kann dieses gerade heraussagen, denn was geht es mich an, ich habe mich nicht gemacht. Es wäre eben so, wenn ich mich mit Shakespeare verglei¬ chen wollte, der sich auch nicht gemacht hat, und der doch ein Wesen höherer Art ist, zu dem ich hin¬ aufblicke und das ich zu verehren habe." Wo ist wohl noch ein solches Wort gesprochen worden, in welchem Hoheit und Demuth so herrlich und fromm verbunden sind?--
2.
Einem harten schroffen Satz über Uhland, in Goethe's Briefen an Zelter, stellen sich hier mildere, anerken¬ nende und hochschätzende Aeußerungen zur Seite. Wir sehen, daß Goethe den edlen schwäbischen Dichter voll¬ kommen gelten läßt, aber auch die Seite nicht ver¬ schweigt, von der seinem Talente Gefahr drohte, und seit einiger Zeit wirklich eingetreten ist. Auffallend ist in Uhland die seit sechzehn Jahren stockende Produk¬ tivität, und zu diesem Stocken findet sich der Grund theils in seinem eignen Naturell, theils in den Lebens¬ umständen, denen er sich unterwerfen wollte. Doch scheint auch in Goethe selber ein Hinderniß zu walten, das seiner Anerkennung Uhlands immer noch einigen Eintrag thut. Er, der Meister lyrischer Poesie, der zu zwanzig und zu achtzig Jahren in seinen Liedern -- wie Friedrich Schlegel sagt -- gleich vortrefflich ist,
kann dieſes gerade herausſagen, denn was geht es mich an, ich habe mich nicht gemacht. Es waͤre eben ſo, wenn ich mich mit Shakeſpeare verglei¬ chen wollte, der ſich auch nicht gemacht hat, und der doch ein Weſen hoͤherer Art iſt, zu dem ich hin¬ aufblicke und das ich zu verehren habe.“ Wo iſt wohl noch ein ſolches Wort geſprochen worden, in welchem Hoheit und Demuth ſo herrlich und fromm verbunden ſind?—
2.
Einem harten ſchroffen Satz uͤber Uhland, in Goethe's Briefen an Zelter, ſtellen ſich hier mildere, anerken¬ nende und hochſchaͤtzende Aeußerungen zur Seite. Wir ſehen, daß Goethe den edlen ſchwaͤbiſchen Dichter voll¬ kommen gelten laͤßt, aber auch die Seite nicht ver¬ ſchweigt, von der ſeinem Talente Gefahr drohte, und ſeit einiger Zeit wirklich eingetreten iſt. Auffallend iſt in Uhland die ſeit ſechzehn Jahren ſtockende Produk¬ tivitaͤt, und zu dieſem Stocken findet ſich der Grund theils in ſeinem eignen Naturell, theils in den Lebens¬ umſtaͤnden, denen er ſich unterwerfen wollte. Doch ſcheint auch in Goethe ſelber ein Hinderniß zu walten, das ſeiner Anerkennung Uhlands immer noch einigen Eintrag thut. Er, der Meiſter lyriſcher Poeſie, der zu zwanzig und zu achtzig Jahren in ſeinen Liedern — wie Friedrich Schlegel ſagt — gleich vortrefflich iſt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0491"n="477"/>
kann dieſes gerade herausſagen</hi>, <hirendition="#g">denn was geht<lb/>
es mich an</hi>, <hirendition="#g">ich habe mich nicht gemacht</hi>. Es<lb/>
waͤre eben ſo, wenn ich mich mit Shakeſpeare verglei¬<lb/>
chen wollte, der ſich auch nicht gemacht hat, <hirendition="#g">und der<lb/>
doch ein Weſen hoͤherer Art iſt</hi>, <hirendition="#g">zu dem ich hin¬<lb/>
aufblicke und das ich zu verehren habe</hi>.“ Wo<lb/>
iſt wohl noch ein ſolches Wort geſprochen worden, in<lb/>
welchem Hoheit und Demuth ſo herrlich und fromm<lb/>
verbunden ſind?—</p><lb/></div><divn="3"><head><hirendition="#b">2.</hi><lb/></head><p>Einem harten ſchroffen Satz uͤber Uhland, in Goethe's<lb/>
Briefen an Zelter, ſtellen ſich hier mildere, anerken¬<lb/>
nende und hochſchaͤtzende Aeußerungen zur Seite. Wir<lb/>ſehen, daß Goethe den edlen ſchwaͤbiſchen Dichter voll¬<lb/>
kommen gelten laͤßt, aber auch die Seite nicht ver¬<lb/>ſchweigt, von der ſeinem Talente Gefahr drohte, und<lb/>ſeit einiger Zeit wirklich eingetreten iſt. Auffallend iſt<lb/>
in Uhland die ſeit ſechzehn Jahren ſtockende Produk¬<lb/>
tivitaͤt, und zu dieſem Stocken findet ſich der Grund<lb/>
theils in ſeinem eignen Naturell, theils in den Lebens¬<lb/>
umſtaͤnden, denen er ſich unterwerfen wollte. Doch<lb/>ſcheint auch in Goethe ſelber ein Hinderniß zu walten,<lb/>
das ſeiner Anerkennung Uhlands immer noch einigen<lb/>
Eintrag thut. Er, der Meiſter lyriſcher Poeſie, der zu<lb/>
zwanzig und zu achtzig Jahren in ſeinen Liedern —<lb/>
wie Friedrich Schlegel ſagt — gleich vortrefflich iſt,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[477/0491]
kann dieſes gerade herausſagen, denn was geht
es mich an, ich habe mich nicht gemacht. Es
waͤre eben ſo, wenn ich mich mit Shakeſpeare verglei¬
chen wollte, der ſich auch nicht gemacht hat, und der
doch ein Weſen hoͤherer Art iſt, zu dem ich hin¬
aufblicke und das ich zu verehren habe.“ Wo
iſt wohl noch ein ſolches Wort geſprochen worden, in
welchem Hoheit und Demuth ſo herrlich und fromm
verbunden ſind?—
2.
Einem harten ſchroffen Satz uͤber Uhland, in Goethe's
Briefen an Zelter, ſtellen ſich hier mildere, anerken¬
nende und hochſchaͤtzende Aeußerungen zur Seite. Wir
ſehen, daß Goethe den edlen ſchwaͤbiſchen Dichter voll¬
kommen gelten laͤßt, aber auch die Seite nicht ver¬
ſchweigt, von der ſeinem Talente Gefahr drohte, und
ſeit einiger Zeit wirklich eingetreten iſt. Auffallend iſt
in Uhland die ſeit ſechzehn Jahren ſtockende Produk¬
tivitaͤt, und zu dieſem Stocken findet ſich der Grund
theils in ſeinem eignen Naturell, theils in den Lebens¬
umſtaͤnden, denen er ſich unterwerfen wollte. Doch
ſcheint auch in Goethe ſelber ein Hinderniß zu walten,
das ſeiner Anerkennung Uhlands immer noch einigen
Eintrag thut. Er, der Meiſter lyriſcher Poeſie, der zu
zwanzig und zu achtzig Jahren in ſeinen Liedern —
wie Friedrich Schlegel ſagt — gleich vortrefflich iſt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/491>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.