Ich ging zu den Gärtnerleuten. Mir kam es nicht vor, wie mein Gastfreund gesagt hatte, daß sie sich nicht verändert hätten. Der Mann schien mir noch weißer geworden zu sein. Seine Haare unterschieden sich nicht mehr von der Leinwand. Die Frau aber war unverändert. Sie mußte von einer sehr reinlich¬ keitliebenden Familie stammen, weil sie das Häuschen so nett hielt, und den alten Mann so fleckenlos und knapp heraus kleidete. Er machte mir ganz genau wieder den nehmlichen Eindruck wie im vergangenen Jahre, als ob er einer ganz anderen Beschäftigung angehörte.
Da ich von dem Gewächshause gegen die Füt¬ terungstenne ging, begegnete mir Gustav. Er lief mit einem Rufe auf mich zu, und grüßte mich.
Der Knabe hatte sich in kurzer Zeit sehr geändert. Er stand sehr schön neben mir da, und gegen die rauhe Art der Natur, die noch kein Laub kein Gras keinen Stengel keine Blume getrieben hatte, sondern der Jahreszeit gemäß nur die braunen Schollen die braunen Stämme und die nackten Zweige zeigte, war er noch schöner, wie ich oft beim Zeichnen bemerkt hatte, daß zum Beispiele Augen der Thiere in strup¬ pigen Köpfen noch glänzender erschienen, und daß
Ich ging zu den Gärtnerleuten. Mir kam es nicht vor, wie mein Gaſtfreund geſagt hatte, daß ſie ſich nicht verändert hätten. Der Mann ſchien mir noch weißer geworden zu ſein. Seine Haare unterſchieden ſich nicht mehr von der Leinwand. Die Frau aber war unverändert. Sie mußte von einer ſehr reinlich¬ keitliebenden Familie ſtammen, weil ſie das Häuschen ſo nett hielt, und den alten Mann ſo fleckenlos und knapp heraus kleidete. Er machte mir ganz genau wieder den nehmlichen Eindruck wie im vergangenen Jahre, als ob er einer ganz anderen Beſchäftigung angehörte.
Da ich von dem Gewächshauſe gegen die Füt¬ terungstenne ging, begegnete mir Guſtav. Er lief mit einem Rufe auf mich zu, und grüßte mich.
Der Knabe hatte ſich in kurzer Zeit ſehr geändert. Er ſtand ſehr ſchön neben mir da, und gegen die rauhe Art der Natur, die noch kein Laub kein Gras keinen Stengel keine Blume getrieben hatte, ſondern der Jahreszeit gemäß nur die braunen Schollen die braunen Stämme und die nackten Zweige zeigte, war er noch ſchöner, wie ich oft beim Zeichnen bemerkt hatte, daß zum Beiſpiele Augen der Thiere in ſtrup¬ pigen Köpfen noch glänzender erſchienen, und daß
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0344"n="330"/><p>Ich ging zu den Gärtnerleuten. Mir kam es nicht<lb/>
vor, wie mein Gaſtfreund geſagt hatte, daß ſie ſich<lb/>
nicht verändert hätten. Der Mann ſchien mir noch<lb/>
weißer geworden zu ſein. Seine Haare unterſchieden<lb/>ſich nicht mehr von der Leinwand. Die Frau aber<lb/>
war unverändert. Sie mußte von einer ſehr reinlich¬<lb/>
keitliebenden Familie ſtammen, weil ſie das Häuschen<lb/>ſo nett hielt, und den alten Mann ſo fleckenlos und<lb/>
knapp heraus kleidete. Er machte mir ganz genau<lb/>
wieder den nehmlichen Eindruck wie im vergangenen<lb/>
Jahre, als ob er einer ganz anderen Beſchäftigung<lb/>
angehörte.</p><lb/><p>Da ich von dem Gewächshauſe gegen die Füt¬<lb/>
terungstenne ging, begegnete mir Guſtav. Er lief<lb/>
mit einem Rufe auf mich zu, und grüßte mich.</p><lb/><p>Der Knabe hatte ſich in kurzer Zeit ſehr geändert.<lb/>
Er ſtand ſehr ſchön neben mir da, und gegen die<lb/>
rauhe Art der Natur, die noch kein Laub kein Gras<lb/>
keinen Stengel keine Blume getrieben hatte, ſondern<lb/>
der Jahreszeit gemäß nur die braunen Schollen die<lb/>
braunen Stämme und die nackten Zweige zeigte, war<lb/>
er noch ſchöner, wie ich oft beim Zeichnen bemerkt<lb/>
hatte, daß zum Beiſpiele Augen der Thiere in ſtrup¬<lb/>
pigen Köpfen noch glänzender erſchienen, und daß<lb/></p></div></body></text></TEI>
[330/0344]
Ich ging zu den Gärtnerleuten. Mir kam es nicht
vor, wie mein Gaſtfreund geſagt hatte, daß ſie ſich
nicht verändert hätten. Der Mann ſchien mir noch
weißer geworden zu ſein. Seine Haare unterſchieden
ſich nicht mehr von der Leinwand. Die Frau aber
war unverändert. Sie mußte von einer ſehr reinlich¬
keitliebenden Familie ſtammen, weil ſie das Häuschen
ſo nett hielt, und den alten Mann ſo fleckenlos und
knapp heraus kleidete. Er machte mir ganz genau
wieder den nehmlichen Eindruck wie im vergangenen
Jahre, als ob er einer ganz anderen Beſchäftigung
angehörte.
Da ich von dem Gewächshauſe gegen die Füt¬
terungstenne ging, begegnete mir Guſtav. Er lief
mit einem Rufe auf mich zu, und grüßte mich.
Der Knabe hatte ſich in kurzer Zeit ſehr geändert.
Er ſtand ſehr ſchön neben mir da, und gegen die
rauhe Art der Natur, die noch kein Laub kein Gras
keinen Stengel keine Blume getrieben hatte, ſondern
der Jahreszeit gemäß nur die braunen Schollen die
braunen Stämme und die nackten Zweige zeigte, war
er noch ſchöner, wie ich oft beim Zeichnen bemerkt
hatte, daß zum Beiſpiele Augen der Thiere in ſtrup¬
pigen Köpfen noch glänzender erſchienen, und daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/344>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.