Westphälische Landgemeindeordnung. Schön und Rochow.
weis beizubringen, vor dem Könige als einen gemeinschädlichen Staats- diener. In den Berliner Regierungskreisen äußerte man schon: wenn Rochow nur einen Funken von Klugheit besäße, so müßte er diesen Gegner fordern.*) Beide Feinde zeigten sich gleich herrschsüchtig, beide gleich wenig wählerisch in den Mitteln: während Schön's liberale Gefolg- schaft den Minister in den Blättern der Opposition schmähte, ließ Rochow, wie die Ostpreußen bald erfuhren,**) in seinem Bureau gehässige Artikel gegen den Oberpräsidenten schmieden und wußte manche davon sogar in der Augsburger und der Leipziger Allgemeinen Zeitung unterzubringen.
Trotz dieses offenkundigen Skandales wünschte der beiden Gegnern gleich wohlgeneigte Monarch beide im Amte zu halten; denn im stolzen Gefühle seiner Selbstherrlichkeit legte er auf die Streitigkeiten seiner Diener gar keinen Werth. Auch glaubte er keineswegs, daß eine grundsätzliche Feindschaft die Beiden trennte. Hatte er doch als Kronprinz jahrelang mit Beiden friedlich in der landständischen Commission zusammen gearbeitet und von Rochow soeben noch Rathschläge für die Fortbildung der Ständeverfas- sung empfangen. Zwischen dem Könige und seinem alten ostpreußischen Freunde hatte sich nach und nach ein gefährliches gegenseitiges Mißverständ- niß gebildet, wie es nur zwischen so seltsamen Charakteren entstehen konnte. Da Schön Alle die nicht seines Sinnes waren als "Männer der finsteren Zeit" tief verachtete, so glaubte er wirklich, sein geliebter König würde nur durch die reaktionären Hofleute verhindert, die constitutionellen Pläne aus- zuführen, die er doch in solcher Weise gar nicht hegte. Friedrich Wilhelm seinerseits wähnte, "der Schön" lasse sich nur zuweilen "durch seinen jüdi- schen Freundepöbel" zu liberalen Aeußerungen verleiten, die in Wahrheit die Herzensgesinnung des Kantianers wiedergaben. Wieder und wieder sendete er dem Freunde herzliche Briefe und mahnte ihn zur Versöhnlichkeit: das Minimissimum, das ich zu fordern berechtigt bin, ist eine Explication mit Rochow, den Sie ungerecht beschuldigt haben; Ihnen fehlt die Liebe, die auch mit Gegnern für das Ganze zusammenwirkt.***) Gewandt eingehend auf diese ihm sonst wenig geläufige biblische Sprache erwiderte Schön: der Spruch "Und hätte ich die Liebe nicht" stehe mit Flammenschrift in seinem Herzen. Dem Minister aber wollte er seine Hand nicht bieten. Vergeblich hielt ihm sein Landsmann Boyen in einem gemüthlichen Schreiben vor: die Versöhnung mit Rochow sei zugleich die Versöhnung mit dem Monarchen, vergeblich versuchte des Königs vertrauter Adjutant, Oberst Below, einer der ersten Grundherren der Provinz, im Verein mit einigen anderen ostpreußischen Edelleuten den Erzürnten zu überreden.+)
*) Nach Kühne's Aufzeichnungen.
**) Brünneck an Thile, 7. März; Oberst v. Below an den König, 7. April 1841.
***) König Friedrich Wilhelm an Schön, 23. Febr. 1841.
+) Boyen an Schön, 25. April. Below's Bericht an den König, 24. März 1841.
Weſtphäliſche Landgemeindeordnung. Schön und Rochow.
weis beizubringen, vor dem Könige als einen gemeinſchädlichen Staats- diener. In den Berliner Regierungskreiſen äußerte man ſchon: wenn Rochow nur einen Funken von Klugheit beſäße, ſo müßte er dieſen Gegner fordern.*) Beide Feinde zeigten ſich gleich herrſchſüchtig, beide gleich wenig wähleriſch in den Mitteln: während Schön’s liberale Gefolg- ſchaft den Miniſter in den Blättern der Oppoſition ſchmähte, ließ Rochow, wie die Oſtpreußen bald erfuhren,**) in ſeinem Bureau gehäſſige Artikel gegen den Oberpräſidenten ſchmieden und wußte manche davon ſogar in der Augsburger und der Leipziger Allgemeinen Zeitung unterzubringen.
Trotz dieſes offenkundigen Skandales wünſchte der beiden Gegnern gleich wohlgeneigte Monarch beide im Amte zu halten; denn im ſtolzen Gefühle ſeiner Selbſtherrlichkeit legte er auf die Streitigkeiten ſeiner Diener gar keinen Werth. Auch glaubte er keineswegs, daß eine grundſätzliche Feindſchaft die Beiden trennte. Hatte er doch als Kronprinz jahrelang mit Beiden friedlich in der landſtändiſchen Commiſſion zuſammen gearbeitet und von Rochow ſoeben noch Rathſchläge für die Fortbildung der Ständeverfaſ- ſung empfangen. Zwiſchen dem Könige und ſeinem alten oſtpreußiſchen Freunde hatte ſich nach und nach ein gefährliches gegenſeitiges Mißverſtänd- niß gebildet, wie es nur zwiſchen ſo ſeltſamen Charakteren entſtehen konnte. Da Schön Alle die nicht ſeines Sinnes waren als „Männer der finſteren Zeit“ tief verachtete, ſo glaubte er wirklich, ſein geliebter König würde nur durch die reaktionären Hofleute verhindert, die conſtitutionellen Pläne aus- zuführen, die er doch in ſolcher Weiſe gar nicht hegte. Friedrich Wilhelm ſeinerſeits wähnte, „der Schön“ laſſe ſich nur zuweilen „durch ſeinen jüdi- ſchen Freundepöbel“ zu liberalen Aeußerungen verleiten, die in Wahrheit die Herzensgeſinnung des Kantianers wiedergaben. Wieder und wieder ſendete er dem Freunde herzliche Briefe und mahnte ihn zur Verſöhnlichkeit: das Minimiſſimum, das ich zu fordern berechtigt bin, iſt eine Explication mit Rochow, den Sie ungerecht beſchuldigt haben; Ihnen fehlt die Liebe, die auch mit Gegnern für das Ganze zuſammenwirkt.***) Gewandt eingehend auf dieſe ihm ſonſt wenig geläufige bibliſche Sprache erwiderte Schön: der Spruch „Und hätte ich die Liebe nicht“ ſtehe mit Flammenſchrift in ſeinem Herzen. Dem Miniſter aber wollte er ſeine Hand nicht bieten. Vergeblich hielt ihm ſein Landsmann Boyen in einem gemüthlichen Schreiben vor: die Verſöhnung mit Rochow ſei zugleich die Verſöhnung mit dem Monarchen, vergeblich verſuchte des Königs vertrauter Adjutant, Oberſt Below, einer der erſten Grundherren der Provinz, im Verein mit einigen anderen oſtpreußiſchen Edelleuten den Erzürnten zu überreden.†)
*) Nach Kühne’s Aufzeichnungen.
**) Brünneck an Thile, 7. März; Oberſt v. Below an den König, 7. April 1841.
***) König Friedrich Wilhelm an Schön, 23. Febr. 1841.
†) Boyen an Schön, 25. April. Below’s Bericht an den König, 24. März 1841.
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Weſtphäliſche Landgemeindeordnung. Schön und Rochow.
weis beizubringen, vor dem Könige als einen gemeinſchädlichen Staats-
diener. In den Berliner Regierungskreiſen äußerte man ſchon: wenn
Rochow nur einen Funken von Klugheit beſäße, ſo müßte er dieſen
Gegner fordern. *) Beide Feinde zeigten ſich gleich herrſchſüchtig, beide
gleich wenig wähleriſch in den Mitteln: während Schön’s liberale Gefolg-
ſchaft den Miniſter in den Blättern der Oppoſition ſchmähte, ließ Rochow,
wie die Oſtpreußen bald erfuhren, **) in ſeinem Bureau gehäſſige Artikel
gegen den Oberpräſidenten ſchmieden und wußte manche davon ſogar in
der Augsburger und der Leipziger Allgemeinen Zeitung unterzubringen.
Trotz dieſes offenkundigen Skandales wünſchte der beiden Gegnern
gleich wohlgeneigte Monarch beide im Amte zu halten; denn im ſtolzen
Gefühle ſeiner Selbſtherrlichkeit legte er auf die Streitigkeiten ſeiner Diener
gar keinen Werth. Auch glaubte er keineswegs, daß eine grundſätzliche
Feindſchaft die Beiden trennte. Hatte er doch als Kronprinz jahrelang mit
Beiden friedlich in der landſtändiſchen Commiſſion zuſammen gearbeitet und
von Rochow ſoeben noch Rathſchläge für die Fortbildung der Ständeverfaſ-
ſung empfangen. Zwiſchen dem Könige und ſeinem alten oſtpreußiſchen
Freunde hatte ſich nach und nach ein gefährliches gegenſeitiges Mißverſtänd-
niß gebildet, wie es nur zwiſchen ſo ſeltſamen Charakteren entſtehen konnte.
Da Schön Alle die nicht ſeines Sinnes waren als „Männer der finſteren
Zeit“ tief verachtete, ſo glaubte er wirklich, ſein geliebter König würde nur
durch die reaktionären Hofleute verhindert, die conſtitutionellen Pläne aus-
zuführen, die er doch in ſolcher Weiſe gar nicht hegte. Friedrich Wilhelm
ſeinerſeits wähnte, „der Schön“ laſſe ſich nur zuweilen „durch ſeinen jüdi-
ſchen Freundepöbel“ zu liberalen Aeußerungen verleiten, die in Wahrheit die
Herzensgeſinnung des Kantianers wiedergaben. Wieder und wieder ſendete
er dem Freunde herzliche Briefe und mahnte ihn zur Verſöhnlichkeit: das
Minimiſſimum, das ich zu fordern berechtigt bin, iſt eine Explication mit
Rochow, den Sie ungerecht beſchuldigt haben; Ihnen fehlt die Liebe, die
auch mit Gegnern für das Ganze zuſammenwirkt. ***) Gewandt eingehend
auf dieſe ihm ſonſt wenig geläufige bibliſche Sprache erwiderte Schön:
der Spruch „Und hätte ich die Liebe nicht“ ſtehe mit Flammenſchrift in
ſeinem Herzen. Dem Miniſter aber wollte er ſeine Hand nicht bieten.
Vergeblich hielt ihm ſein Landsmann Boyen in einem gemüthlichen Schreiben
vor: die Verſöhnung mit Rochow ſei zugleich die Verſöhnung mit dem
Monarchen, vergeblich verſuchte des Königs vertrauter Adjutant, Oberſt
Below, einer der erſten Grundherren der Provinz, im Verein mit einigen
anderen oſtpreußiſchen Edelleuten den Erzürnten zu überreden. †)
*) Nach Kühne’s Aufzeichnungen.
**) Brünneck an Thile, 7. März; Oberſt v. Below an den König, 7. April 1841.
***) König Friedrich Wilhelm an Schön, 23. Febr. 1841.
†) Boyen an Schön, 25. April. Below’s Bericht an den König, 24. März 1841.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/173>, abgerufen am 23.11.2024.
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