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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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mir. Das mühsam herbeigeholte Wasser verdampfte, der Topf sprang und uns
blieb nur übrig, uns hungrig in die Hängematte zu legen. Der Yaulapiti schlief
auf einer der kleinen kreisrunden Matten, die von der Mandioka-Bereitung her dort
herumlagen. Fast die ganze Nacht hindurch hatten wir ein starkes Gewitter und
wurden trotz der Schutzdächer, die leider sehr baufällig waren, gründlich durchnässt.

Wirklich kam am nächsten Morgen, dem 20. Oktober, ein Auetö, mit dem
wir nach dem Dorfe zurückfuhren. Dort vereinigte ich mich mit den Gefährten,
und noch an demselben Abend waren wir wieder bei den Yaulapiti zurück.
Mein Weggehen von ihnen war also eigentlich höchst überflüssig gewesen, da
Antonio und Tumayaua gerade so gut allein am Auetökanal auf ein Boot warten
konnten, ohne mich noch hinzuzuholen. Aber die bösen Trumai trieben sich dort
herum und diesen "Wassertieren" (denn das seien sie und keine Menschen, sagte
er) ging Antonio um jeden Preis aus dem Wege. Wir trugen kein Begehr, uns
lange bei den Yaulapiti aufzuhalten, sondern wollten sofort zu den Kamayura weiter.

Am 21. Oktober früh machten wir uns auf den Weg. Eine kleine Strecke
hinter dem Yaulapitidorf hatten wir uns wieder in einen Kanal einzuschiffen, und
dieser führte uns wieder zu einer Lagune, die nördlicher lag als die erste. Wir
durchkreuzten sie und nachdem wir am anderen Ufer an ein paar dort im Sumpf
liegenden langen Baumstämmen, über die wir mühsam hinüberbalanzieren mussten,
gelandet waren, sahen wir uns nach wenigen Schritten in einem zweiten
Yaulapitidorf
.

Es bestand aus neun Hütten, von denen aber nur vier gute Wohnungen
darstellten, während die übrigen fünf baufällige Ranchos waren. Etwa vierzig
Personen erwarteten uns, an ihrer Spitze der blinde Häuptling und Freund Mori-
tona, die also beide hier zu Hause waren. Ueberhaupt bemerkte ich eine Anzahl
von Leuten, deren Bekanntschaft ich bereits im ersten Dorfe gemacht hatte.
Sie waren nach meinem Erscheinen zum Besuch herübergekommen.

Dieses zweite Dorf vermochte in keiner Weise, uns über die Yaulapiti
günstigere Vorstellungen zu geben. Auch hier sahen wir nur ein armseliges
Fischervölkchen, dem wir einige Geschenke verabreichten und das wir nach Er-
ledigung der üblichen Empfangszene nicht ungern verliessen.



VI. Zu den Kamayura.

Empfang. Freude über unsere Sprachverwandtschaft. Nachrichten von den Aruma. Gemütlicher
Aufenthalt. Kamayura und Trumai 1884 zusammen. Einladung nach Cuyaba. Diebereien.

Von dem zweiten Yaulapitidorf den 21. Oktober, kurz nach 9 Uhr Morgens
aufbrechend, gelangten wir nach einem Marsch von 31/4 Stunden durch den
Wald zu den Kamayura. Die letzte Strecke war mit prachtvollen Mangave-
pflanzungen besetzt.


8*

mir. Das mühsam herbeigeholte Wasser verdampfte, der Topf sprang und uns
blieb nur übrig, uns hungrig in die Hängematte zu legen. Der Yaulapiti schlief
auf einer der kleinen kreisrunden Matten, die von der Mandioka-Bereitung her dort
herumlagen. Fast die ganze Nacht hindurch hatten wir ein starkes Gewitter und
wurden trotz der Schutzdächer, die leider sehr baufällig waren, gründlich durchnässt.

Wirklich kam am nächsten Morgen, dem 20. Oktober, ein Auetö́, mit dem
wir nach dem Dorfe zurückfuhren. Dort vereinigte ich mich mit den Gefährten,
und noch an demselben Abend waren wir wieder bei den Yaulapiti zurück.
Mein Weggehen von ihnen war also eigentlich höchst überflüssig gewesen, da
Antonio und Tumayaua gerade so gut allein am Auetö́kanal auf ein Boot warten
konnten, ohne mich noch hinzuzuholen. Aber die bösen Trumaí trieben sich dort
herum und diesen »Wassertieren« (denn das seien sie und keine Menschen, sagte
er) ging Antonio um jeden Preis aus dem Wege. Wir trugen kein Begehr, uns
lange bei den Yaulapiti aufzuhalten, sondern wollten sofort zu den Kamayurá weiter.

Am 21. Oktober früh machten wir uns auf den Weg. Eine kleine Strecke
hinter dem Yaulapitidorf hatten wir uns wieder in einen Kanal einzuschiffen, und
dieser führte uns wieder zu einer Lagune, die nördlicher lag als die erste. Wir
durchkreuzten sie und nachdem wir am anderen Ufer an ein paar dort im Sumpf
liegenden langen Baumstämmen, über die wir mühsam hinüberbalanzieren mussten,
gelandet waren, sahen wir uns nach wenigen Schritten in einem zweiten
Yaulapitidorf
.

Es bestand aus neun Hütten, von denen aber nur vier gute Wohnungen
darstellten, während die übrigen fünf baufällige Ranchos waren. Etwa vierzig
Personen erwarteten uns, an ihrer Spitze der blinde Häuptling und Freund Mori-
tona, die also beide hier zu Hause waren. Ueberhaupt bemerkte ich eine Anzahl
von Leuten, deren Bekanntschaft ich bereits im ersten Dorfe gemacht hatte.
Sie waren nach meinem Erscheinen zum Besuch herübergekommen.

Dieses zweite Dorf vermochte in keiner Weise, uns über die Yaulapiti
günstigere Vorstellungen zu geben. Auch hier sahen wir nur ein armseliges
Fischervölkchen, dem wir einige Geschenke verabreichten und das wir nach Er-
ledigung der üblichen Empfangszene nicht ungern verliessen.



VI. Zu den Kamayurá.

Empfang. Freude über unsere Sprachverwandtschaft. Nachrichten von den Arumá. Gemütlicher
Aufenthalt. Kamayurá und Trumaí 1884 zusammen. Einladung nach Cuyabá. Diebereien.

Von dem zweiten Yaulapitidorf den 21. Oktober, kurz nach 9 Uhr Morgens
aufbrechend, gelangten wir nach einem Marsch von 3¼ Stunden durch den
Wald zu den Kamayurá. Die letzte Strecke war mit prachtvollen Mangave-
pflanzungen besetzt.


8*
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[115/0149] mir. Das mühsam herbeigeholte Wasser verdampfte, der Topf sprang und uns blieb nur übrig, uns hungrig in die Hängematte zu legen. Der Yaulapiti schlief auf einer der kleinen kreisrunden Matten, die von der Mandioka-Bereitung her dort herumlagen. Fast die ganze Nacht hindurch hatten wir ein starkes Gewitter und wurden trotz der Schutzdächer, die leider sehr baufällig waren, gründlich durchnässt. Wirklich kam am nächsten Morgen, dem 20. Oktober, ein Auetö́, mit dem wir nach dem Dorfe zurückfuhren. Dort vereinigte ich mich mit den Gefährten, und noch an demselben Abend waren wir wieder bei den Yaulapiti zurück. Mein Weggehen von ihnen war also eigentlich höchst überflüssig gewesen, da Antonio und Tumayaua gerade so gut allein am Auetö́kanal auf ein Boot warten konnten, ohne mich noch hinzuzuholen. Aber die bösen Trumaí trieben sich dort herum und diesen »Wassertieren« (denn das seien sie und keine Menschen, sagte er) ging Antonio um jeden Preis aus dem Wege. Wir trugen kein Begehr, uns lange bei den Yaulapiti aufzuhalten, sondern wollten sofort zu den Kamayurá weiter. Am 21. Oktober früh machten wir uns auf den Weg. Eine kleine Strecke hinter dem Yaulapitidorf hatten wir uns wieder in einen Kanal einzuschiffen, und dieser führte uns wieder zu einer Lagune, die nördlicher lag als die erste. Wir durchkreuzten sie und nachdem wir am anderen Ufer an ein paar dort im Sumpf liegenden langen Baumstämmen, über die wir mühsam hinüberbalanzieren mussten, gelandet waren, sahen wir uns nach wenigen Schritten in einem zweiten Yaulapitidorf. Es bestand aus neun Hütten, von denen aber nur vier gute Wohnungen darstellten, während die übrigen fünf baufällige Ranchos waren. Etwa vierzig Personen erwarteten uns, an ihrer Spitze der blinde Häuptling und Freund Mori- tona, die also beide hier zu Hause waren. Ueberhaupt bemerkte ich eine Anzahl von Leuten, deren Bekanntschaft ich bereits im ersten Dorfe gemacht hatte. Sie waren nach meinem Erscheinen zum Besuch herübergekommen. Dieses zweite Dorf vermochte in keiner Weise, uns über die Yaulapiti günstigere Vorstellungen zu geben. Auch hier sahen wir nur ein armseliges Fischervölkchen, dem wir einige Geschenke verabreichten und das wir nach Er- ledigung der üblichen Empfangszene nicht ungern verliessen. VI. Zu den Kamayurá. Empfang. Freude über unsere Sprachverwandtschaft. Nachrichten von den Arumá. Gemütlicher Aufenthalt. Kamayurá und Trumaí 1884 zusammen. Einladung nach Cuyabá. Diebereien. Von dem zweiten Yaulapitidorf den 21. Oktober, kurz nach 9 Uhr Morgens aufbrechend, gelangten wir nach einem Marsch von 3¼ Stunden durch den Wald zu den Kamayurá. Die letzte Strecke war mit prachtvollen Mangave- pflanzungen besetzt. 8*

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/149>, abgerufen am 23.11.2024.