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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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waren als du -- o so rinnt für dich noch eine
bittre Thräne mehr! --

Wir gingen in ein kleineres Zimmer, wo
sich einige Betten fanden, weil hier die Kranken
wohnen, welche gute Wartung und sorgfältige
medicinische und diätetische Pflege genießen. Eine
von den hier befindlichen Frauenzimmern hatte
schon drey Jahr auf diesem Zimmer zugebracht,
und eine andere, die schwanger hieher gebracht
war, ein Kind in diesem Gefangenhause zum Le-
ben gebohren. Jtzt nahm man wieder den üblen
Geruch wahr, welcher hier wohl besonders stark
seyn mochte: indeß im Ganzen genommen in die-
sem Hause nicht so beschwerlich ist, wie er es in
andern Häusern der Art zu seyn pflegt.

Jtzt wurden wir zu den Männern geführt.
Zuerst ein kleines Zimmer, worin es ganz stille
war. Keiner sah uns an. Die Schaam be-
gangner Verbrechen, welche sie in diese Behau-
sung geführt hatten, hielt ihre Augen zur Erde.
Gewiß war es die kleine Anzahl, die es bewirkte,
daß die Schaam in ihnen noch nicht ganz erblaßt
war.

Nun aber eröfnete man uns ein größeres
Zimmer. Fünf und siebenzig Männer -- Ver-
nunftlose und Züchtlinge unter einander -- be-
wohnten dasselbe. Traurig war mir der Anblick

der
O 5


waren als du — o ſo rinnt fuͤr dich noch eine
bittre Thraͤne mehr! —

Wir gingen in ein kleineres Zimmer, wo
ſich einige Betten fanden, weil hier die Kranken
wohnen, welche gute Wartung und ſorgfaͤltige
mediciniſche und diaͤtetiſche Pflege genießen. Eine
von den hier befindlichen Frauenzimmern hatte
ſchon drey Jahr auf dieſem Zimmer zugebracht,
und eine andere, die ſchwanger hieher gebracht
war, ein Kind in dieſem Gefangenhauſe zum Le-
ben gebohren. Jtzt nahm man wieder den uͤblen
Geruch wahr, welcher hier wohl beſonders ſtark
ſeyn mochte: indeß im Ganzen genommen in die-
ſem Hauſe nicht ſo beſchwerlich iſt, wie er es in
andern Haͤuſern der Art zu ſeyn pflegt.

Jtzt wurden wir zu den Maͤnnern gefuͤhrt.
Zuerſt ein kleines Zimmer, worin es ganz ſtille
war. Keiner ſah uns an. Die Schaam be-
gangner Verbrechen, welche ſie in dieſe Behau-
ſung gefuͤhrt hatten, hielt ihre Augen zur Erde.
Gewiß war es die kleine Anzahl, die es bewirkte,
daß die Schaam in ihnen noch nicht ganz erblaßt
war.

Nun aber eroͤfnete man uns ein groͤßeres
Zimmer. Fuͤnf und ſiebenzig Maͤnner — Ver-
nunftloſe und Zuͤchtlinge unter einander — be-
wohnten daſſelbe. Traurig war mir der Anblick

der
O 5
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[217/0241] waren als du — o ſo rinnt fuͤr dich noch eine bittre Thraͤne mehr! — Wir gingen in ein kleineres Zimmer, wo ſich einige Betten fanden, weil hier die Kranken wohnen, welche gute Wartung und ſorgfaͤltige mediciniſche und diaͤtetiſche Pflege genießen. Eine von den hier befindlichen Frauenzimmern hatte ſchon drey Jahr auf dieſem Zimmer zugebracht, und eine andere, die ſchwanger hieher gebracht war, ein Kind in dieſem Gefangenhauſe zum Le- ben gebohren. Jtzt nahm man wieder den uͤblen Geruch wahr, welcher hier wohl beſonders ſtark ſeyn mochte: indeß im Ganzen genommen in die- ſem Hauſe nicht ſo beſchwerlich iſt, wie er es in andern Haͤuſern der Art zu ſeyn pflegt. Jtzt wurden wir zu den Maͤnnern gefuͤhrt. Zuerſt ein kleines Zimmer, worin es ganz ſtille war. Keiner ſah uns an. Die Schaam be- gangner Verbrechen, welche ſie in dieſe Behau- ſung gefuͤhrt hatten, hielt ihre Augen zur Erde. Gewiß war es die kleine Anzahl, die es bewirkte, daß die Schaam in ihnen noch nicht ganz erblaßt war. Nun aber eroͤfnete man uns ein groͤßeres Zimmer. Fuͤnf und ſiebenzig Maͤnner — Ver- nunftloſe und Zuͤchtlinge unter einander — be- wohnten daſſelbe. Traurig war mir der Anblick der O 5

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/241>, abgerufen am 29.11.2024.