fliehn, und ihm in ihren jammernden Herzen flu- chen. Er war in seiner Jugend im Schoose der Musen erzogen: Nun schämt er sich ihrer, sieht verächtlich auf sie herab, und erröthet, wenn man ihn erinnert, daß er gelehrt gewesen sey. Durch eine vernünftige Erziehung brachte man ihm die Hoch- achtung für die Religion bey, die ein jeder haben muß, wenn er ein guter Bürger, und ein recht- schaffener Mann seyn will. Er verlangt beides weiter nicht zu seyn. Für die Religion ist er itzt zu groß; er giebt sich Mühe, sie zu verachten, weil sie ihm nicht zuläßt, daß er seine Bosheiten ruhig genieße. Mit einem Worte: Sejan war in sei- ner Jugend demüthig, dankbar, dienstfertig, auf eine anständige Art sparsam, mitleidig; sein Herz war freundschaftlich, seine Seele edel; er war zu allen Tugenden angewöhnt, und eben daher lie- benswürdig. Jtzt, da er vornehm und älter ge- worden, nun ist er dieses alles nicht mehr; man haßt ihn.
Das ist ihr Bild, gnädiger Herr! Kennen sie sich? Jch will sie nicht länger aufhalten. Tragt ihn fort!
Der Unglückselige! Wie sehr wäre ihm zu wünschen, daß er noch in seinem Alter das thun möchte, woran er in seiner Jugend gewöhnt worden ist!
Kennen sie den Greis, welcher dort auf dem Markte unter den Buden herum schleicht, und sich
in
Antons Panßa von Mancha
fliehn, und ihm in ihren jammernden Herzen flu- chen. Er war in ſeiner Jugend im Schooſe der Muſen erzogen: Nun ſchaͤmt er ſich ihrer, ſieht veraͤchtlich auf ſie herab, und erroͤthet, wenn man ihn erinnert, daß er gelehrt geweſen ſey. Durch eine vernuͤnftige Erziehung brachte man ihm die Hoch- achtung fuͤr die Religion bey, die ein jeder haben muß, wenn er ein guter Buͤrger, und ein recht- ſchaffener Mann ſeyn will. Er verlangt beides weiter nicht zu ſeyn. Fuͤr die Religion iſt er itzt zu groß; er giebt ſich Muͤhe, ſie zu verachten, weil ſie ihm nicht zulaͤßt, daß er ſeine Bosheiten ruhig genieße. Mit einem Worte: Sejan war in ſei- ner Jugend demuͤthig, dankbar, dienſtfertig, auf eine anſtaͤndige Art ſparſam, mitleidig; ſein Herz war freundſchaftlich, ſeine Seele edel; er war zu allen Tugenden angewoͤhnt, und eben daher lie- benswuͤrdig. Jtzt, da er vornehm und aͤlter ge- worden, nun iſt er dieſes alles nicht mehr; man haßt ihn.
Das iſt ihr Bild, gnaͤdiger Herr! Kennen ſie ſich? Jch will ſie nicht laͤnger aufhalten. Tragt ihn fort!
Der Ungluͤckſelige! Wie ſehr waͤre ihm zu wuͤnſchen, daß er noch in ſeinem Alter das thun moͤchte, woran er in ſeiner Jugend gewoͤhnt worden iſt!
Kennen ſie den Greis, welcher dort auf dem Markte unter den Buden herum ſchleicht, und ſich
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Antons Panßa von Mancha
fliehn, und ihm in ihren jammernden Herzen flu-
chen. Er war in ſeiner Jugend im Schooſe der
Muſen erzogen: Nun ſchaͤmt er ſich ihrer, ſieht
veraͤchtlich auf ſie herab, und erroͤthet, wenn man
ihn erinnert, daß er gelehrt geweſen ſey. Durch eine
vernuͤnftige Erziehung brachte man ihm die Hoch-
achtung fuͤr die Religion bey, die ein jeder haben
muß, wenn er ein guter Buͤrger, und ein recht-
ſchaffener Mann ſeyn will. Er verlangt beides
weiter nicht zu ſeyn. Fuͤr die Religion iſt er itzt zu
groß; er giebt ſich Muͤhe, ſie zu verachten, weil
ſie ihm nicht zulaͤßt, daß er ſeine Bosheiten ruhig
genieße. Mit einem Worte: Sejan war in ſei-
ner Jugend demuͤthig, dankbar, dienſtfertig, auf
eine anſtaͤndige Art ſparſam, mitleidig; ſein Herz
war freundſchaftlich, ſeine Seele edel; er war zu
allen Tugenden angewoͤhnt, und eben daher lie-
benswuͤrdig. Jtzt, da er vornehm und aͤlter ge-
worden, nun iſt er dieſes alles nicht mehr; man
haßt ihn.
Das iſt ihr Bild, gnaͤdiger Herr! Kennen ſie
ſich? Jch will ſie nicht laͤnger aufhalten. Tragt
ihn fort!
Der Ungluͤckſelige! Wie ſehr waͤre ihm zu
wuͤnſchen, daß er noch in ſeinem Alter das thun
moͤchte, woran er in ſeiner Jugend gewoͤhnt
worden iſt!
Kennen ſie den Greis, welcher dort auf dem
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/168>, abgerufen am 23.11.2024.
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