uns befinden, denke!! Sie müßten mich für rasend halten; oder ich müßte sie vergehen sehn, als sich selbst verdammendes Unding. Drum bleibt mir schweigen, schonen, ärgern, meiden, betrachten, zerstreuen, gebrauchen, ungeschickt wüthig sein, und noch obenein mich mit großer Geläufigkeit tadeln zu lassen, von ordentlichen Thieren! Dir konnt' ich die Wahrheit sagen: Einmal war es möglich; und daraus entstand unsere Freund- schaft. -- Freundschaft, welch ein Wort! --
An M. Th. Robert, in Berlin.
Prag, Montag Abend den 21. März 1814.
Hier ist ein Brief von Ludwig Robert, den ich diesen Mit- tag erhielt -- wahrscheinlich war er schon vorgestern hier -- ich will ihn nicht allein zu euch gehen lassen, damit ihr nichts denkt. Sonst hätte ich wohl noch nicht geschrieben; da ihr so lange nicht antwortet, und vielleicht die heftige Korrespondenz nicht mögt. Jedoch konnt' ich auch nicht: denn in dem Zu- stand von Genesung, in welchem ich nur wenige Stunden des Tages aufzubleiben vermochte, befiel mich ein Schnupfen sol- cher Art, daß ich jeden Gebrauch der Mittel unterlassen mußte, zehn Tage zu Bette bleiben, bei ganz verhängten Fenstern, und katarrhalischem Fieber und Schwitzmittlen, gräßlichen Nervenattaken, und sieben, sieben! Migrainen, von welchen man allein krank bleiben kann. Das linke Auge war davon äußerlich roth und geschwollen! Einen Tag mußt' ich mir's mit der Hand von 5 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens hal-
uns befinden, denke!! Sie müßten mich für raſend halten; oder ich müßte ſie vergehen ſehn, als ſich ſelbſt verdammendes Unding. Drum bleibt mir ſchweigen, ſchonen, ärgern, meiden, betrachten, zerſtreuen, gebrauchen, ungeſchickt wüthig ſein, und noch obenein mich mit großer Geläufigkeit tadeln zu laſſen, von ordentlichen Thieren! Dir konnt’ ich die Wahrheit ſagen: Einmal war es möglich; und daraus entſtand unſere Freund- ſchaft. — Freundſchaft, welch ein Wort! —
An M. Th. Robert, in Berlin.
Prag, Montag Abend den 21. März 1814.
Hier iſt ein Brief von Ludwig Robert, den ich dieſen Mit- tag erhielt — wahrſcheinlich war er ſchon vorgeſtern hier — ich will ihn nicht allein zu euch gehen laſſen, damit ihr nichts denkt. Sonſt hätte ich wohl noch nicht geſchrieben; da ihr ſo lange nicht antwortet, und vielleicht die heftige Korreſpondenz nicht mögt. Jedoch konnt’ ich auch nicht: denn in dem Zu- ſtand von Geneſung, in welchem ich nur wenige Stunden des Tages aufzubleiben vermochte, befiel mich ein Schnupfen ſol- cher Art, daß ich jeden Gebrauch der Mittel unterlaſſen mußte, zehn Tage zu Bette bleiben, bei ganz verhängten Fenſtern, und katarrhaliſchem Fieber und Schwitzmittlen, gräßlichen Nervenattaken, und ſieben, ſieben! Migrainen, von welchen man allein krank bleiben kann. Das linke Auge war davon äußerlich roth und geſchwollen! Einen Tag mußt’ ich mir’s mit der Hand von 5 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens hal-
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uns befinden, denke!! Sie müßten mich für raſend halten;
oder ich müßte ſie vergehen ſehn, als ſich ſelbſt verdammendes
Unding. Drum bleibt mir ſchweigen, ſchonen, ärgern, meiden,
betrachten, zerſtreuen, gebrauchen, ungeſchickt wüthig ſein, und
noch obenein mich mit großer Geläufigkeit tadeln zu laſſen,
von ordentlichen Thieren! Dir konnt’ ich die Wahrheit ſagen:
Einmal war es möglich; und daraus entſtand unſere Freund-
ſchaft. — Freundſchaft, welch ein Wort! —
An M. Th. Robert, in Berlin.
Prag, Montag Abend den 21. März 1814.
Hier iſt ein Brief von Ludwig Robert, den ich dieſen Mit-
tag erhielt — wahrſcheinlich war er ſchon vorgeſtern hier —
ich will ihn nicht allein zu euch gehen laſſen, damit ihr nichts
denkt. Sonſt hätte ich wohl noch nicht geſchrieben; da ihr ſo
lange nicht antwortet, und vielleicht die heftige Korreſpondenz
nicht mögt. Jedoch konnt’ ich auch nicht: denn in dem Zu-
ſtand von Geneſung, in welchem ich nur wenige Stunden des
Tages aufzubleiben vermochte, befiel mich ein Schnupfen ſol-
cher Art, daß ich jeden Gebrauch der Mittel unterlaſſen mußte,
zehn Tage zu Bette bleiben, bei ganz verhängten Fenſtern,
und katarrhaliſchem Fieber und Schwitzmittlen, gräßlichen
Nervenattaken, und ſieben, ſieben! Migrainen, von welchen
man allein krank bleiben kann. Das linke Auge war davon
äußerlich roth und geſchwollen! Einen Tag mußt’ ich mir’s
mit der Hand von 5 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens hal-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/190>, abgerufen am 23.11.2024.
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