Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.für die Ironie des Zufalls, der hier dem Mädchen mit den lackirten Schuhen den Gegenpart zugeführt hatte, der ihre exceptionelle Stellung zu würdigen, zu bewundern und zu belächeln wußte. Sie verstand es, in Schilderungen die augenscheinlich nach Salis und Mathisson gebildet waren, die idyllische Einsamkeit ihres Sommeraufenthalts zu zeichnen und ebensowohl in meinem Wesen den schwärmerischen Zug herauszufinden, der mich durch alle Mühsal der Bergwelt hieher in die reine Luft des friedlichen Alpenthals geleitet. Nach manchem guten Gedanken und manchem witzigen Scherze von ihrer Seite, worauf ich, so gut es ging, Bescheid that, beurlaubte ich mich von der städtischen Alpenmaid, die in mir die Bemerkung zuwege brachte, daß ein schönes Mädchen überall am rechten Platze sey und daß man auch in Hinterdux nicht unangenehm berührt werde durch ein anmuthiges, feines Müller-Töchterchen, gesetzt auch sie hätte lackirte Schuhe. Hinderdux, die Ortschaft, mit ihren hölzernen Hütten, welche neunzig Menschen beherbergen, ist vielleicht das unansehnlichste aller Alpendörfchen. In Damils und Fend sind die Häuser, obgleich von Holz, doch viel größer, in Galthür sind sie von Stein; andere Orte taugen kaum zur Vergleichung. Was aber diesem Dörfchen eigen, das ist eine fast alterthümliche Philoxenie - man kann nicht sagen: Gastfreundschaft, denn das Völkchen hat nichts anzubieten als Milch und Gerstenbrod, was es für die Herren nicht recht passend hält - aber es ist eine recht innige, herzliche Freude an den Fremden, die durch ihre Holzgehäuse durchpilgern. Als ich da den Fuß einsetzte, war es bereits Abend geworden und die Leute saßen auf den Sommerbänken vor den Thüren. Als sie mich ersahen, sprangen sie von allen Seiten auf, eilten herbei, bildeten einen Kreis, und ließen die Augen neugierig auf mir ruhen. Die ältern Männer und Weiber sprachen mich zuvorkommend an und fragten vor allem, wo ich bleibe. Als ich Bayern nannte, erinnerten mehrere, das sey ein feines Land, ganz eben und voll Getraide. Es sey zu verwundern, daß man da fortgehen möge, um ihre "schiechen" Löcher zu betrachten. Ich hatte Mühe, mich darüber zu rechtfertigen, für die Ironie des Zufalls, der hier dem Mädchen mit den lackirten Schuhen den Gegenpart zugeführt hatte, der ihre exceptionelle Stellung zu würdigen, zu bewundern und zu belächeln wußte. Sie verstand es, in Schilderungen die augenscheinlich nach Salis und Mathisson gebildet waren, die idyllische Einsamkeit ihres Sommeraufenthalts zu zeichnen und ebensowohl in meinem Wesen den schwärmerischen Zug herauszufinden, der mich durch alle Mühsal der Bergwelt hieher in die reine Luft des friedlichen Alpenthals geleitet. Nach manchem guten Gedanken und manchem witzigen Scherze von ihrer Seite, worauf ich, so gut es ging, Bescheid that, beurlaubte ich mich von der städtischen Alpenmaid, die in mir die Bemerkung zuwege brachte, daß ein schönes Mädchen überall am rechten Platze sey und daß man auch in Hinterdux nicht unangenehm berührt werde durch ein anmuthiges, feines Müller-Töchterchen, gesetzt auch sie hätte lackirte Schuhe. Hinderdux, die Ortschaft, mit ihren hölzernen Hütten, welche neunzig Menschen beherbergen, ist vielleicht das unansehnlichste aller Alpendörfchen. In Damils und Fend sind die Häuser, obgleich von Holz, doch viel größer, in Galthür sind sie von Stein; andere Orte taugen kaum zur Vergleichung. Was aber diesem Dörfchen eigen, das ist eine fast alterthümliche Philoxenie – man kann nicht sagen: Gastfreundschaft, denn das Völkchen hat nichts anzubieten als Milch und Gerstenbrod, was es für die Herren nicht recht passend hält – aber es ist eine recht innige, herzliche Freude an den Fremden, die durch ihre Holzgehäuse durchpilgern. Als ich da den Fuß einsetzte, war es bereits Abend geworden und die Leute saßen auf den Sommerbänken vor den Thüren. Als sie mich ersahen, sprangen sie von allen Seiten auf, eilten herbei, bildeten einen Kreis, und ließen die Augen neugierig auf mir ruhen. Die ältern Männer und Weiber sprachen mich zuvorkommend an und fragten vor allem, wo ich bleibe. Als ich Bayern nannte, erinnerten mehrere, das sey ein feines Land, ganz eben und voll Getraide. Es sey zu verwundern, daß man da fortgehen möge, um ihre „schiechen“ Löcher zu betrachten. 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Nach manchem guten Gedanken und manchem witzigen Scherze von ihrer Seite, worauf ich, so gut es ging, Bescheid that, beurlaubte ich mich von der städtischen Alpenmaid, die in mir die Bemerkung zuwege brachte, daß ein schönes Mädchen überall am rechten Platze sey und daß man auch in Hinterdux nicht unangenehm berührt werde durch ein anmuthiges, feines Müller-Töchterchen, gesetzt auch sie hätte lackirte Schuhe.</p> <p>Hinderdux, die Ortschaft, mit ihren hölzernen Hütten, welche neunzig Menschen beherbergen, ist vielleicht das unansehnlichste aller Alpendörfchen. In Damils und Fend sind die Häuser, obgleich von Holz, doch viel größer, in Galthür sind sie von Stein; andere Orte taugen kaum zur Vergleichung. Was aber diesem Dörfchen eigen, das ist eine fast alterthümliche Philoxenie – man kann nicht sagen: Gastfreundschaft, denn das Völkchen hat nichts anzubieten als Milch und Gerstenbrod, was es für die Herren nicht recht passend hält – aber es ist eine recht innige, herzliche Freude an den Fremden, die durch ihre Holzgehäuse durchpilgern. Als ich da den Fuß einsetzte, war es bereits Abend geworden und die Leute saßen auf den Sommerbänken vor den Thüren. Als sie mich ersahen, sprangen sie von allen Seiten auf, eilten herbei, bildeten einen Kreis, und ließen die Augen neugierig auf mir ruhen. Die ältern Männer und Weiber sprachen mich zuvorkommend an und fragten vor allem, wo ich bleibe. Als ich Bayern nannte, erinnerten mehrere, das sey ein feines Land, ganz eben und voll Getraide. Es sey zu verwundern, daß man da fortgehen möge, um ihre „schiechen“ Löcher zu betrachten. Ich hatte Mühe, mich darüber zu rechtfertigen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [510/0514]
für die Ironie des Zufalls, der hier dem Mädchen mit den lackirten Schuhen den Gegenpart zugeführt hatte, der ihre exceptionelle Stellung zu würdigen, zu bewundern und zu belächeln wußte. Sie verstand es, in Schilderungen die augenscheinlich nach Salis und Mathisson gebildet waren, die idyllische Einsamkeit ihres Sommeraufenthalts zu zeichnen und ebensowohl in meinem Wesen den schwärmerischen Zug herauszufinden, der mich durch alle Mühsal der Bergwelt hieher in die reine Luft des friedlichen Alpenthals geleitet. Nach manchem guten Gedanken und manchem witzigen Scherze von ihrer Seite, worauf ich, so gut es ging, Bescheid that, beurlaubte ich mich von der städtischen Alpenmaid, die in mir die Bemerkung zuwege brachte, daß ein schönes Mädchen überall am rechten Platze sey und daß man auch in Hinterdux nicht unangenehm berührt werde durch ein anmuthiges, feines Müller-Töchterchen, gesetzt auch sie hätte lackirte Schuhe.
Hinderdux, die Ortschaft, mit ihren hölzernen Hütten, welche neunzig Menschen beherbergen, ist vielleicht das unansehnlichste aller Alpendörfchen. In Damils und Fend sind die Häuser, obgleich von Holz, doch viel größer, in Galthür sind sie von Stein; andere Orte taugen kaum zur Vergleichung. Was aber diesem Dörfchen eigen, das ist eine fast alterthümliche Philoxenie – man kann nicht sagen: Gastfreundschaft, denn das Völkchen hat nichts anzubieten als Milch und Gerstenbrod, was es für die Herren nicht recht passend hält – aber es ist eine recht innige, herzliche Freude an den Fremden, die durch ihre Holzgehäuse durchpilgern. Als ich da den Fuß einsetzte, war es bereits Abend geworden und die Leute saßen auf den Sommerbänken vor den Thüren. Als sie mich ersahen, sprangen sie von allen Seiten auf, eilten herbei, bildeten einen Kreis, und ließen die Augen neugierig auf mir ruhen. Die ältern Männer und Weiber sprachen mich zuvorkommend an und fragten vor allem, wo ich bleibe. Als ich Bayern nannte, erinnerten mehrere, das sey ein feines Land, ganz eben und voll Getraide. Es sey zu verwundern, daß man da fortgehen möge, um ihre „schiechen“ Löcher zu betrachten. Ich hatte Mühe, mich darüber zu rechtfertigen,
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