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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Obwohl nun, ästhetisch genommen, Scheußlicheres, als
der Hexensabbath, nicht ersonnen werden kann, so geht doch
die Gestaltung des Diabolischen als satanische geistig noch
tiefer. Das Hexenwesen mit seinem aberwitzigen Apparat
spielt hauptsächlich in einem Kreise rohsinnlicher Begierden,
in der Sphäre wollüstiger, schadenfroher Weiber, in einer
phantastischen Scheinwelt. Das Satanische ist in ihm zwar
der Mittelpunct des Cultus, allein mehr als Parodie des
kirchlichen Gottesdienstes; der geistige Gehalt ist gering.
Das eigentlich Satanische hingegen kehrt das Bewußtsein
seines Unwillens hervor. Nicht aus Schwäche, wie der Be¬
sessene, durch relativ fremde Mächte bestimmt; nicht durch
arge Lüste, wie die Hexe, zur Hingabe an das Böse ge¬
trieben; findet es seinen höchsten Genuß an der selbstbe¬
wußten, freien Hervorbringung des Bösen. Seinem Be¬
griff nach ist daß absolut Böse allerdings auch das absolut
unfreie, denn es besteht ja nur im Negiren der wahren Frei¬
heit, im Wollen des Nichtwollen des Guten, weshalb wir
seinen Willen vorhin den Unwillen genannt haben als den
Willen, der das Nichts will. In diesem Abgrund des sub¬
stanzlosen Wollens allein fühlt es sich, wenn man so sagen
darf, frei, weil es nur sich, nur seinen schlechthin exclussiven
Egoismus fühlt. Das Gute als der heilige Grund aller
Dinge erinnert es nur daran, alle gottgeschaffenen Schranken
zu zertrümmern, alle Ordnung der Natur zu unterwühlen,
alle Zucht und Scham des Geistes höhnisch zu vernichten.
Mit Recht kann man daher bei ihm das Maximum der
Häßlichkeit erwarten, allein so paradox es klingt, so ist es
doch wahr, daß die metaphysische Abstraktion, die in diesem
Standpunct liegt, die Häßlichkeit wieder abmildert. Das sa¬
tanische Subject hat einen gewissen Enthusiasmus der Ver¬

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Obwohl nun, äſthetiſch genommen, Scheußlicheres, als
der Hexenſabbath, nicht erſonnen werden kann, ſo geht doch
die Geſtaltung des Diaboliſchen als ſataniſche geiſtig noch
tiefer. Das Hexenweſen mit ſeinem aberwitzigen Apparat
ſpielt hauptſächlich in einem Kreiſe rohſinnlicher Begierden,
in der Sphäre wollüſtiger, ſchadenfroher Weiber, in einer
phantaſtiſchen Scheinwelt. Das Sataniſche iſt in ihm zwar
der Mittelpunct des Cultus, allein mehr als Parodie des
kirchlichen Gottesdienſtes; der geiſtige Gehalt iſt gering.
Das eigentlich Sataniſche hingegen kehrt das Bewußtſein
ſeines Unwillens hervor. Nicht aus Schwäche, wie der Be¬
ſeſſene, durch relativ fremde Mächte beſtimmt; nicht durch
arge Lüſte, wie die Hexe, zur Hingabe an das Böſe ge¬
trieben; findet es ſeinen höchſten Genuß an der ſelbſtbe¬
wußten, freien Hervorbringung des Böſen. Seinem Be¬
griff nach iſt daß abſolut Böſe allerdings auch das abſolut
unfreie, denn es beſteht ja nur im Negiren der wahren Frei¬
heit, im Wollen des Nichtwollen des Guten, weshalb wir
ſeinen Willen vorhin den Unwillen genannt haben als den
Willen, der das Nichts will. In dieſem Abgrund des ſub¬
ſtanzloſen Wollens allein fühlt es ſich, wenn man ſo ſagen
darf, frei, weil es nur ſich, nur ſeinen ſchlechthin excluſſiven
Egoismus fühlt. Das Gute als der heilige Grund aller
Dinge erinnert es nur daran, alle gottgeſchaffenen Schranken
zu zertrümmern, alle Ordnung der Natur zu unterwühlen,
alle Zucht und Scham des Geiſtes höhniſch zu vernichten.
Mit Recht kann man daher bei ihm das Maximum der
Häßlichkeit erwarten, allein ſo paradox es klingt, ſo iſt es
doch wahr, daß die metaphyſiſche Abſtraktion, die in dieſem
Standpunct liegt, die Häßlichkeit wieder abmildert. Das ſa¬
taniſche Subject hat einen gewiſſen Enthuſiasmus der Ver¬

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[371/0393] Obwohl nun, äſthetiſch genommen, Scheußlicheres, als der Hexenſabbath, nicht erſonnen werden kann, ſo geht doch die Geſtaltung des Diaboliſchen als ſataniſche geiſtig noch tiefer. Das Hexenweſen mit ſeinem aberwitzigen Apparat ſpielt hauptſächlich in einem Kreiſe rohſinnlicher Begierden, in der Sphäre wollüſtiger, ſchadenfroher Weiber, in einer phantaſtiſchen Scheinwelt. Das Sataniſche iſt in ihm zwar der Mittelpunct des Cultus, allein mehr als Parodie des kirchlichen Gottesdienſtes; der geiſtige Gehalt iſt gering. Das eigentlich Sataniſche hingegen kehrt das Bewußtſein ſeines Unwillens hervor. Nicht aus Schwäche, wie der Be¬ ſeſſene, durch relativ fremde Mächte beſtimmt; nicht durch arge Lüſte, wie die Hexe, zur Hingabe an das Böſe ge¬ trieben; findet es ſeinen höchſten Genuß an der ſelbſtbe¬ wußten, freien Hervorbringung des Böſen. Seinem Be¬ griff nach iſt daß abſolut Böſe allerdings auch das abſolut unfreie, denn es beſteht ja nur im Negiren der wahren Frei¬ heit, im Wollen des Nichtwollen des Guten, weshalb wir ſeinen Willen vorhin den Unwillen genannt haben als den Willen, der das Nichts will. In dieſem Abgrund des ſub¬ ſtanzloſen Wollens allein fühlt es ſich, wenn man ſo ſagen darf, frei, weil es nur ſich, nur ſeinen ſchlechthin excluſſiven Egoismus fühlt. Das Gute als der heilige Grund aller Dinge erinnert es nur daran, alle gottgeſchaffenen Schranken zu zertrümmern, alle Ordnung der Natur zu unterwühlen, alle Zucht und Scham des Geiſtes höhniſch zu vernichten. Mit Recht kann man daher bei ihm das Maximum der Häßlichkeit erwarten, allein ſo paradox es klingt, ſo iſt es doch wahr, daß die metaphyſiſche Abſtraktion, die in dieſem Standpunct liegt, die Häßlichkeit wieder abmildert. Das ſa¬ taniſche Subject hat einen gewiſſen Enthuſiasmus der Ver¬ 24 *

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/393>, abgerufen am 23.11.2024.