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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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ziemlichem Umfang eine Thatsache; denn die Klagen der privi-
legirten Aerzte über die sogenannte Pfuscherconcurrenz sind gar
gross. Indessen fehlt doch noch viel, dass alle entgegenstehenden
Inconsequenzen der alten Gesetzgebung dem neuen Princip der
Gewerbefreiheit eine vollere und würdigere Entfaltung verstatteten.
Die Apothekerei beruht noch immer auf vererbbarem Monopol
und auf Concession mit herkömmlicher und thatsächlich sehr
enger Begrenzung der Anzahl dieser Medicamentfabriken.

Der Hauptmangel aber, weswegen die an sich in dem gegen-
wärtigen Gesellschaftssystem durchaus heilsame Gewerbefreiheit
zunächst zu manchen Unzuträglichkeiten und zwar besonders für
die bisherigen Monopolisten führt, ist die Halbheit der Maass-
regel. Auf der einen Seite hat man die medicinische Thätigkeit
einigermaassen freigegeben, aber nur zu einer von vornherein
degradirten und daher schon deswegen nicht immer die besten
Elemente anmuthenden Ausübung. Auf der andern Seite hat
man die bisherige Monopolgruppe, welche jetzt nur noch halb-
privilegirt ist, in dem ungefügigen Gestell einer veralteten Bil-
dungs- und Verbildungszurüstung stecken lassen, ohne zu be-
denken, dass auf dem freien Markte des Lebens, wo zum Con-
currenzlauf doch wohl Beine von Fleisch und Blut gehören, das
hölzerne Stelzenwerk der gymnasialen, namentlich aber der univer-
sitären Dressur mit Altsprachlichkeit und Scholastik ein nicht blos
für die Hauptsache an sich hinderlicher, sondern auch viel zu
kostspieliger Apparat ist. Die vergeudete Zeit und der im Hirn
beengte Raum, wo etwas Besseres und Praktischeres hätte platz-
finden sollen, sowie die baaren Auslagen für brodlose, auf Geistes-
pedanterie auslaufende Künste, - das sind Hemmnisse, durch
welche die natürliche Gestaltung der Berufsausübung und ihre
freie ökonomische Anpassung an die Bedürfnisse der Gesellschaft
hintertrieben werden. Es giebt also nur ein einziges Mittel, die
Herstellung des gestörten Gleichgewichts herbeizuführen, und
dies besteht darin, aus dem Halben etwas Ganzes zu machen und
die Befähigungsbürgschaften, soweit deren die Gesellschaft über-
haupt noch in staatlicher Weise zu bedürfen glaubt, blos in der
öffentlichen Bezeugung der nach natürlichen Grundsätzen für den
praktischen Zweck erforderlichen Vorkenntnisse bestehen zu
lassen. Hienach hätte man die Art, wie Jemand zu seinem
Wissen und Können gelangt ist, nicht zu untersuchen, sondern
nur sein fertiges Wissen und Können an sich selbst zu prüfen

ziemlichem Umfang eine Thatsache; denn die Klagen der privi-
legirten Aerzte über die sogenannte Pfuscherconcurrenz sind gar
gross. Indessen fehlt doch noch viel, dass alle entgegenstehenden
Inconsequenzen der alten Gesetzgebung dem neuen Princip der
Gewerbefreiheit eine vollere und würdigere Entfaltung verstatteten.
Die Apothekerei beruht noch immer auf vererbbarem Monopol
und auf Concession mit herkömmlicher und thatsächlich sehr
enger Begrenzung der Anzahl dieser Medicamentfabriken.

Der Hauptmangel aber, weswegen die an sich in dem gegen-
wärtigen Gesellschaftssystem durchaus heilsame Gewerbefreiheit
zunächst zu manchen Unzuträglichkeiten und zwar besonders für
die bisherigen Monopolisten führt, ist die Halbheit der Maass-
regel. Auf der einen Seite hat man die medicinische Thätigkeit
einigermaassen freigegeben, aber nur zu einer von vornherein
degradirten und daher schon deswegen nicht immer die besten
Elemente anmuthenden Ausübung. Auf der andern Seite hat
man die bisherige Monopolgruppe, welche jetzt nur noch halb-
privilegirt ist, in dem ungefügigen Gestell einer veralteten Bil-
dungs- und Verbildungszurüstung stecken lassen, ohne zu be-
denken, dass auf dem freien Markte des Lebens, wo zum Con-
currenzlauf doch wohl Beine von Fleisch und Blut gehören, das
hölzerne Stelzenwerk der gymnasialen, namentlich aber der univer-
sitären Dressur mit Altsprachlichkeit und Scholastik ein nicht blos
für die Hauptsache an sich hinderlicher, sondern auch viel zu
kostspieliger Apparat ist. Die vergeudete Zeit und der im Hirn
beengte Raum, wo etwas Besseres und Praktischeres hätte platz-
finden sollen, sowie die baaren Auslagen für brodlose, auf Geistes-
pedanterie auslaufende Künste, – das sind Hemmnisse, durch
welche die natürliche Gestaltung der Berufsausübung und ihre
freie ökonomische Anpassung an die Bedürfnisse der Gesellschaft
hintertrieben werden. Es giebt also nur ein einziges Mittel, die
Herstellung des gestörten Gleichgewichts herbeizuführen, und
dies besteht darin, aus dem Halben etwas Ganzes zu machen und
die Befähigungsbürgschaften, soweit deren die Gesellschaft über-
haupt noch in staatlicher Weise zu bedürfen glaubt, blos in der
öffentlichen Bezeugung der nach natürlichen Grundsätzen für den
praktischen Zweck erforderlichen Vorkenntnisse bestehen zu
lassen. Hienach hätte man die Art, wie Jemand zu seinem
Wissen und Können gelangt ist, nicht zu untersuchen, sondern
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[17/0026] ziemlichem Umfang eine Thatsache; denn die Klagen der privi- legirten Aerzte über die sogenannte Pfuscherconcurrenz sind gar gross. Indessen fehlt doch noch viel, dass alle entgegenstehenden Inconsequenzen der alten Gesetzgebung dem neuen Princip der Gewerbefreiheit eine vollere und würdigere Entfaltung verstatteten. Die Apothekerei beruht noch immer auf vererbbarem Monopol und auf Concession mit herkömmlicher und thatsächlich sehr enger Begrenzung der Anzahl dieser Medicamentfabriken. Der Hauptmangel aber, weswegen die an sich in dem gegen- wärtigen Gesellschaftssystem durchaus heilsame Gewerbefreiheit zunächst zu manchen Unzuträglichkeiten und zwar besonders für die bisherigen Monopolisten führt, ist die Halbheit der Maass- regel. Auf der einen Seite hat man die medicinische Thätigkeit einigermaassen freigegeben, aber nur zu einer von vornherein degradirten und daher schon deswegen nicht immer die besten Elemente anmuthenden Ausübung. Auf der andern Seite hat man die bisherige Monopolgruppe, welche jetzt nur noch halb- privilegirt ist, in dem ungefügigen Gestell einer veralteten Bil- dungs- und Verbildungszurüstung stecken lassen, ohne zu be- denken, dass auf dem freien Markte des Lebens, wo zum Con- currenzlauf doch wohl Beine von Fleisch und Blut gehören, das hölzerne Stelzenwerk der gymnasialen, namentlich aber der univer- sitären Dressur mit Altsprachlichkeit und Scholastik ein nicht blos für die Hauptsache an sich hinderlicher, sondern auch viel zu kostspieliger Apparat ist. Die vergeudete Zeit und der im Hirn beengte Raum, wo etwas Besseres und Praktischeres hätte platz- finden sollen, sowie die baaren Auslagen für brodlose, auf Geistes- pedanterie auslaufende Künste, – das sind Hemmnisse, durch welche die natürliche Gestaltung der Berufsausübung und ihre freie ökonomische Anpassung an die Bedürfnisse der Gesellschaft hintertrieben werden. Es giebt also nur ein einziges Mittel, die Herstellung des gestörten Gleichgewichts herbeizuführen, und dies besteht darin, aus dem Halben etwas Ganzes zu machen und die Befähigungsbürgschaften, soweit deren die Gesellschaft über- haupt noch in staatlicher Weise zu bedürfen glaubt, blos in der öffentlichen Bezeugung der nach natürlichen Grundsätzen für den praktischen Zweck erforderlichen Vorkenntnisse bestehen zu lassen. Hienach hätte man die Art, wie Jemand zu seinem Wissen und Können gelangt ist, nicht zu untersuchen, sondern nur sein fertiges Wissen und Können an sich selbst zu prüfen

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/26>, abgerufen am 26.04.2024.