Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Vierundzwanzigster Gesang. Gingen dann in die prächtige Stadt: der edle OdüßeusWar der lezte, sein Sohn Tälemachos kam zuerst an. Aber der Sauhirt führte den schlechtgekleideten König, 155 Der, wie ein alter Mann und mühbeladener Bettler, Wankend am Stabe schlich, mit häßlichen Lumpen bekleidet. Keiner konnte von uns den plötzlich erscheinenden Fremdling Für Odüßeus erkennen, auch selbst von den Aeltesten keiner; Sondern alle verspotteten wir und warfen den Fremdling. 160 Und Odüßeus ertrug zuerst in seinem Palaste Unsre kränkenden Reden und Würfe mit duldender Seele. Aber als ihn der Geist des Donnergottes erweckte, Nahm er mit seinem Sohn aus dem Saale die zierliche Rüstung, Trug sie hinauf in den Söller, und schloß die Pforte mit Riegeln; 165 Ging dann hin, und befahl arglistig seiner Gemahlin, Uns den Bogen zu bringen und blinkende Eisen, zum Wettkampf Uns unglücklichen Freiern, und zum Beginne des Mordens. Aber es konnte von uns nicht Einer des mächtigen Bogens Senne spannen; zu sehr gebrach es allen an Stärke. 170 Doch wie der Sauhirt jezo den großen Bogen Odüßeus Brachte; da zürnten wir alle, und schalten mit drohenden Worten, Daß er den Bogen ihm nicht darreichte, was er auch sagte; Aber Tälemachos rief, und befahl ihm, weiter zu gehen. Und nun nahm er den Bogen, der herliche Dulder Odüßeus, 175 Spannt' ihn ohne Bemühn, und schnellte den Pfeil durch die Aexte; Sprang auf die Schwelle, die Pfeile dem Köcher entschüttend, und blickte Drohend umher, und schoß; und Antinoos stürzte zu Boden. Und nun flog auf die andern des scharf hinzielenden Königs Schreckliches Todesgeschoß; und Haufen sanken bei Haufen. 180 Vierundzwanzigſter Geſang. Gingen dann in die praͤchtige Stadt: der edle OduͤßeusWar der lezte, ſein Sohn Taͤlemachos kam zuerſt an. Aber der Sauhirt fuͤhrte den ſchlechtgekleideten Koͤnig, 155 Der, wie ein alter Mann und muͤhbeladener Bettler, Wankend am Stabe ſchlich, mit haͤßlichen Lumpen bekleidet. Keiner konnte von uns den ploͤtzlich erſcheinenden Fremdling Fuͤr Oduͤßeus erkennen, auch ſelbſt von den Aelteſten keiner; Sondern alle verſpotteten wir und warfen den Fremdling. 160 Und Oduͤßeus ertrug zuerſt in ſeinem Palaſte Unſre kraͤnkenden Reden und Wuͤrfe mit duldender Seele. Aber als ihn der Geiſt des Donnergottes erweckte, Nahm er mit ſeinem Sohn aus dem Saale die zierliche Ruͤſtung, Trug ſie hinauf in den Soͤller, und ſchloß die Pforte mit Riegeln; 165 Ging dann hin, und befahl argliſtig ſeiner Gemahlin, Uns den Bogen zu bringen und blinkende Eiſen, zum Wettkampf Uns ungluͤcklichen Freiern, und zum Beginne des Mordens. Aber es konnte von uns nicht Einer des maͤchtigen Bogens Senne ſpannen; zu ſehr gebrach es allen an Staͤrke. 170 Doch wie der Sauhirt jezo den großen Bogen Oduͤßeus Brachte; da zuͤrnten wir alle, und ſchalten mit drohenden Worten, Daß er den Bogen ihm nicht darreichte, was er auch ſagte; Aber Taͤlemachos rief, und befahl ihm, weiter zu gehen. Und nun nahm er den Bogen, der herliche Dulder Oduͤßeus, 175 Spannt' ihn ohne Bemuͤhn, und ſchnellte den Pfeil durch die Aexte; Sprang auf die Schwelle, die Pfeile dem Koͤcher entſchuͤttend, und blickte Drohend umher, und ſchoß; und Antinoos ſtuͤrzte zu Boden. Und nun flog auf die andern des ſcharf hinzielenden Koͤnigs Schreckliches Todesgeſchoß; und Haufen ſanken bei Haufen. 180 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0461" n="455"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vierundzwanzigſter Geſang.</hi></fw><lb/> Gingen dann in die praͤchtige Stadt: der edle Oduͤßeus<lb/> War der lezte, ſein Sohn Taͤlemachos kam zuerſt an.<lb/> Aber der Sauhirt fuͤhrte den ſchlechtgekleideten Koͤnig, <note place="right">155</note><lb/> Der, wie ein alter Mann und muͤhbeladener Bettler,<lb/> Wankend am Stabe ſchlich, mit haͤßlichen Lumpen bekleidet.<lb/> Keiner konnte von uns den ploͤtzlich erſcheinenden Fremdling<lb/> Fuͤr Oduͤßeus erkennen, auch ſelbſt von den Aelteſten keiner;<lb/> Sondern alle verſpotteten wir und warfen den Fremdling. <note place="right">160</note><lb/> Und Oduͤßeus ertrug zuerſt in ſeinem Palaſte<lb/> Unſre kraͤnkenden Reden und Wuͤrfe mit duldender Seele.<lb/> Aber als ihn der Geiſt des Donnergottes erweckte,<lb/> Nahm er mit ſeinem Sohn aus dem Saale die zierliche Ruͤſtung,<lb/> Trug ſie hinauf in den Soͤller, und ſchloß die Pforte mit Riegeln; <note place="right">165</note><lb/> Ging dann hin, und befahl argliſtig ſeiner Gemahlin,<lb/> Uns den Bogen zu bringen und blinkende Eiſen, zum Wettkampf<lb/> Uns ungluͤcklichen Freiern, und zum Beginne des Mordens.<lb/> Aber es konnte von uns nicht Einer des maͤchtigen Bogens<lb/> Senne ſpannen; zu ſehr gebrach es allen an Staͤrke. <note place="right">170</note><lb/> Doch wie der Sauhirt jezo den großen Bogen Oduͤßeus<lb/> Brachte; da zuͤrnten wir alle, und ſchalten mit drohenden Worten,<lb/> Daß er den Bogen ihm nicht darreichte, was er auch ſagte;<lb/> Aber Taͤlemachos rief, und befahl ihm, weiter zu gehen.<lb/> Und nun nahm er den Bogen, der herliche Dulder Oduͤßeus, <note place="right">175</note><lb/> Spannt' ihn ohne Bemuͤhn, und ſchnellte den Pfeil durch die Aexte;<lb/> Sprang auf die Schwelle, die Pfeile dem Koͤcher entſchuͤttend, und blickte<lb/> Drohend umher, und ſchoß; und Antinoos ſtuͤrzte zu Boden.<lb/> Und nun flog auf die andern des ſcharf hinzielenden Koͤnigs<lb/> Schreckliches Todesgeſchoß; und Haufen ſanken bei Haufen. <note place="right">180</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [455/0461]
Vierundzwanzigſter Geſang.
Gingen dann in die praͤchtige Stadt: der edle Oduͤßeus
War der lezte, ſein Sohn Taͤlemachos kam zuerſt an.
Aber der Sauhirt fuͤhrte den ſchlechtgekleideten Koͤnig,
Der, wie ein alter Mann und muͤhbeladener Bettler,
Wankend am Stabe ſchlich, mit haͤßlichen Lumpen bekleidet.
Keiner konnte von uns den ploͤtzlich erſcheinenden Fremdling
Fuͤr Oduͤßeus erkennen, auch ſelbſt von den Aelteſten keiner;
Sondern alle verſpotteten wir und warfen den Fremdling.
Und Oduͤßeus ertrug zuerſt in ſeinem Palaſte
Unſre kraͤnkenden Reden und Wuͤrfe mit duldender Seele.
Aber als ihn der Geiſt des Donnergottes erweckte,
Nahm er mit ſeinem Sohn aus dem Saale die zierliche Ruͤſtung,
Trug ſie hinauf in den Soͤller, und ſchloß die Pforte mit Riegeln;
Ging dann hin, und befahl argliſtig ſeiner Gemahlin,
Uns den Bogen zu bringen und blinkende Eiſen, zum Wettkampf
Uns ungluͤcklichen Freiern, und zum Beginne des Mordens.
Aber es konnte von uns nicht Einer des maͤchtigen Bogens
Senne ſpannen; zu ſehr gebrach es allen an Staͤrke.
Doch wie der Sauhirt jezo den großen Bogen Oduͤßeus
Brachte; da zuͤrnten wir alle, und ſchalten mit drohenden Worten,
Daß er den Bogen ihm nicht darreichte, was er auch ſagte;
Aber Taͤlemachos rief, und befahl ihm, weiter zu gehen.
Und nun nahm er den Bogen, der herliche Dulder Oduͤßeus,
Spannt' ihn ohne Bemuͤhn, und ſchnellte den Pfeil durch die Aexte;
Sprang auf die Schwelle, die Pfeile dem Koͤcher entſchuͤttend, und blickte
Drohend umher, und ſchoß; und Antinoos ſtuͤrzte zu Boden.
Und nun flog auf die andern des ſcharf hinzielenden Koͤnigs
Schreckliches Todesgeſchoß; und Haufen ſanken bei Haufen.
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