Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Antons Panßa von Mancha
zu leben. Diese will ich noch anwenden, mich zu
meinem Ende zu bereiten. Denn sehen sie nur,
Herr Schwager, ich habe alles bey mir sehr ver-
nünftig überlegt. Da mich Gott von meinem
Manne, und meinen lieben Kindern im sechs und
dreyßigsten Jahre, ja wohl in der Blüthe meines
Alters! dahin reißt, so wird man es mir bey mei-
ner Jugend nicht für eine Eitelkeit auslegen kön-
nen, wenn ich rothen Atlaß zum Küssen nehme.
Auf eben die Art soll auch der Sarg ausgeschla-
gen werden. Jch fühle, daß ich matt werde, ich
kann kaum mehr reden. Wie flüchtig ist doch
unser Leben! - - Hier ruhte sie einige Minu-
ten, und ich gab einen Wink, daß man den Geist-
lichen wiederholen möchte. - - - Also, mit
rothem Atlaß ausgeschlagen; das waren meine
Gedanken, Herr Schwager. Dort in jener
Commode, im mittelsten Fache rechter Hand, bey
meinem neuen Fächer - - - den haben sie
wohl noch nicht gesehen, Herr Schwager? Sie
sollen ihn gleich sehen - - - dort liegt ein
Stück silberner Spitzchen. Mit diesen wollen wir
die Küssen, und den Atlaß im Sarge besetzen, alles
Bogenweise; sehn sie auf mich, Herr Schwager,
so wie ichs ihnen hier weise; (und sie wies mir
es mit dem Finger auf dem Bette) aber so, ja nicht
anders, und die Bogen bey Leibe nicht zu klein,
es ist sonst gar kein Geschmack darinnen. Die
Haare soll mir meine Schwester frisiren lassen, so,
wie ich sie vor vier Wochen trug, als ich Gevatter
stund; nur nicht zu weit ins Gesichte; man sieht

wie

Antons Panßa von Mancha
zu leben. Dieſe will ich noch anwenden, mich zu
meinem Ende zu bereiten. Denn ſehen ſie nur,
Herr Schwager, ich habe alles bey mir ſehr ver-
nuͤnftig uͤberlegt. Da mich Gott von meinem
Manne, und meinen lieben Kindern im ſechs und
dreyßigſten Jahre, ja wohl in der Bluͤthe meines
Alters! dahin reißt, ſo wird man es mir bey mei-
ner Jugend nicht fuͤr eine Eitelkeit auslegen koͤn-
nen, wenn ich rothen Atlaß zum Kuͤſſen nehme.
Auf eben die Art ſoll auch der Sarg ausgeſchla-
gen werden. Jch fuͤhle, daß ich matt werde, ich
kann kaum mehr reden. Wie fluͤchtig iſt doch
unſer Leben! ‒ ‒ Hier ruhte ſie einige Minu-
ten, und ich gab einen Wink, daß man den Geiſt-
lichen wiederholen moͤchte. ‒ ‒ ‒ Alſo, mit
rothem Atlaß ausgeſchlagen; das waren meine
Gedanken, Herr Schwager. Dort in jener
Commode, im mittelſten Fache rechter Hand, bey
meinem neuen Faͤcher ‒ ‒ ‒ den haben ſie
wohl noch nicht geſehen, Herr Schwager? Sie
ſollen ihn gleich ſehen ‒ ‒ ‒ dort liegt ein
Stuͤck ſilberner Spitzchen. Mit dieſen wollen wir
die Kuͤſſen, und den Atlaß im Sarge beſetzen, alles
Bogenweiſe; ſehn ſie auf mich, Herr Schwager,
ſo wie ichs ihnen hier weiſe; (und ſie wies mir
es mit dem Finger auf dem Bette) aber ſo, ja nicht
anders, und die Bogen bey Leibe nicht zu klein,
es iſt ſonſt gar kein Geſchmack darinnen. Die
Haare ſoll mir meine Schweſter friſiren laſſen, ſo,
wie ich ſie vor vier Wochen trug, als ich Gevatter
ſtund; nur nicht zu weit ins Geſichte; man ſieht

wie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0180" n="158"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
zu leben. Die&#x017F;e will ich noch anwenden, mich zu<lb/>
meinem Ende zu bereiten. Denn &#x017F;ehen &#x017F;ie nur,<lb/>
Herr Schwager, ich habe alles bey mir &#x017F;ehr ver-<lb/>
nu&#x0364;nftig u&#x0364;berlegt. Da mich Gott von meinem<lb/>
Manne, und meinen lieben Kindern im &#x017F;echs und<lb/>
dreyßig&#x017F;ten Jahre, ja wohl in der Blu&#x0364;the meines<lb/>
Alters! dahin reißt, &#x017F;o wird man es mir bey mei-<lb/>
ner Jugend nicht fu&#x0364;r eine Eitelkeit auslegen ko&#x0364;n-<lb/>
nen, wenn ich rothen Atlaß zum Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nehme.<lb/>
Auf eben die Art &#x017F;oll auch der Sarg ausge&#x017F;chla-<lb/>
gen werden. Jch fu&#x0364;hle, daß ich matt werde, ich<lb/>
kann kaum mehr reden. Wie flu&#x0364;chtig i&#x017F;t doch<lb/>
un&#x017F;er Leben! &#x2012; &#x2012; Hier ruhte &#x017F;ie einige Minu-<lb/>
ten, und ich gab einen Wink, daß man den Gei&#x017F;t-<lb/>
lichen wiederholen mo&#x0364;chte. &#x2012; &#x2012; &#x2012; Al&#x017F;o, mit<lb/>
rothem Atlaß ausge&#x017F;chlagen; das waren meine<lb/>
Gedanken, Herr Schwager. Dort in jener<lb/>
Commode, im mittel&#x017F;ten Fache rechter Hand, bey<lb/>
meinem neuen Fa&#x0364;cher &#x2012; &#x2012; &#x2012; den haben &#x017F;ie<lb/>
wohl noch nicht ge&#x017F;ehen, Herr Schwager? Sie<lb/>
&#x017F;ollen ihn gleich &#x017F;ehen &#x2012; &#x2012; &#x2012; dort liegt ein<lb/>
Stu&#x0364;ck &#x017F;ilberner Spitzchen. Mit die&#x017F;en wollen wir<lb/>
die Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und den Atlaß im Sarge be&#x017F;etzen, alles<lb/>
Bogenwei&#x017F;e; &#x017F;ehn &#x017F;ie auf mich, Herr Schwager,<lb/>
&#x017F;o wie ichs ihnen hier wei&#x017F;e; (und &#x017F;ie wies mir<lb/>
es mit dem Finger auf dem Bette) aber &#x017F;o, ja nicht<lb/>
anders, und die Bogen bey Leibe nicht zu klein,<lb/>
es i&#x017F;t &#x017F;on&#x017F;t gar kein Ge&#x017F;chmack darinnen. Die<lb/>
Haare &#x017F;oll mir meine Schwe&#x017F;ter fri&#x017F;iren la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o,<lb/>
wie ich &#x017F;ie vor vier Wochen trug, als ich Gevatter<lb/>
&#x017F;tund; nur nicht zu weit ins Ge&#x017F;ichte; man &#x017F;ieht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0180] Antons Panßa von Mancha zu leben. Dieſe will ich noch anwenden, mich zu meinem Ende zu bereiten. Denn ſehen ſie nur, Herr Schwager, ich habe alles bey mir ſehr ver- nuͤnftig uͤberlegt. Da mich Gott von meinem Manne, und meinen lieben Kindern im ſechs und dreyßigſten Jahre, ja wohl in der Bluͤthe meines Alters! dahin reißt, ſo wird man es mir bey mei- ner Jugend nicht fuͤr eine Eitelkeit auslegen koͤn- nen, wenn ich rothen Atlaß zum Kuͤſſen nehme. Auf eben die Art ſoll auch der Sarg ausgeſchla- gen werden. Jch fuͤhle, daß ich matt werde, ich kann kaum mehr reden. Wie fluͤchtig iſt doch unſer Leben! ‒ ‒ Hier ruhte ſie einige Minu- ten, und ich gab einen Wink, daß man den Geiſt- lichen wiederholen moͤchte. ‒ ‒ ‒ Alſo, mit rothem Atlaß ausgeſchlagen; das waren meine Gedanken, Herr Schwager. Dort in jener Commode, im mittelſten Fache rechter Hand, bey meinem neuen Faͤcher ‒ ‒ ‒ den haben ſie wohl noch nicht geſehen, Herr Schwager? Sie ſollen ihn gleich ſehen ‒ ‒ ‒ dort liegt ein Stuͤck ſilberner Spitzchen. Mit dieſen wollen wir die Kuͤſſen, und den Atlaß im Sarge beſetzen, alles Bogenweiſe; ſehn ſie auf mich, Herr Schwager, ſo wie ichs ihnen hier weiſe; (und ſie wies mir es mit dem Finger auf dem Bette) aber ſo, ja nicht anders, und die Bogen bey Leibe nicht zu klein, es iſt ſonſt gar kein Geſchmack darinnen. Die Haare ſoll mir meine Schweſter friſiren laſſen, ſo, wie ich ſie vor vier Wochen trug, als ich Gevatter ſtund; nur nicht zu weit ins Geſichte; man ſieht wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/180
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/180>, abgerufen am 23.11.2024.