Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Vierundzwanzigster Gesang. Wuschen den schönen Leib mit lauem Waßer, und legtenIhn mit Balsam gesalbt auf prächtige Betten; und ringsum 45 Weinten und jammerten laut die Achaier, und schoren ihr Haupthaar. Auch die Mutter entstieg mit den heiligen Nümfen dem Meere, Als sie die Botschaft vernahm; von lautwehklagenden Stimmen Hallte die Flut: und Entsezen ergriff das Heer der Achaier. Zitternd wären sie schnell zu den hohlen Schiffen geflohen; 50 Aber es hielt sie der Mann von alter und großer Erfahrung, Nestor, deßen Rath wir auch ehmals immer bewundert; Dieser erhub im Heere die Stimme der Weisheit, und sagte: Haltet ein, Argeier, und flieht nicht, Söhne Achaia's! Also sprach er, und hemmte die Flucht der edlen Achaier. Vierundzwanzigſter Geſang. Wuſchen den ſchoͤnen Leib mit lauem Waßer, und legtenIhn mit Balſam geſalbt auf praͤchtige Betten; und ringsum 45 Weinten und jammerten laut die Achaier, und ſchoren ihr Haupthaar. Auch die Mutter entſtieg mit den heiligen Nuͤmfen dem Meere, Als ſie die Botſchaft vernahm; von lautwehklagenden Stimmen Hallte die Flut: und Entſezen ergriff das Heer der Achaier. Zitternd waͤren ſie ſchnell zu den hohlen Schiffen geflohen; 50 Aber es hielt ſie der Mann von alter und großer Erfahrung, Neſtor, deßen Rath wir auch ehmals immer bewundert; Dieſer erhub im Heere die Stimme der Weisheit, und ſagte: Haltet ein, Argeier, und flieht nicht, Soͤhne Achaia's! Alſo ſprach er, und hemmte die Flucht der edlen Achaier. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0457" n="451"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vierundzwanzigſter Geſang.</hi></fw><lb/> Wuſchen den ſchoͤnen Leib mit lauem Waßer, und legten<lb/> Ihn mit Balſam geſalbt auf praͤchtige Betten; und ringsum <note place="right">45</note><lb/> Weinten und jammerten laut die Achaier, und ſchoren ihr Haupthaar.<lb/> Auch die Mutter entſtieg mit den heiligen Nuͤmfen dem Meere,<lb/> Als ſie die Botſchaft vernahm; von lautwehklagenden Stimmen<lb/> Hallte die Flut: und Entſezen ergriff das Heer der Achaier.<lb/> Zitternd waͤren ſie ſchnell zu den hohlen Schiffen geflohen; <note place="right">50</note><lb/> Aber es hielt ſie der Mann von alter und großer Erfahrung,<lb/> Neſtor, deßen Rath wir auch ehmals immer bewundert;<lb/> Dieſer erhub im Heere die Stimme der Weisheit, und ſagte:</p><lb/> <p>Haltet ein, Argeier, und flieht nicht, Soͤhne Achaia's!<lb/> Dies iſt ſeine Mutter mit ihren unſterblichen Nuͤmfen, <note place="right">55</note><lb/> Welche dem Meer' entſteigt, den todten Sohn zu bejammern!</p><lb/> <p>Alſo ſprach er, und hemmte die Flucht der edlen Achaier.<lb/> Lautwehklagend ſtanden um dich des alternden Meergotts<lb/> Toͤchter, und kleideten dich mit ambroſiaduftenden Kleidern.<lb/> Gegen einander ſangen mit ſchoͤner Stimme die Muſen <note place="right">60</note><lb/> Alle neun, und weinten: da ſahe man keinen Argeier<lb/> Thraͤnenlos; ſo ruͤhrten der Goͤttinnen helle Geſaͤnge<lb/> Siebzehn Tag' und Naͤchte beweinten wir unaufhoͤrlich<lb/> Deinen Tod, der Unſterblichen Chor und die ſterblichen Menſchen.<lb/> Am achzehnten verbrannten wir dich, und ſchlachteten ringsum <note place="right">65</note><lb/> Viele gemaͤſtete Schaf' und krummgehoͤrnete Rinder.<lb/> Aber du lagſt umhuͤllt mit Goͤttergewanden, und um dich<lb/> Standen Gefaͤße mit Oel und ſuͤßem Honig; und viele<lb/> Helden Achaia's rannten geruͤſtet, zu Fuß und zu Wagen,<lb/> Rings um das lodernde Feuer; es ſtieg ein lautes Getoͤſ' auf. <note place="right">70</note><lb/> Als dich Haͤfaiſtos Flamme verzehrt; da goßen wir Morgens<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [451/0457]
Vierundzwanzigſter Geſang.
Wuſchen den ſchoͤnen Leib mit lauem Waßer, und legten
Ihn mit Balſam geſalbt auf praͤchtige Betten; und ringsum
Weinten und jammerten laut die Achaier, und ſchoren ihr Haupthaar.
Auch die Mutter entſtieg mit den heiligen Nuͤmfen dem Meere,
Als ſie die Botſchaft vernahm; von lautwehklagenden Stimmen
Hallte die Flut: und Entſezen ergriff das Heer der Achaier.
Zitternd waͤren ſie ſchnell zu den hohlen Schiffen geflohen;
Aber es hielt ſie der Mann von alter und großer Erfahrung,
Neſtor, deßen Rath wir auch ehmals immer bewundert;
Dieſer erhub im Heere die Stimme der Weisheit, und ſagte:
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Haltet ein, Argeier, und flieht nicht, Soͤhne Achaia's!
Dies iſt ſeine Mutter mit ihren unſterblichen Nuͤmfen,
Welche dem Meer' entſteigt, den todten Sohn zu bejammern!
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Alſo ſprach er, und hemmte die Flucht der edlen Achaier.
Lautwehklagend ſtanden um dich des alternden Meergotts
Toͤchter, und kleideten dich mit ambroſiaduftenden Kleidern.
Gegen einander ſangen mit ſchoͤner Stimme die Muſen
Alle neun, und weinten: da ſahe man keinen Argeier
Thraͤnenlos; ſo ruͤhrten der Goͤttinnen helle Geſaͤnge
Siebzehn Tag' und Naͤchte beweinten wir unaufhoͤrlich
Deinen Tod, der Unſterblichen Chor und die ſterblichen Menſchen.
Am achzehnten verbrannten wir dich, und ſchlachteten ringsum
Viele gemaͤſtete Schaf' und krummgehoͤrnete Rinder.
Aber du lagſt umhuͤllt mit Goͤttergewanden, und um dich
Standen Gefaͤße mit Oel und ſuͤßem Honig; und viele
Helden Achaia's rannten geruͤſtet, zu Fuß und zu Wagen,
Rings um das lodernde Feuer; es ſtieg ein lautes Getoͤſ' auf.
Als dich Haͤfaiſtos Flamme verzehrt; da goßen wir Morgens
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