Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.2. Frühsaracenische Rankenornamentik. scher Betrachtungsweise, wie sie z. B. de Vogüe gepflogen hat, nie-mals verlassen worden wäre. Die ornamentalen Blumentypen der persischen Teppiche un- Auch dies ist charakteristisch für die seichte, schablonenhafte 99) Eingehender habe ich diesen entscheidenden Punkt besprochen in der
österreichischen Monatsschrift für den Orient, Jänner 1892: Die Heimat des orientalischen Knüpfteppichs. 2. Frühsaracenische Rankenornamentik. scher Betrachtungsweise, wie sie z. B. de Vogüé gepflogen hat, nie-mals verlassen worden wäre. Die ornamentalen Blumentypen der persischen Teppiche un- Auch dies ist charakteristisch für die seichte, schablonenhafte 99) Eingehender habe ich diesen entscheidenden Punkt besprochen in der
österreichischen Monatsschrift für den Orient, Jänner 1892: Die Heimat des orientalischen Knüpfteppichs. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0371" n="345"/><fw place="top" type="header">2. Frühsaracenische Rankenornamentik.</fw><lb/> scher Betrachtungsweise, wie sie z. B. de Vogüé gepflogen hat, nie-<lb/> mals verlassen worden wäre.</p><lb/> <p>Die ornamentalen Blumentypen der persischen Teppiche <hi rendition="#g">un-<lb/> mittelbar</hi> auf achämenidisch-persische oder assyrische Anfänge zu-<lb/> rückzuführen, ist darum unstatthaft, weil sich zwischen diese und das<lb/> saracenische Spätmittelalter eine ganz grundverschiedene Kultur- und<lb/> Kunstschicht gelegt hat, bedingt durch das sieghafte Vordringen der<lb/> hellenistischen Antike und die eigenthümlichen Fortbildungen in der<lb/> sogen. byzantinischen Zeit. Aber selbst abgesehen von solchen all-<lb/> gemeinen stilhistorischen Erwägungen, wird man die persische Teppich-<lb/> blumistik schon deshalb nicht als unmittelbar <hi rendition="#g">autochthone</hi> Abkommen-<lb/> schaft altorientalischer Kunstformen gelten lassen können, weil das<lb/> Substrat selbst — der orientalische Knüpfteppich — nichts schlechthin<lb/> Altorientalisches ist<note place="foot" n="99)">Eingehender habe ich diesen entscheidenden Punkt besprochen in der<lb/> österreichischen Monatsschrift für den Orient, Jänner 1892: Die Heimat des<lb/> orientalischen Knüpfteppichs.</note>. Die allgemein verbreitete Meinung, dass der<lb/> orientalische Teppich seit Urzeiten in Westasien in Gebrauch gewesen<lb/> wäre, widerlegt sich durch die Beobachtung, dass der für die neueren<lb/> Orientalen charakteristische Gebrauch des Teppichs an Stelle des Sitz-<lb/> und Standmöbels im ganzen orientalischen Alterthum nicht nachzu-<lb/> weisen ist, derjenige von solchen Möbeln aber feststeht.</p><lb/> <p>Auch dies ist charakteristisch für die seichte, schablonenhafte<lb/> Art der Betrachtung auf diesem Gebiete, dass man die in den Schriften<lb/> der Alten erwähnten orientalischen „Teppiche“ schlechtweg für Knüpf-<lb/> teppiche nahm, und es ganz überflüssig fand, diese Meinung an der<lb/> Hand der bildlichen Darstellungen zu kontrolliren. Diese erweisen<lb/> aber für den ganzen antiken Orient von der altpharaonischen bis ein-<lb/> schliesslich der achämenidisch-persischen Zeit den Gebrauch von Stuhl,<lb/> Bettstelle und Tisch, dagegen kein einziges Mal einen Teppich an<lb/> deren Stelle. Erst die in Folge ihres nomadenhaften Vorlebens an die<lb/> Möbellosigkeit gewöhnten centralasiatischen Stämme turko-tartarischer<lb/> Abkunft, deren Vordringen und Sichfestsetzen in Westasien fast die<lb/> gesammte Geschichte des mittelalterlichen Orients ausfüllt, haben den<lb/> Knüpfteppich mit sich gebracht und seinen so charakteristischen Ge-<lb/> brauch im Westen eingebürgert. Wo die eingewanderten Nomaden-<lb/> tribus bei ihrer ursprünglichen Lebensweise stehen geblieben sind,<lb/> haben sie auch ihre heimische, primitiv-geometrische Verzierungsweise<lb/> — abstrakte Symmetrie in Form von Linien-Kombinationen — in ihrer<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [345/0371]
2. Frühsaracenische Rankenornamentik.
scher Betrachtungsweise, wie sie z. B. de Vogüé gepflogen hat, nie-
mals verlassen worden wäre.
Die ornamentalen Blumentypen der persischen Teppiche un-
mittelbar auf achämenidisch-persische oder assyrische Anfänge zu-
rückzuführen, ist darum unstatthaft, weil sich zwischen diese und das
saracenische Spätmittelalter eine ganz grundverschiedene Kultur- und
Kunstschicht gelegt hat, bedingt durch das sieghafte Vordringen der
hellenistischen Antike und die eigenthümlichen Fortbildungen in der
sogen. byzantinischen Zeit. Aber selbst abgesehen von solchen all-
gemeinen stilhistorischen Erwägungen, wird man die persische Teppich-
blumistik schon deshalb nicht als unmittelbar autochthone Abkommen-
schaft altorientalischer Kunstformen gelten lassen können, weil das
Substrat selbst — der orientalische Knüpfteppich — nichts schlechthin
Altorientalisches ist 99). Die allgemein verbreitete Meinung, dass der
orientalische Teppich seit Urzeiten in Westasien in Gebrauch gewesen
wäre, widerlegt sich durch die Beobachtung, dass der für die neueren
Orientalen charakteristische Gebrauch des Teppichs an Stelle des Sitz-
und Standmöbels im ganzen orientalischen Alterthum nicht nachzu-
weisen ist, derjenige von solchen Möbeln aber feststeht.
Auch dies ist charakteristisch für die seichte, schablonenhafte
Art der Betrachtung auf diesem Gebiete, dass man die in den Schriften
der Alten erwähnten orientalischen „Teppiche“ schlechtweg für Knüpf-
teppiche nahm, und es ganz überflüssig fand, diese Meinung an der
Hand der bildlichen Darstellungen zu kontrolliren. Diese erweisen
aber für den ganzen antiken Orient von der altpharaonischen bis ein-
schliesslich der achämenidisch-persischen Zeit den Gebrauch von Stuhl,
Bettstelle und Tisch, dagegen kein einziges Mal einen Teppich an
deren Stelle. Erst die in Folge ihres nomadenhaften Vorlebens an die
Möbellosigkeit gewöhnten centralasiatischen Stämme turko-tartarischer
Abkunft, deren Vordringen und Sichfestsetzen in Westasien fast die
gesammte Geschichte des mittelalterlichen Orients ausfüllt, haben den
Knüpfteppich mit sich gebracht und seinen so charakteristischen Ge-
brauch im Westen eingebürgert. Wo die eingewanderten Nomaden-
tribus bei ihrer ursprünglichen Lebensweise stehen geblieben sind,
haben sie auch ihre heimische, primitiv-geometrische Verzierungsweise
— abstrakte Symmetrie in Form von Linien-Kombinationen — in ihrer
99) Eingehender habe ich diesen entscheidenden Punkt besprochen in der
österreichischen Monatsschrift für den Orient, Jänner 1892: Die Heimat des
orientalischen Knüpfteppichs.
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