ben; wo die Seele spazieren gehen soll, und nicht auf ausge- fahrner staubiger Heerstraße eine zweck- und besonders absichts- volle Reise zu betreiben hat. Auf frischen, kleinen, abstrakten Wegen wollen wir gehen, die wir selbst noch nicht kannten: und auch auf diesen noch dem Wolkenspiele folgen, den Licht- zauber genießen, und auch dem Dunkel, wenn es reizt, nach- ziehen! Heute aber kann ich unmöglich auch nur flüchtig der Fülle Ihres Briefes antworten! Sehen Sie! Nach Ihrer eigenen Beschreibung der Deutschen, warum mir mitten in Deutschland die Franzosen so reizend sein müssen? Mir, die Sie ganz in Ihrem Gemählde dieser Nation gekonterfeit ha- ben? Ich finde mich außerordentlich getroffen! Adieu. Ant- wort auf alles, künftig! --
Wir bleiben noch ungefähr acht Tage hier, gehen einen Augenblick den Münster zu sehen nach Straßburg. Dann be- komme ich einen Brief von Ihnen und Ihrer Mutter; die bleibt wohl noch in Frankfurt. Dann gehe ich auf sehr we- nige Tage nach Karlsruhe, und komme gleich nach Frankfurt. Weil ich glaube, von unserm hiesigen Aufenthalt wird doch nichts. Leben Sie wohl! ich bin in Eil. Sagen Sie Ihrer Frau Mutter alles von mir! Ich bin ihr sehr ergeben, und außerordentlich zugethan!
Rahel.
Un mot sur madame de Humboldt! comment vous la trou- vez, vous! adieu, adieu! Mille compliments de la part de V.
ben; wo die Seele ſpazieren gehen ſoll, und nicht auf ausge- fahrner ſtaubiger Heerſtraße eine zweck- und beſonders abſichts- volle Reiſe zu betreiben hat. Auf friſchen, kleinen, abſtrakten Wegen wollen wir gehen, die wir ſelbſt noch nicht kannten: und auch auf dieſen noch dem Wolkenſpiele folgen, den Licht- zauber genießen, und auch dem Dunkel, wenn es reizt, nach- ziehen! Heute aber kann ich unmöglich auch nur flüchtig der Fülle Ihres Briefes antworten! Sehen Sie! Nach Ihrer eigenen Beſchreibung der Deutſchen, warum mir mitten in Deutſchland die Franzoſen ſo reizend ſein müſſen? Mir, die Sie ganz in Ihrem Gemählde dieſer Nation gekonterfeit ha- ben? Ich finde mich außerordentlich getroffen! Adieu. Ant- wort auf alles, künftig! —
Wir bleiben noch ungefähr acht Tage hier, gehen einen Augenblick den Münſter zu ſehen nach Straßburg. Dann be- komme ich einen Brief von Ihnen und Ihrer Mutter; die bleibt wohl noch in Frankfurt. Dann gehe ich auf ſehr we- nige Tage nach Karlsruhe, und komme gleich nach Frankfurt. Weil ich glaube, von unſerm hieſigen Aufenthalt wird doch nichts. Leben Sie wohl! ich bin in Eil. Sagen Sie Ihrer Frau Mutter alles von mir! Ich bin ihr ſehr ergeben, und außerordentlich zugethan!
Rahel.
Un mot sur madame de Humboldt! comment vous la trou- vez, vous! adieu, adieu! Mille compliments de la part de V.
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ben; wo die Seele ſpazieren gehen ſoll, und nicht auf ausge-
fahrner ſtaubiger Heerſtraße eine zweck- und beſonders abſichts-
volle Reiſe zu betreiben hat. Auf friſchen, kleinen, abſtrakten
Wegen wollen wir gehen, die wir ſelbſt noch nicht kannten:
und auch auf dieſen noch dem Wolkenſpiele folgen, den Licht-
zauber genießen, und auch dem Dunkel, wenn es reizt, nach-
ziehen! Heute aber kann ich unmöglich auch nur flüchtig der
Fülle Ihres Briefes antworten! Sehen Sie! Nach Ihrer
eigenen Beſchreibung der Deutſchen, warum mir mitten in
Deutſchland die Franzoſen ſo reizend ſein müſſen? Mir, die
Sie ganz in Ihrem Gemählde dieſer Nation gekonterfeit ha-
ben? Ich finde mich außerordentlich getroffen! Adieu. Ant-
wort auf alles, künftig! —
Wir bleiben noch ungefähr acht Tage hier, gehen einen
Augenblick den Münſter zu ſehen nach Straßburg. Dann be-
komme ich einen Brief von Ihnen und Ihrer Mutter; die
bleibt wohl noch in Frankfurt. Dann gehe ich auf ſehr we-
nige Tage nach Karlsruhe, und komme gleich nach Frankfurt.
Weil ich glaube, von unſerm hieſigen Aufenthalt wird doch
nichts. Leben Sie wohl! ich bin in Eil. Sagen Sie Ihrer
Frau Mutter alles von mir! Ich bin ihr ſehr ergeben, und
außerordentlich zugethan!
Rahel.
Un mot sur madame de Humboldt! comment vous la trou-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/423>, abgerufen am 29.11.2024.
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