Feindseligkeit und Fehde veranlaßt, sich hier als Dienstbe- flissenheit gebehrdet: wie man der fremden Leidenschaft schmeichelt, deren man sich gewissermaßen selbstbewußt ist, um zum Ziele der eigenen zu gelangen: die Enthaltsamkeit ist voll von Begier, die Leidenschaft schreitet behutsam einher.
Wir sahen die Würde, den Ernst, die Religion, welche an dem Hofe herrschten: wir sehen nunmehr auch seine weltliche Seite, Ehrgeiz, Habsucht, Verstellung und Arglist.
Wollte man dem römischen Hof eine Lobrede halten, so würde man von diesen Elementen, die ihn bilden, nur das erste, wollte man ihm den Krieg machen, so würde man nur das zweite anerkennen. So wie man sich zu einer reinen und unbefangenen Beobachtung erhebt, so wird man beide gleich wahr, ja bei der Natur der Menschen, der Lage der Dinge gleich nothwendig finden.
Die welthistorische Entwickelung, die wir betrachteten, hat die Forderung von Würde, Unbescholtenheit und Reli- gion lebendiger als jemals geltend gemacht: sie fällt mit dem Princip des Hofes zusammen: dessen Stellung zur Welt beruht darauf. Es folgt mit Nothwendigkeit, daß vor allem Diejenigen emporkommen, deren Wesen die- ser Forderung am meisten entspricht: die öffentliche Gesin- nung würde sich nicht allein verläugnen, sondern zerstören, wenn sie dieß nicht bewirkte. Aber daß es nun geschieht, daß mit den geistlichen Eigenschaften so unmittelbar die Güter des Glückes verbunden sind, ist ein ungeheurer Reiz des Geistes dieser Welt.
BuchIV.Staat und Hof.
Feindſeligkeit und Fehde veranlaßt, ſich hier als Dienſtbe- fliſſenheit gebehrdet: wie man der fremden Leidenſchaft ſchmeichelt, deren man ſich gewiſſermaßen ſelbſtbewußt iſt, um zum Ziele der eigenen zu gelangen: die Enthaltſamkeit iſt voll von Begier, die Leidenſchaft ſchreitet behutſam einher.
Wir ſahen die Wuͤrde, den Ernſt, die Religion, welche an dem Hofe herrſchten: wir ſehen nunmehr auch ſeine weltliche Seite, Ehrgeiz, Habſucht, Verſtellung und Argliſt.
Wollte man dem roͤmiſchen Hof eine Lobrede halten, ſo wuͤrde man von dieſen Elementen, die ihn bilden, nur das erſte, wollte man ihm den Krieg machen, ſo wuͤrde man nur das zweite anerkennen. So wie man ſich zu einer reinen und unbefangenen Beobachtung erhebt, ſo wird man beide gleich wahr, ja bei der Natur der Menſchen, der Lage der Dinge gleich nothwendig finden.
Die welthiſtoriſche Entwickelung, die wir betrachteten, hat die Forderung von Wuͤrde, Unbeſcholtenheit und Reli- gion lebendiger als jemals geltend gemacht: ſie faͤllt mit dem Princip des Hofes zuſammen: deſſen Stellung zur Welt beruht darauf. Es folgt mit Nothwendigkeit, daß vor allem Diejenigen emporkommen, deren Weſen die- ſer Forderung am meiſten entſpricht: die oͤffentliche Geſin- nung wuͤrde ſich nicht allein verlaͤugnen, ſondern zerſtoͤren, wenn ſie dieß nicht bewirkte. Aber daß es nun geſchieht, daß mit den geiſtlichen Eigenſchaften ſo unmittelbar die Guͤter des Gluͤckes verbunden ſind, iſt ein ungeheurer Reiz des Geiſtes dieſer Welt.
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Buch IV. Staat und Hof.
Feindſeligkeit und Fehde veranlaßt, ſich hier als Dienſtbe-
fliſſenheit gebehrdet: wie man der fremden Leidenſchaft
ſchmeichelt, deren man ſich gewiſſermaßen ſelbſtbewußt iſt,
um zum Ziele der eigenen zu gelangen: die Enthaltſamkeit
iſt voll von Begier, die Leidenſchaft ſchreitet behutſam
einher.
Wir ſahen die Wuͤrde, den Ernſt, die Religion, welche
an dem Hofe herrſchten: wir ſehen nunmehr auch ſeine
weltliche Seite, Ehrgeiz, Habſucht, Verſtellung und
Argliſt.
Wollte man dem roͤmiſchen Hof eine Lobrede halten,
ſo wuͤrde man von dieſen Elementen, die ihn bilden, nur
das erſte, wollte man ihm den Krieg machen, ſo wuͤrde
man nur das zweite anerkennen. So wie man ſich zu
einer reinen und unbefangenen Beobachtung erhebt, ſo wird
man beide gleich wahr, ja bei der Natur der Menſchen,
der Lage der Dinge gleich nothwendig finden.
Die welthiſtoriſche Entwickelung, die wir betrachteten,
hat die Forderung von Wuͤrde, Unbeſcholtenheit und Reli-
gion lebendiger als jemals geltend gemacht: ſie faͤllt mit
dem Princip des Hofes zuſammen: deſſen Stellung zur
Welt beruht darauf. Es folgt mit Nothwendigkeit, daß
vor allem Diejenigen emporkommen, deren Weſen die-
ſer Forderung am meiſten entſpricht: die oͤffentliche Geſin-
nung wuͤrde ſich nicht allein verlaͤugnen, ſondern zerſtoͤren,
wenn ſie dieß nicht bewirkte. Aber daß es nun geſchieht,
daß mit den geiſtlichen Eigenſchaften ſo unmittelbar die
Guͤter des Gluͤckes verbunden ſind, iſt ein ungeheurer Reiz
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/540>, abgerufen am 23.11.2024.
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