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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Religiöse Stellung des Papstthums.
ihrer Niederkunft ohne alles Wehe, bei dem Wiederfinden
Jesu im Tempel, bei ihrer Himmelfahrt, wie die Gebet-
bücher jener Zeit das weiter ausführen.

Sonderbare Denkmale einer naiven und wundergläu-
bigen Hingebung sind überhaupt diese Gebetbücher. Da
giebt es Gebete an welche ein Ablaß von 146 Tagen, von
7, ja von 80000 Jahren geknüpft ist; einen besonders
kräftigen Morgensegen hat ein Papst einem König von
Cypern zugeschickt; wer das Gebet des ehrwürdigen Beda
wiederholt, zu dessen Hülfe wird die Jungfrau Maria 30
Tag vor seinem Tode bereit seyn, und ihn nicht unbuß-
fertig von hinnen scheiden lassen. In den ausschweifend-
sten Ausdrücken wird die Jungfrau gepriesen: "als die
ewige Tochter des ewigen Vaters, das Herz der untheil-
baren Dreifaltigkeit," es heißt wohl: "Glorie sey der Jung-
frau dem Vater und dem Sohne." 1 So werden auch
die Heiligen angerufen als verdienstliche göttliche Diener
die mit ihrem Verdienen das Heil erworben: die dann
ihren Gläubigen besondern Schutz angedeihen lassen, wie
St. Sebaldus "der hochwürdige und heilige Hauptherr
Nothhelfer und Beschirmer der kaiserlichen Stadt Nürnberg."

Eifrig sammelte man Reliquien: Churfürst Friedrich
von Sachsen brachte deren in seiner Stiftskirche zu Wit-
tenberg 5005 Partikeln zusammen, alle verwahrt in gan-
zen stehenden Figuren oder in zierlichen Behältnissen, die
alle Jahr am Montag nach Misericordia in acht Gängen

1 Auszüge aus den Gebetbüchern: Hortulus anime, salus ani-
mae,
Gilgengart u. a. bei Riederer: Nachrichten zur Büchergeschichte
II, 157. 411.
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Religioͤſe Stellung des Papſtthums.
ihrer Niederkunft ohne alles Wehe, bei dem Wiederfinden
Jeſu im Tempel, bei ihrer Himmelfahrt, wie die Gebet-
bücher jener Zeit das weiter ausführen.

Sonderbare Denkmale einer naiven und wundergläu-
bigen Hingebung ſind überhaupt dieſe Gebetbücher. Da
giebt es Gebete an welche ein Ablaß von 146 Tagen, von
7, ja von 80000 Jahren geknüpft iſt; einen beſonders
kräftigen Morgenſegen hat ein Papſt einem König von
Cypern zugeſchickt; wer das Gebet des ehrwürdigen Beda
wiederholt, zu deſſen Hülfe wird die Jungfrau Maria 30
Tag vor ſeinem Tode bereit ſeyn, und ihn nicht unbuß-
fertig von hinnen ſcheiden laſſen. In den ausſchweifend-
ſten Ausdrücken wird die Jungfrau geprieſen: „als die
ewige Tochter des ewigen Vaters, das Herz der untheil-
baren Dreifaltigkeit,“ es heißt wohl: „Glorie ſey der Jung-
frau dem Vater und dem Sohne.“ 1 So werden auch
die Heiligen angerufen als verdienſtliche göttliche Diener
die mit ihrem Verdienen das Heil erworben: die dann
ihren Gläubigen beſondern Schutz angedeihen laſſen, wie
St. Sebaldus „der hochwürdige und heilige Hauptherr
Nothhelfer und Beſchirmer der kaiſerlichen Stadt Nürnberg.“

Eifrig ſammelte man Reliquien: Churfürſt Friedrich
von Sachſen brachte deren in ſeiner Stiftskirche zu Wit-
tenberg 5005 Partikeln zuſammen, alle verwahrt in gan-
zen ſtehenden Figuren oder in zierlichen Behältniſſen, die
alle Jahr am Montag nach Miſericordia in acht Gängen

1 Auszuͤge aus den Gebetbüchern: Hortulus anime, salus ani-
mae,
Gilgengart u. a. bei Riederer: Nachrichten zur Buͤchergeſchichte
II, 157. 411.
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[243/0261] Religioͤſe Stellung des Papſtthums. ihrer Niederkunft ohne alles Wehe, bei dem Wiederfinden Jeſu im Tempel, bei ihrer Himmelfahrt, wie die Gebet- bücher jener Zeit das weiter ausführen. Sonderbare Denkmale einer naiven und wundergläu- bigen Hingebung ſind überhaupt dieſe Gebetbücher. Da giebt es Gebete an welche ein Ablaß von 146 Tagen, von 7, ja von 80000 Jahren geknüpft iſt; einen beſonders kräftigen Morgenſegen hat ein Papſt einem König von Cypern zugeſchickt; wer das Gebet des ehrwürdigen Beda wiederholt, zu deſſen Hülfe wird die Jungfrau Maria 30 Tag vor ſeinem Tode bereit ſeyn, und ihn nicht unbuß- fertig von hinnen ſcheiden laſſen. In den ausſchweifend- ſten Ausdrücken wird die Jungfrau geprieſen: „als die ewige Tochter des ewigen Vaters, das Herz der untheil- baren Dreifaltigkeit,“ es heißt wohl: „Glorie ſey der Jung- frau dem Vater und dem Sohne.“ 1 So werden auch die Heiligen angerufen als verdienſtliche göttliche Diener die mit ihrem Verdienen das Heil erworben: die dann ihren Gläubigen beſondern Schutz angedeihen laſſen, wie St. Sebaldus „der hochwürdige und heilige Hauptherr Nothhelfer und Beſchirmer der kaiſerlichen Stadt Nürnberg.“ Eifrig ſammelte man Reliquien: Churfürſt Friedrich von Sachſen brachte deren in ſeiner Stiftskirche zu Wit- tenberg 5005 Partikeln zuſammen, alle verwahrt in gan- zen ſtehenden Figuren oder in zierlichen Behältniſſen, die alle Jahr am Montag nach Miſericordia in acht Gängen 1 Auszuͤge aus den Gebetbüchern: Hortulus anime, salus ani- mae, Gilgengart u. a. bei Riederer: Nachrichten zur Buͤchergeſchichte II, 157. 411. 16*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/261>, abgerufen am 23.11.2024.