sondern ein Zwang der sie selbst drücket mich hie- zu zwinget.
Welcher Ritter muß in der Romaine mehr aus- stehen? Das nehme ich aus, wenn ihm der herrschsüchtige Muthwille befiehlt mit Riesen oder mit Drachen zu kämpfen! Güter, und Geschlecht, und Stand, und Ehre die künftig auf mich erbet, habe ich auf meiner Seite: und soll so einen Mit- Buhler haben? Muß ich nicht ein verdorbener Liebes-Krüppel seyn, daß ich solche Schwierigkei- ten finde, und solche Verachtung erdulden muß? Bey meiner Seele, ich schäme mich vor mir selbst: ich der ich meineydig bin, und ein älteres Gelübde breche, wenn ich einem Frauenzimmer meine Ge- lübde halte!
Allein wie kan ich sagen, daß ich mich schäme? Jst es nicht eine Ehre, dieses Wunder zu lieben, gegen das ein jeder der es siehet, entweder Liebe, oder Ehrfurcht, oder beydes zugleich empfinden muß? Dryden sagt:
Man kan den ächten Grund der Liebe niemals zeigen. Das Liebenswürdige ist nicht der Zügen eigen Die man bewundert. Nein! nur der ver- liebten Hertz Schafft ihren Grund aus nichts.
Cowley hält die Schönheit für ein Hirn-Ge- spenst, und untersteht sich sie also anzureden:
O
Die Geſchichte
ſondern ein Zwang der ſie ſelbſt druͤcket mich hie- zu zwinget.
Welcher Ritter muß in der Romaine mehr aus- ſtehen? Das nehme ich aus, wenn ihm der herrſchſuͤchtige Muthwille befiehlt mit Rieſen oder mit Drachen zu kaͤmpfen! Guͤter, und Geſchlecht, und Stand, und Ehre die kuͤnftig auf mich erbet, habe ich auf meiner Seite: und ſoll ſo einen Mit- Buhler haben? Muß ich nicht ein verdorbener Liebes-Kruͤppel ſeyn, daß ich ſolche Schwierigkei- ten finde, und ſolche Verachtung erdulden muß? Bey meiner Seele, ich ſchaͤme mich vor mir ſelbſt: ich der ich meineydig bin, und ein aͤlteres Geluͤbde breche, wenn ich einem Frauenzimmer meine Ge- luͤbde halte!
Allein wie kan ich ſagen, daß ich mich ſchaͤme? Jſt es nicht eine Ehre, dieſes Wunder zu lieben, gegen das ein jeder der es ſiehet, entweder Liebe, oder Ehrfurcht, oder beydes zugleich empfinden muß? Dryden ſagt:
Man kan den aͤchten Grund der Liebe niemals zeigen. Das Liebenswuͤrdige iſt nicht der Zuͤgen eigen Die man bewundert. Nein! nur der ver- liebten Hertz Schafft ihren Grund aus nichts.
Cowley haͤlt die Schoͤnheit fuͤr ein Hirn-Ge- ſpenſt, und unterſteht ſich ſie alſo anzureden:
O
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Die Geſchichte
ſondern ein Zwang der ſie ſelbſt druͤcket mich hie-
zu zwinget.
Welcher Ritter muß in der Romaine mehr aus-
ſtehen? Das nehme ich aus, wenn ihm der
herrſchſuͤchtige Muthwille befiehlt mit Rieſen oder
mit Drachen zu kaͤmpfen! Guͤter, und Geſchlecht,
und Stand, und Ehre die kuͤnftig auf mich erbet,
habe ich auf meiner Seite: und ſoll ſo einen Mit-
Buhler haben? Muß ich nicht ein verdorbener
Liebes-Kruͤppel ſeyn, daß ich ſolche Schwierigkei-
ten finde, und ſolche Verachtung erdulden muß?
Bey meiner Seele, ich ſchaͤme mich vor mir ſelbſt:
ich der ich meineydig bin, und ein aͤlteres Geluͤbde
breche, wenn ich einem Frauenzimmer meine Ge-
luͤbde halte!
Allein wie kan ich ſagen, daß ich mich ſchaͤme?
Jſt es nicht eine Ehre, dieſes Wunder zu lieben,
gegen das ein jeder der es ſiehet, entweder Liebe,
oder Ehrfurcht, oder beydes zugleich empfinden
muß? Dryden ſagt:
Man kan den aͤchten Grund der Liebe
niemals zeigen.
Das Liebenswuͤrdige iſt nicht der Zuͤgen
eigen
Die man bewundert. Nein! nur der ver-
liebten Hertz
Schafft ihren Grund aus nichts.
Cowley haͤlt die Schoͤnheit fuͤr ein Hirn-Ge-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/356>, abgerufen am 23.11.2024.
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