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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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Herzensgegenständen einen Schritt zurück und aus sich her-
austreten muß, um sie deutlich zu sehen; heißt hier empfin-
den: so sehe ich von hier aus erst von neuem und im Gan-
zen die Lage ein, in welche mein Verhältniß zu dir mich setzt.
Bei Allen ist es wohl so; aber du kennst mich: mein namen-
loses Freiheitsstreben! Jede Nähe -- mit allen Gegenstän-
den -- scheint wenigstens zu beengen; und so muß ich
meine Lage manchmal von ferne beschauen, um sie von
neuem mit dir an's Herz zu drücken! Du kennst mich: ich
bin dir kein Geheimniß; und die Bedingung, das Element
des Glücks in dem Verhältniß zu dir, ist, daß ich dir keins
zu sein brauche: daß ich mich eigentlich vor dir gar nicht
scheue, den freiesten Beurtheiler an dir habe. -- Auch ich sah
mir unterwegs die Augen blind nach Mannheim hin, welches
ich lange im Abendschein sah, von Heidelberg aus: und fuhr
auch dicht vor dem Weg vorbei, den wir miteinander von
Mannheim nach Heidelberg gekommen waren, dicht vor seinem
Thor. Kutscher, Bedienter, Dore, Alle sahen und zeigten
Stunden lang mit! Lieber Liebhaber, Gott segne die Kour,
daß es keine Ehe werde! dumme Geliebte sprechen umgekehrt.
Dies soll Tettenborn lesen, weil er's goutirt. Wie es da steht
mit seinen Augen. --

-- Heute gehen Custine's bis Heidelberg, wo sie morgen
die Bilder sehen; sie wollen über Karlsruhe und Straßburg
nach Paris. -- Gestern Mittag speiste ich zuletzt bei Hum-
boldts mit ihnen; wo Humboldt sich eine ganz neue Haut
von wahrhafter Liebenswürdigkeit angezogen hatte. Gestern
erreichte es nur seine Höhe, denn eine ganze Weile finde ich

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Herzensgegenſtänden einen Schritt zurück und aus ſich her-
austreten muß, um ſie deutlich zu ſehen; heißt hier empfin-
den: ſo ſehe ich von hier aus erſt von neuem und im Gan-
zen die Lage ein, in welche mein Verhältniß zu dir mich ſetzt.
Bei Allen iſt es wohl ſo; aber du kennſt mich: mein namen-
loſes Freiheitsſtreben! Jede Nähe — mit allen Gegenſtän-
den — ſcheint wenigſtens zu beengen; und ſo muß ich
meine Lage manchmal von ferne beſchauen, um ſie von
neuem mit dir an’s Herz zu drücken! Du kennſt mich: ich
bin dir kein Geheimniß; und die Bedingung, das Element
des Glücks in dem Verhältniß zu dir, iſt, daß ich dir keins
zu ſein brauche: daß ich mich eigentlich vor dir gar nicht
ſcheue, den freieſten Beurtheiler an dir habe. — Auch ich ſah
mir unterwegs die Augen blind nach Mannheim hin, welches
ich lange im Abendſchein ſah, von Heidelberg aus: und fuhr
auch dicht vor dem Weg vorbei, den wir miteinander von
Mannheim nach Heidelberg gekommen waren, dicht vor ſeinem
Thor. Kutſcher, Bedienter, Dore, Alle ſahen und zeigten
Stunden lang mit! Lieber Liebhaber, Gott ſegne die Kour,
daß es keine Ehe werde! dumme Geliebte ſprechen umgekehrt.
Dies ſoll Tettenborn leſen, weil er’s goutirt. Wie es da ſteht
mit ſeinen Augen. —

— Heute gehen Cuſtine’s bis Heidelberg, wo ſie morgen
die Bilder ſehen; ſie wollen über Karlsruhe und Straßburg
nach Paris. — Geſtern Mittag ſpeiſte ich zuletzt bei Hum-
boldts mit ihnen; wo Humboldt ſich eine ganz neue Haut
von wahrhafter Liebenswürdigkeit angezogen hatte. Geſtern
erreichte es nur ſeine Höhe, denn eine ganze Weile finde ich

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[419/0427] Herzensgegenſtänden einen Schritt zurück und aus ſich her- austreten muß, um ſie deutlich zu ſehen; heißt hier empfin- den: ſo ſehe ich von hier aus erſt von neuem und im Gan- zen die Lage ein, in welche mein Verhältniß zu dir mich ſetzt. Bei Allen iſt es wohl ſo; aber du kennſt mich: mein namen- loſes Freiheitsſtreben! Jede Nähe — mit allen Gegenſtän- den — ſcheint wenigſtens zu beengen; und ſo muß ich meine Lage manchmal von ferne beſchauen, um ſie von neuem mit dir an’s Herz zu drücken! Du kennſt mich: ich bin dir kein Geheimniß; und die Bedingung, das Element des Glücks in dem Verhältniß zu dir, iſt, daß ich dir keins zu ſein brauche: daß ich mich eigentlich vor dir gar nicht ſcheue, den freieſten Beurtheiler an dir habe. — Auch ich ſah mir unterwegs die Augen blind nach Mannheim hin, welches ich lange im Abendſchein ſah, von Heidelberg aus: und fuhr auch dicht vor dem Weg vorbei, den wir miteinander von Mannheim nach Heidelberg gekommen waren, dicht vor ſeinem Thor. Kutſcher, Bedienter, Dore, Alle ſahen und zeigten Stunden lang mit! Lieber Liebhaber, Gott ſegne die Kour, daß es keine Ehe werde! dumme Geliebte ſprechen umgekehrt. Dies ſoll Tettenborn leſen, weil er’s goutirt. Wie es da ſteht mit ſeinen Augen. — — Heute gehen Cuſtine’s bis Heidelberg, wo ſie morgen die Bilder ſehen; ſie wollen über Karlsruhe und Straßburg nach Paris. — Geſtern Mittag ſpeiſte ich zuletzt bei Hum- boldts mit ihnen; wo Humboldt ſich eine ganz neue Haut von wahrhafter Liebenswürdigkeit angezogen hatte. Geſtern erreichte es nur ſeine Höhe, denn eine ganze Weile finde ich 27 *

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/427>, abgerufen am 29.11.2024.