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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.
römischer König zu stehen kommen, das Schwert in der
Hand. 1 Erst 1513 ward in Freiburg, 1517 in Bern
der Chor des Münsters vollendet; die Halle an der nörd-
lichen Kreuzvorlage zu St. Lorenz in Nürnberg ist von
1520. Die Brüderschaften der Steinmetze, die Geheim-
nisse der deutschen Bauhütte breiteten sich in immer wei-
tern Kreisen aus. An den Werken entwickelte sich erst in
den spätern Zeiten der Überfluß an Laubverzierungen, der
vegetabilische Charakter, der sie so merkwürdig auszeichnet.
Das Innere der Kirchen füllte sich meist damals mit den
zahllosen Bildwerken an, welche künstlich in Holz geschnitzt,
oder in kostbarem Metall, oder gemahlt in goldnen Rah-
men die Altäre bedeckten, die Hallen schmückten, an den
Portalen prangten. Die Künste sind nicht dazu bestimmt,
Ideen hervorzubringen; sie haben ihnen eine Gestalt zu
verleihen; alle bildnerischen Kräfte der Nation widmeten
sich noch den hergebrachten kirchlichen Vorstellungen. Die
wunderbaren, heiter-nativen, zierlichen Mutter-Gottes-Bil-
der, durch die sich in jener Zeit Baldung, Schaffner und
besonders Martin Schön einen Namen gemacht, sind nicht
blos Gebilde künstlerischer Phantasie, sie hängen mit dem
Dienst der Maria zusammen, der damals mehr als je über-
hand nahm. Ich möchte sagen, man kann sie nicht ver-
stehen, ohne den Rosenkranz, der die verschiednen Freuden
der Maria in Erinnerung zu bringen bestimmt ist, bei dem
englischen Gruß, bei ihrer Reise über das Gebirg, bei

1 Nachricht des handschriftlichen Fugger. -- Wir erinnern
uns, daß St. Ulrich der erste von einem Papst (Johannes XV 973)
für die ganze Kirche canonisirte Heilige war.

Zweites Buch. Erſtes Capitel.
römiſcher König zu ſtehen kommen, das Schwert in der
Hand. 1 Erſt 1513 ward in Freiburg, 1517 in Bern
der Chor des Münſters vollendet; die Halle an der nörd-
lichen Kreuzvorlage zu St. Lorenz in Nürnberg iſt von
1520. Die Brüderſchaften der Steinmetze, die Geheim-
niſſe der deutſchen Bauhütte breiteten ſich in immer wei-
tern Kreiſen aus. An den Werken entwickelte ſich erſt in
den ſpätern Zeiten der Überfluß an Laubverzierungen, der
vegetabiliſche Charakter, der ſie ſo merkwürdig auszeichnet.
Das Innere der Kirchen füllte ſich meiſt damals mit den
zahlloſen Bildwerken an, welche künſtlich in Holz geſchnitzt,
oder in koſtbarem Metall, oder gemahlt in goldnen Rah-
men die Altäre bedeckten, die Hallen ſchmückten, an den
Portalen prangten. Die Künſte ſind nicht dazu beſtimmt,
Ideen hervorzubringen; ſie haben ihnen eine Geſtalt zu
verleihen; alle bildneriſchen Kräfte der Nation widmeten
ſich noch den hergebrachten kirchlichen Vorſtellungen. Die
wunderbaren, heiter-nativen, zierlichen Mutter-Gottes-Bil-
der, durch die ſich in jener Zeit Baldung, Schaffner und
beſonders Martin Schön einen Namen gemacht, ſind nicht
blos Gebilde künſtleriſcher Phantaſie, ſie hängen mit dem
Dienſt der Maria zuſammen, der damals mehr als je über-
hand nahm. Ich möchte ſagen, man kann ſie nicht ver-
ſtehen, ohne den Roſenkranz, der die verſchiednen Freuden
der Maria in Erinnerung zu bringen beſtimmt iſt, bei dem
engliſchen Gruß, bei ihrer Reiſe über das Gebirg, bei

1 Nachricht des handſchriftlichen Fugger. — Wir erinnern
uns, daß St. Ulrich der erſte von einem Papſt (Johannes XV 973)
fuͤr die ganze Kirche canoniſirte Heilige war.
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[242/0260] Zweites Buch. Erſtes Capitel. römiſcher König zu ſtehen kommen, das Schwert in der Hand. 1 Erſt 1513 ward in Freiburg, 1517 in Bern der Chor des Münſters vollendet; die Halle an der nörd- lichen Kreuzvorlage zu St. Lorenz in Nürnberg iſt von 1520. Die Brüderſchaften der Steinmetze, die Geheim- niſſe der deutſchen Bauhütte breiteten ſich in immer wei- tern Kreiſen aus. An den Werken entwickelte ſich erſt in den ſpätern Zeiten der Überfluß an Laubverzierungen, der vegetabiliſche Charakter, der ſie ſo merkwürdig auszeichnet. Das Innere der Kirchen füllte ſich meiſt damals mit den zahlloſen Bildwerken an, welche künſtlich in Holz geſchnitzt, oder in koſtbarem Metall, oder gemahlt in goldnen Rah- men die Altäre bedeckten, die Hallen ſchmückten, an den Portalen prangten. Die Künſte ſind nicht dazu beſtimmt, Ideen hervorzubringen; ſie haben ihnen eine Geſtalt zu verleihen; alle bildneriſchen Kräfte der Nation widmeten ſich noch den hergebrachten kirchlichen Vorſtellungen. Die wunderbaren, heiter-nativen, zierlichen Mutter-Gottes-Bil- der, durch die ſich in jener Zeit Baldung, Schaffner und beſonders Martin Schön einen Namen gemacht, ſind nicht blos Gebilde künſtleriſcher Phantaſie, ſie hängen mit dem Dienſt der Maria zuſammen, der damals mehr als je über- hand nahm. Ich möchte ſagen, man kann ſie nicht ver- ſtehen, ohne den Roſenkranz, der die verſchiednen Freuden der Maria in Erinnerung zu bringen beſtimmt iſt, bei dem engliſchen Gruß, bei ihrer Reiſe über das Gebirg, bei 1 Nachricht des handſchriftlichen Fugger. — Wir erinnern uns, daß St. Ulrich der erſte von einem Papſt (Johannes XV 973) fuͤr die ganze Kirche canoniſirte Heilige war.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/260>, abgerufen am 23.11.2024.