Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

mir für Euch ein Herz gegeben haben -- ich weiß nicht, wie ich hergekommen bin!

Sie setzte sich an der Mutter Seite und nahm ihr die Flickerei aus der Hand, da sie sah, wie ihr der Schlaf in den Augen saß. Kannst denn nähen? fragte die Mutter und ließ sich gerne bereden, die Schlafstätte zu suchen. -- Die Großmagd drüben hat mir schon manchmal was gezeigt! -- Bald saß sie an der Arbeit und hörte mit einem niegekannten Gefühl der innersten Zufriedenheit mit sich selber den Athemzug ihrer armen, verlassenen Familie, für welche sie wirkte und wachte, bis Ermüdung gegen ihren Willen die Augenlider schloß und die matte Lampe immer düsterer und düsterer brannte, bis sie, noch einmal aufflackernd, wie um das Familienbild zu beleuchten, ganz erlosch und friedliche Nacht drinnen wie draußen webte. --

Diesmal galt es ein scharfes Examen, als sie früh bleich und sanft, still und bescheiden nach Hause kam. Denn Sommer Hans hatte zeitlich früh, als er wie immer nach der Mühle ging, zu sehen, ob die Bauleute schon da wären, den Gefreiten Martin getroffen, der es nicht erwarten konnte, sich seinem Dorfe in Uniform, gestiefelt und gespornt, die Waffe an der Hüfte, zu zeigen. Trude sagte die Wahrheit und bat den Pflegevater, die Noth ihrer Familie erleichtern zu dürfen. Sommer war nie geneigter, ihren Wünschen, die ihm ja stets für Befehle galten, nachzukommen, denn es freute ihn, daß Martin mit ihrem Ausbleiben nicht

mir für Euch ein Herz gegeben haben — ich weiß nicht, wie ich hergekommen bin!

Sie setzte sich an der Mutter Seite und nahm ihr die Flickerei aus der Hand, da sie sah, wie ihr der Schlaf in den Augen saß. Kannst denn nähen? fragte die Mutter und ließ sich gerne bereden, die Schlafstätte zu suchen. — Die Großmagd drüben hat mir schon manchmal was gezeigt! — Bald saß sie an der Arbeit und hörte mit einem niegekannten Gefühl der innersten Zufriedenheit mit sich selber den Athemzug ihrer armen, verlassenen Familie, für welche sie wirkte und wachte, bis Ermüdung gegen ihren Willen die Augenlider schloß und die matte Lampe immer düsterer und düsterer brannte, bis sie, noch einmal aufflackernd, wie um das Familienbild zu beleuchten, ganz erlosch und friedliche Nacht drinnen wie draußen webte. —

Diesmal galt es ein scharfes Examen, als sie früh bleich und sanft, still und bescheiden nach Hause kam. Denn Sommer Hans hatte zeitlich früh, als er wie immer nach der Mühle ging, zu sehen, ob die Bauleute schon da wären, den Gefreiten Martin getroffen, der es nicht erwarten konnte, sich seinem Dorfe in Uniform, gestiefelt und gespornt, die Waffe an der Hüfte, zu zeigen. Trude sagte die Wahrheit und bat den Pflegevater, die Noth ihrer Familie erleichtern zu dürfen. Sommer war nie geneigter, ihren Wünschen, die ihm ja stets für Befehle galten, nachzukommen, denn es freute ihn, daß Martin mit ihrem Ausbleiben nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="0">
        <p><pb facs="#f0033"/>
mir      für Euch ein Herz gegeben haben &#x2014; ich weiß nicht, wie ich hergekommen bin!</p><lb/>
        <p>Sie setzte sich an der Mutter Seite und nahm ihr die Flickerei aus der Hand, da sie sah, wie      ihr der Schlaf in den Augen saß. Kannst denn nähen? fragte die Mutter und ließ sich gerne      bereden, die Schlafstätte zu suchen. &#x2014; Die Großmagd drüben hat mir schon manchmal was gezeigt!      &#x2014; Bald saß sie an der Arbeit und hörte mit einem niegekannten Gefühl der innersten      Zufriedenheit mit sich selber den Athemzug ihrer armen, verlassenen Familie, für welche sie      wirkte und wachte, bis Ermüdung gegen ihren Willen die Augenlider schloß und die matte Lampe      immer düsterer und düsterer brannte, bis sie, noch einmal aufflackernd, wie um das Familienbild      zu beleuchten, ganz erlosch und friedliche Nacht drinnen wie draußen webte. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Diesmal galt es ein scharfes Examen, als sie früh bleich und sanft, still und bescheiden nach      Hause kam. Denn Sommer Hans hatte zeitlich früh, als er wie immer nach der Mühle ging, zu      sehen, ob die Bauleute schon da wären, den Gefreiten Martin getroffen, der es nicht erwarten      konnte, sich seinem Dorfe in Uniform, gestiefelt und gespornt, die Waffe an der Hüfte, zu      zeigen. Trude sagte die Wahrheit und bat den Pflegevater, die Noth ihrer Familie erleichtern zu      dürfen. Sommer war nie geneigter, ihren Wünschen, die ihm ja stets für Befehle galten,      nachzukommen, denn es freute ihn, daß Martin mit ihrem Ausbleiben nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0033] mir für Euch ein Herz gegeben haben — ich weiß nicht, wie ich hergekommen bin! Sie setzte sich an der Mutter Seite und nahm ihr die Flickerei aus der Hand, da sie sah, wie ihr der Schlaf in den Augen saß. Kannst denn nähen? fragte die Mutter und ließ sich gerne bereden, die Schlafstätte zu suchen. — Die Großmagd drüben hat mir schon manchmal was gezeigt! — Bald saß sie an der Arbeit und hörte mit einem niegekannten Gefühl der innersten Zufriedenheit mit sich selber den Athemzug ihrer armen, verlassenen Familie, für welche sie wirkte und wachte, bis Ermüdung gegen ihren Willen die Augenlider schloß und die matte Lampe immer düsterer und düsterer brannte, bis sie, noch einmal aufflackernd, wie um das Familienbild zu beleuchten, ganz erlosch und friedliche Nacht drinnen wie draußen webte. — Diesmal galt es ein scharfes Examen, als sie früh bleich und sanft, still und bescheiden nach Hause kam. Denn Sommer Hans hatte zeitlich früh, als er wie immer nach der Mühle ging, zu sehen, ob die Bauleute schon da wären, den Gefreiten Martin getroffen, der es nicht erwarten konnte, sich seinem Dorfe in Uniform, gestiefelt und gespornt, die Waffe an der Hüfte, zu zeigen. Trude sagte die Wahrheit und bat den Pflegevater, die Noth ihrer Familie erleichtern zu dürfen. Sommer war nie geneigter, ihren Wünschen, die ihm ja stets für Befehle galten, nachzukommen, denn es freute ihn, daß Martin mit ihrem Ausbleiben nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:03:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:03:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/33
Zitationshilfe: Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/33>, abgerufen am 26.04.2024.