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Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.

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Begriffe (B), von da zum Centrum der Bewegungsbilder für
die Worte (M), und von hier wieder zum Klangbild-Centrum,
also die ganze Bahn A-B-M-A frei; ausserdem aber auch
sämmtliche Bahnen für das Schreiben: für das willkür-
liche, für das Dictat-Schreiben, und, wenn wir mit L. eine
directe Verbindung zwischen dem Schriftbild-Centrum und
demjenigen für die Schreibbewegungen der rechten Hand
(OE) annahmen, auch für das Schreiben nach Vorlage.

In dieser Richtung muss ich eine Lücke in meinen
Beobachtungen constatiren; doch möchte ich darauf hin-
weisen, dass dieselben sämmtlich älter sind als die Publi-
cation des Lichtheim'schen Schema's, welches allerdings
durch seine Uebersichtlichkeit mit besonderer Klarheit
die Postulate für die klinische Untersuchung präcisirt.
Uebrigens habe ich seiner Zeit die Untersuchung auf
etwaige Störungen im Schreiben nicht einfach ignorirt,
sondern ich habe es aus zwei Gründen unterlassen, darauf
hin zu prüfen. Einmal, weil ich aus den Aussagen ein-
zelner Kranken den Eindruck gewann, dass die von ihnen
spontan angegebene Erschwerung im Schreiben positiv
auf das erschwerte Lesen des von ihnen Geschriebenen
zurückzuführen sei, und ferner weil ich es in anderen
Fällen für kaum ausführbar hielt, zu unterscheiden, ob
eine vorübergehende Unfähigkeit, im Schreiben fortzu-
fahren, durch eine Störung des Schreibactes als solchen,
oder durch eine Störung der gleichzeitig dabei statt-
findenden Lesearbeit hervorgerufen werde. Ich bin bei
dieser Erwägung freilich von der Voraussetzung aus-
gegangen, dass eine eventuelle Störung im Schreiben bei
der Dyslexie denselben Character der verminderten Aus-
dauer tragen würde, wie dies beim Lesen der Fall ist.
Es wäre indessen ja nicht undenkbar, dass, falls über-
haupt eine Schreibestörung bei der Dyslexie vorkäme,
dieselbe unter dem Bilde der Paragraphie aufträte. Jeden-
falls werde ich nicht versäumen, gegebenen Falles, diesen

Begriffe (B), von da zum Centrum der Bewegungsbilder für
die Worte (M), und von hier wieder zum Klangbild-Centrum,
also die ganze Bahn A-B-M-A frei; ausserdem aber auch
sämmtliche Bahnen für das Schreiben: für das willkür-
liche, für das Dictat-Schreiben, und, wenn wir mit L. eine
directe Verbindung zwischen dem Schriftbild-Centrum und
demjenigen für die Schreibbewegungen der rechten Hand
(OE) annahmen, auch für das Schreiben nach Vorlage.

In dieser Richtung muss ich eine Lücke in meinen
Beobachtungen constatiren; doch möchte ich darauf hin-
weisen, dass dieselben sämmtlich älter sind als die Publi-
cation des Lichtheim’schen Schema’s, welches allerdings
durch seine Uebersichtlichkeit mit besonderer Klarheit
die Postulate für die klinische Untersuchung präcisirt.
Uebrigens habe ich seiner Zeit die Untersuchung auf
etwaige Störungen im Schreiben nicht einfach ignorirt,
sondern ich habe es aus zwei Gründen unterlassen, darauf
hin zu prüfen. Einmal, weil ich aus den Aussagen ein-
zelner Kranken den Eindruck gewann, dass die von ihnen
spontan angegebene Erschwerung im Schreiben positiv
auf das erschwerte Lesen des von ihnen Geschriebenen
zurückzuführen sei, und ferner weil ich es in anderen
Fällen für kaum ausführbar hielt, zu unterscheiden, ob
eine vorübergehende Unfähigkeit, im Schreiben fortzu-
fahren, durch eine Störung des Schreibactes als solchen,
oder durch eine Störung der gleichzeitig dabei statt-
findenden Lesearbeit hervorgerufen werde. Ich bin bei
dieser Erwägung freilich von der Voraussetzung aus-
gegangen, dass eine eventuelle Störung im Schreiben bei
der Dyslexie denselben Character der verminderten Aus-
dauer tragen würde, wie dies beim Lesen der Fall ist.
Es wäre indessen ja nicht undenkbar, dass, falls über-
haupt eine Schreibestörung bei der Dyslexie vorkäme,
dieselbe unter dem Bilde der Paragraphie aufträte. Jeden-
falls werde ich nicht versäumen, gegebenen Falles, diesen

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[38/0042] Begriffe (B), von da zum Centrum der Bewegungsbilder für die Worte (M), und von hier wieder zum Klangbild-Centrum, also die ganze Bahn A-B-M-A frei; ausserdem aber auch sämmtliche Bahnen für das Schreiben: für das willkür- liche, für das Dictat-Schreiben, und, wenn wir mit L. eine directe Verbindung zwischen dem Schriftbild-Centrum und demjenigen für die Schreibbewegungen der rechten Hand (OE) annahmen, auch für das Schreiben nach Vorlage. In dieser Richtung muss ich eine Lücke in meinen Beobachtungen constatiren; doch möchte ich darauf hin- weisen, dass dieselben sämmtlich älter sind als die Publi- cation des Lichtheim’schen Schema’s, welches allerdings durch seine Uebersichtlichkeit mit besonderer Klarheit die Postulate für die klinische Untersuchung präcisirt. Uebrigens habe ich seiner Zeit die Untersuchung auf etwaige Störungen im Schreiben nicht einfach ignorirt, sondern ich habe es aus zwei Gründen unterlassen, darauf hin zu prüfen. Einmal, weil ich aus den Aussagen ein- zelner Kranken den Eindruck gewann, dass die von ihnen spontan angegebene Erschwerung im Schreiben positiv auf das erschwerte Lesen des von ihnen Geschriebenen zurückzuführen sei, und ferner weil ich es in anderen Fällen für kaum ausführbar hielt, zu unterscheiden, ob eine vorübergehende Unfähigkeit, im Schreiben fortzu- fahren, durch eine Störung des Schreibactes als solchen, oder durch eine Störung der gleichzeitig dabei statt- findenden Lesearbeit hervorgerufen werde. Ich bin bei dieser Erwägung freilich von der Voraussetzung aus- gegangen, dass eine eventuelle Störung im Schreiben bei der Dyslexie denselben Character der verminderten Aus- dauer tragen würde, wie dies beim Lesen der Fall ist. Es wäre indessen ja nicht undenkbar, dass, falls über- haupt eine Schreibestörung bei der Dyslexie vorkäme, dieselbe unter dem Bilde der Paragraphie aufträte. Jeden- falls werde ich nicht versäumen, gegebenen Falles, diesen

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Zitationshilfe: Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/42>, abgerufen am 26.04.2024.