſollen
daß er ſich bis in ſein Alter damit beſchaͤfftigen
wuͤrde? Nichts weniger. Der unvermuthete Tod
ſeines
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/164>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.