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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Centner rohes Material verarbeitet; der Ankaufspreis desselben wurde auf 45,000 fl. geschätzt, der Bedarf an Kohlen u. s. w. auf 6000 fl., sohin die Vorauslage auf 51,000 fl., der Erlös auf 115,000 fl. Diese Ziffern sind aber seitdem um ein Gutes herabgegangen, denn der Flor von Stubei war in den letzten zwanzig Jahren in fortwährendem Sinken, wie auch die Volkszahl im ganzen Thale seit dem vorigen Jahrhundert abgenommen hat, so daß sie, die im Jahre 1763 4968 Seelen betragen, im Jahre 1840 nur mehr auf 3800 sich belief. Staffler zählt in Vulpmes noch siebenundsechzig Werkstätten und zweihundert Arbeiter. Die Eisenwaaren, welche jährlich in den Handel kommen, schätzt er dagegen auf 3500 bis 3800 Centner.

So sind denn die Stubeier Schmiede jetzt in denselben Zuständen, wie die Grödner Schnitzler und sind auch von den gleichen Anfängen ausgegangen. Ehemals zogen jährlich bei dritthalbhundert Menschen ins Ausland, die dann nach kurzer Abwesenheit wieder in die Heimath zurückkehrten. Der Gewinn, den der Handel abgeworfen, wurde auf den Ackerbau und auf Erweiterung der angestammten Feldungen verwendet; daher dann im höhern Alter ein otium cum dignitate, Ruhe und Wohlstand, daher übrigens auch wie in Gröden, ein paar Menschenalter lang ungeheuer hoher Preis des Bodens. Heirathen mit Ausländerinnen gestattete die Sitte nicht, gänzliches Aufgeben der Heimath verbot die Sehnsucht nach dem Thale. So kehrten sie von ihren Wanderungen immer sicher wieder, legten das feinere Gewand, das sie im Ausland getragen, wieder ab, und waren Thälerer wie vorher. Daher auch zu jenen Zeiten, wie in Gröden, wie im Lechthale, wie im Engadein Bauersleute genug, die mit französisch und italienisch renommiren konnten und am Sonntag nach dem Essen das Tarockspiel betrieben. Jetzt da sich die auswärtigen Eisenhandlungen alle von dem Mutterländchen abgelöst, sind diese großweltischen Züge in der Physiognomie des kleinen Thales wieder lange verwischt, wie denn auch jene Händler, die sich in der Fremde niedergelassen, alle Spuren ihrer Herkunft abgestreift haben, so daß die "halbbürgerliche

Centner rohes Material verarbeitet; der Ankaufspreis desselben wurde auf 45,000 fl. geschätzt, der Bedarf an Kohlen u. s. w. auf 6000 fl., sohin die Vorauslage auf 51,000 fl., der Erlös auf 115,000 fl. Diese Ziffern sind aber seitdem um ein Gutes herabgegangen, denn der Flor von Stubei war in den letzten zwanzig Jahren in fortwährendem Sinken, wie auch die Volkszahl im ganzen Thale seit dem vorigen Jahrhundert abgenommen hat, so daß sie, die im Jahre 1763 4968 Seelen betragen, im Jahre 1840 nur mehr auf 3800 sich belief. Staffler zählt in Vulpmes noch siebenundsechzig Werkstätten und zweihundert Arbeiter. Die Eisenwaaren, welche jährlich in den Handel kommen, schätzt er dagegen auf 3500 bis 3800 Centner.

So sind denn die Stubeier Schmiede jetzt in denselben Zuständen, wie die Grödner Schnitzler und sind auch von den gleichen Anfängen ausgegangen. Ehemals zogen jährlich bei dritthalbhundert Menschen ins Ausland, die dann nach kurzer Abwesenheit wieder in die Heimath zurückkehrten. Der Gewinn, den der Handel abgeworfen, wurde auf den Ackerbau und auf Erweiterung der angestammten Feldungen verwendet; daher dann im höhern Alter ein otium cum dignitate, Ruhe und Wohlstand, daher übrigens auch wie in Gröden, ein paar Menschenalter lang ungeheuer hoher Preis des Bodens. Heirathen mit Ausländerinnen gestattete die Sitte nicht, gänzliches Aufgeben der Heimath verbot die Sehnsucht nach dem Thale. So kehrten sie von ihren Wanderungen immer sicher wieder, legten das feinere Gewand, das sie im Ausland getragen, wieder ab, und waren Thälerer wie vorher. Daher auch zu jenen Zeiten, wie in Gröden, wie im Lechthale, wie im Engadein Bauersleute genug, die mit französisch und italienisch renommiren konnten und am Sonntag nach dem Essen das Tarockspiel betrieben. Jetzt da sich die auswärtigen Eisenhandlungen alle von dem Mutterländchen abgelöst, sind diese großweltischen Züge in der Physiognomie des kleinen Thales wieder lange verwischt, wie denn auch jene Händler, die sich in der Fremde niedergelassen, alle Spuren ihrer Herkunft abgestreift haben, so daß die „halbbürgerliche

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Centner rohes Material verarbeitet; der Ankaufspreis desselben wurde auf 45,000 fl. geschätzt, der Bedarf an Kohlen u. s. w. auf 6000 fl., sohin die Vorauslage auf 51,000 fl., der Erlös auf 115,000 fl. Diese Ziffern sind aber seitdem um ein Gutes herabgegangen, denn der Flor von Stubei war in den letzten zwanzig Jahren in fortwährendem Sinken, wie auch die Volkszahl im ganzen Thale seit dem vorigen Jahrhundert abgenommen hat, so daß sie, die im Jahre 1763 4968 Seelen betragen, im Jahre 1840 nur mehr auf 3800 sich belief. Staffler zählt in Vulpmes noch siebenundsechzig Werkstätten und zweihundert Arbeiter. Die Eisenwaaren, welche jährlich in den Handel kommen, schätzt er dagegen auf 3500 bis 3800 Centner.</p>
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[492/0496] Centner rohes Material verarbeitet; der Ankaufspreis desselben wurde auf 45,000 fl. geschätzt, der Bedarf an Kohlen u. s. w. auf 6000 fl., sohin die Vorauslage auf 51,000 fl., der Erlös auf 115,000 fl. Diese Ziffern sind aber seitdem um ein Gutes herabgegangen, denn der Flor von Stubei war in den letzten zwanzig Jahren in fortwährendem Sinken, wie auch die Volkszahl im ganzen Thale seit dem vorigen Jahrhundert abgenommen hat, so daß sie, die im Jahre 1763 4968 Seelen betragen, im Jahre 1840 nur mehr auf 3800 sich belief. Staffler zählt in Vulpmes noch siebenundsechzig Werkstätten und zweihundert Arbeiter. Die Eisenwaaren, welche jährlich in den Handel kommen, schätzt er dagegen auf 3500 bis 3800 Centner. So sind denn die Stubeier Schmiede jetzt in denselben Zuständen, wie die Grödner Schnitzler und sind auch von den gleichen Anfängen ausgegangen. Ehemals zogen jährlich bei dritthalbhundert Menschen ins Ausland, die dann nach kurzer Abwesenheit wieder in die Heimath zurückkehrten. Der Gewinn, den der Handel abgeworfen, wurde auf den Ackerbau und auf Erweiterung der angestammten Feldungen verwendet; daher dann im höhern Alter ein otium cum dignitate, Ruhe und Wohlstand, daher übrigens auch wie in Gröden, ein paar Menschenalter lang ungeheuer hoher Preis des Bodens. Heirathen mit Ausländerinnen gestattete die Sitte nicht, gänzliches Aufgeben der Heimath verbot die Sehnsucht nach dem Thale. So kehrten sie von ihren Wanderungen immer sicher wieder, legten das feinere Gewand, das sie im Ausland getragen, wieder ab, und waren Thälerer wie vorher. Daher auch zu jenen Zeiten, wie in Gröden, wie im Lechthale, wie im Engadein Bauersleute genug, die mit französisch und italienisch renommiren konnten und am Sonntag nach dem Essen das Tarockspiel betrieben. Jetzt da sich die auswärtigen Eisenhandlungen alle von dem Mutterländchen abgelöst, sind diese großweltischen Züge in der Physiognomie des kleinen Thales wieder lange verwischt, wie denn auch jene Händler, die sich in der Fremde niedergelassen, alle Spuren ihrer Herkunft abgestreift haben, so daß die „halbbürgerliche

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/496>, abgerufen am 23.11.2024.