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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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uns allen zum herben Verdruß über den Tauern, ihren Gletschern und ihrer Pracht, zogen sich weit herunter ins Thal und trübten auch seine Schönheit. Etliche Dörfer sahen wir wohl und einen schlängelnden Fluß, etliche Wäldchen und weite Auen, aber alles grau gefärbt und kümmerlich beleuchtet. Bald darnach hörten wir auch das Rauschen der Krimmler Ache und sahen eine halbe Stunde weit zur Rechten auch die drei berühmten Fälle dieses Baches; denn die Nebel hatten sich eben etwas davon zurückgezogen und Spalier gebildet, um uns zwischen durch auf die Cascade sehen zu lassen. Es war auch gut, denn wie sich später zeigen wird, so durften wir froh seyn, den Fall wenigstens von Ferne in unbewölkter Größe gesehen zu haben.

Weniger trübselig als die Gegend an diesem Abende war die Aufnahme im Wirthshause, wo wir gleich das Vergnügen hatten die liebenswürdige Traudl kennen zu lernen, ein höchst achtbares Mädchen von einem besonders glücklichen Aussehen und einer Laune so frisch und heiter, wie wir sie selbst im Zillerthale nicht gefunden. Sie ist des Wirthes Tochter und hat recht brave Eltern, welche das Kind in der Familie Gertl nennen, denn Traudl, behaupten sie, sey eigentlich zu vornehm für eine schlichte Pinzgauerin und das Töchterlein bekenne sich zu diesem Namen nur gegen gebildete Fremde. Auch eine sehr hübsche Aushelferin war zur Hand mit Namen Rosi, die diesen Abend in den fremden Ankömmlingen noch viele Rosen der Sehnsucht erblühen ließ. Aber Annel, die Dritte, legte sich wohl auch in jedem Herzen ihr eigenes Gärtchen an, denn sie war so lieblich und so fein, und wenn alle drei beisammen standen, wußten überhaupt die vier oder fünf Parise nicht, welcher sie den Apfel reichen sollten. Gertl war die geistreichste, aber die sprödeste und glich in vielen Stücken der Göttin der Weisheit, die andern beiden dagegen waren ohne Widerrede zwei Venusinnen auf einmal.

Wenn nun vier Studenten ins Pinzgau kommen und gleich im ersten Wirthshause eine Tochter und zwei Schenkmädchen kennen lernen, welche schon im ersten Augenblicke den glücklichsten Eindruck machen, so läßt sich denken, daß die

uns allen zum herben Verdruß über den Tauern, ihren Gletschern und ihrer Pracht, zogen sich weit herunter ins Thal und trübten auch seine Schönheit. Etliche Dörfer sahen wir wohl und einen schlängelnden Fluß, etliche Wäldchen und weite Auen, aber alles grau gefärbt und kümmerlich beleuchtet. Bald darnach hörten wir auch das Rauschen der Krimmler Ache und sahen eine halbe Stunde weit zur Rechten auch die drei berühmten Fälle dieses Baches; denn die Nebel hatten sich eben etwas davon zurückgezogen und Spalier gebildet, um uns zwischen durch auf die Cascade sehen zu lassen. Es war auch gut, denn wie sich später zeigen wird, so durften wir froh seyn, den Fall wenigstens von Ferne in unbewölkter Größe gesehen zu haben.

Weniger trübselig als die Gegend an diesem Abende war die Aufnahme im Wirthshause, wo wir gleich das Vergnügen hatten die liebenswürdige Traudl kennen zu lernen, ein höchst achtbares Mädchen von einem besonders glücklichen Aussehen und einer Laune so frisch und heiter, wie wir sie selbst im Zillerthale nicht gefunden. Sie ist des Wirthes Tochter und hat recht brave Eltern, welche das Kind in der Familie Gertl nennen, denn Traudl, behaupten sie, sey eigentlich zu vornehm für eine schlichte Pinzgauerin und das Töchterlein bekenne sich zu diesem Namen nur gegen gebildete Fremde. Auch eine sehr hübsche Aushelferin war zur Hand mit Namen Rosi, die diesen Abend in den fremden Ankömmlingen noch viele Rosen der Sehnsucht erblühen ließ. Aber Annel, die Dritte, legte sich wohl auch in jedem Herzen ihr eigenes Gärtchen an, denn sie war so lieblich und so fein, und wenn alle drei beisammen standen, wußten überhaupt die vier oder fünf Parise nicht, welcher sie den Apfel reichen sollten. Gertl war die geistreichste, aber die sprödeste und glich in vielen Stücken der Göttin der Weisheit, die andern beiden dagegen waren ohne Widerrede zwei Venusinnen auf einmal.

Wenn nun vier Studenten ins Pinzgau kommen und gleich im ersten Wirthshause eine Tochter und zwei Schenkmädchen kennen lernen, welche schon im ersten Augenblicke den glücklichsten Eindruck machen, so läßt sich denken, daß die

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[579/0583] uns allen zum herben Verdruß über den Tauern, ihren Gletschern und ihrer Pracht, zogen sich weit herunter ins Thal und trübten auch seine Schönheit. Etliche Dörfer sahen wir wohl und einen schlängelnden Fluß, etliche Wäldchen und weite Auen, aber alles grau gefärbt und kümmerlich beleuchtet. Bald darnach hörten wir auch das Rauschen der Krimmler Ache und sahen eine halbe Stunde weit zur Rechten auch die drei berühmten Fälle dieses Baches; denn die Nebel hatten sich eben etwas davon zurückgezogen und Spalier gebildet, um uns zwischen durch auf die Cascade sehen zu lassen. Es war auch gut, denn wie sich später zeigen wird, so durften wir froh seyn, den Fall wenigstens von Ferne in unbewölkter Größe gesehen zu haben. Weniger trübselig als die Gegend an diesem Abende war die Aufnahme im Wirthshause, wo wir gleich das Vergnügen hatten die liebenswürdige Traudl kennen zu lernen, ein höchst achtbares Mädchen von einem besonders glücklichen Aussehen und einer Laune so frisch und heiter, wie wir sie selbst im Zillerthale nicht gefunden. Sie ist des Wirthes Tochter und hat recht brave Eltern, welche das Kind in der Familie Gertl nennen, denn Traudl, behaupten sie, sey eigentlich zu vornehm für eine schlichte Pinzgauerin und das Töchterlein bekenne sich zu diesem Namen nur gegen gebildete Fremde. Auch eine sehr hübsche Aushelferin war zur Hand mit Namen Rosi, die diesen Abend in den fremden Ankömmlingen noch viele Rosen der Sehnsucht erblühen ließ. Aber Annel, die Dritte, legte sich wohl auch in jedem Herzen ihr eigenes Gärtchen an, denn sie war so lieblich und so fein, und wenn alle drei beisammen standen, wußten überhaupt die vier oder fünf Parise nicht, welcher sie den Apfel reichen sollten. Gertl war die geistreichste, aber die sprödeste und glich in vielen Stücken der Göttin der Weisheit, die andern beiden dagegen waren ohne Widerrede zwei Venusinnen auf einmal. Wenn nun vier Studenten ins Pinzgau kommen und gleich im ersten Wirthshause eine Tochter und zwei Schenkmädchen kennen lernen, welche schon im ersten Augenblicke den glücklichsten Eindruck machen, so läßt sich denken, daß die

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/583>, abgerufen am 23.11.2024.