Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9).

Bild:
<< vorherige Seite

gegen die politische Gleichberechtigung der Frauen von Gegnern
aller Kreise ins Feld geführt wird und auch seit Ausbruch dieses
Krieges, gestützt auf die Erfahrungen mit dem Verhalten der
Frauen, häufig wieder gehört wird. Es ist die Behauptung der
politischen Unreife der Frauen, die, als die Möglichkeit einer Aus-
hungerung für Deutschland in Frage kam, von einer Panik er-
griffen, völlig kopflos gehandelt und dadurch eine verhängnisvolle
wirtschaftliche Störung verursacht hätten.

Prüfen wir die Dinge, untersuchen wir, was geschehen ist,
und stellen dann fest, ob das Urteil gerechtfertigt ist oder nicht.

Seit Jahrhunderten erzieht man das weibliche Geschlecht von
Generation zu Generation zu dem ausschließlichen Gedanken, daß
die Sorge für Familie und Haus ihre hauptsächlichste und ver-
antwortliche Aufgabe sei. Da der Mann die Frau unter allen
Umständen von öffentlichen Angelegenheiten fernhalten will, weil
er die Staatsangelegenheiten allein zu regeln wünscht, sorgt er
dafür, daß sie für die einfachsten Grundsätze der volkswirtschaft-
lichen Zusammenhänge zwischen Haus, Familie und Marktlage,
zwischen Angebot und Nachfrage, zwischen Produktion und
Konsumtion ohne Einsicht und Verständnis blieb. Mit der Sorge
um ihre Familie, um ihr Haus hörte ihre Verantwortlichkeit
auf, das war ihre Welt, alles was, abgesehen von Kunst, Literatur,

"Die Stellung der Frau zum Staat und im Staat." Frauenstimm-
recht. Von Oskar Muser, badischer Landtagsabgeordneter. Karlsruhe.
G. Braunsche Hofbuchdruckerei und Verlag.
Ferner ist das soeben erschienene Buch: "Das Weib und seine Be-
stimmung."Ein Beitrag zur Psychologie der Frau und zur Neuorien-
tierung ihrer Pflichten, von Dr. med. M. von Kemnitz. Verlag von
Ernst Reinhardt in München 1917, zu empfehlen. Mit scharfer Logik,
sachlicher Kürze und Gründlichkeit weist die Verfasserin im dritten
Hauptteil ihres Buches nach, daß die Politik, die die Frau als Gleich-
berechtigte schaffen wird als Ergänzung der vom Manne bis heute ge-
machten Politik, in Zukunft notwendig ist, daß es Pflicht eines jeden
Staates ist, diese heute völlig brachliegende Frauenkraft für das Ge-
samtwohl der Völker zu nutzen.

gegen die politische Gleichberechtigung der Frauen von Gegnern
aller Kreise ins Feld geführt wird und auch seit Ausbruch dieses
Krieges, gestützt auf die Erfahrungen mit dem Verhalten der
Frauen, häufig wieder gehört wird. Es ist die Behauptung der
politischen Unreife der Frauen, die, als die Möglichkeit einer Aus-
hungerung für Deutschland in Frage kam, von einer Panik er-
griffen, völlig kopflos gehandelt und dadurch eine verhängnisvolle
wirtschaftliche Störung verursacht hätten.

Prüfen wir die Dinge, untersuchen wir, was geschehen ist,
und stellen dann fest, ob das Urteil gerechtfertigt ist oder nicht.

Seit Jahrhunderten erzieht man das weibliche Geschlecht von
Generation zu Generation zu dem ausschließlichen Gedanken, daß
die Sorge für Familie und Haus ihre hauptsächlichste und ver-
antwortliche Aufgabe sei. Da der Mann die Frau unter allen
Umständen von öffentlichen Angelegenheiten fernhalten will, weil
er die Staatsangelegenheiten allein zu regeln wünscht, sorgt er
dafür, daß sie für die einfachsten Grundsätze der volkswirtschaft-
lichen Zusammenhänge zwischen Haus, Familie und Marktlage,
zwischen Angebot und Nachfrage, zwischen Produktion und
Konsumtion ohne Einsicht und Verständnis blieb. Mit der Sorge
um ihre Familie, um ihr Haus hörte ihre Verantwortlichkeit
auf, das war ihre Welt, alles was, abgesehen von Kunst, Literatur,

„Die Stellung der Frau zum Staat und im Staat.“ Frauenstimm-
recht. Von Oskar Muser, badischer Landtagsabgeordneter. Karlsruhe.
G. Braunsche Hofbuchdruckerei und Verlag.
Ferner ist das soeben erschienene Buch: „Das Weib und seine Be-
stimmung.„Ein Beitrag zur Psychologie der Frau und zur Neuorien-
tierung ihrer Pflichten, von Dr. med. M. von Kemnitz. Verlag von
Ernst Reinhardt in München 1917, zu empfehlen. Mit scharfer Logik,
sachlicher Kürze und Gründlichkeit weist die Verfasserin im dritten
Hauptteil ihres Buches nach, daß die Politik, die die Frau als Gleich-
berechtigte schaffen wird als Ergänzung der vom Manne bis heute ge-
machten Politik, in Zukunft notwendig ist, daß es Pflicht eines jeden
Staates ist, diese heute völlig brachliegende Frauenkraft für das Ge-
samtwohl der Völker zu nutzen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0021" n="22"/>
gegen die politische Gleichberechtigung der Frauen von Gegnern<lb/>
aller Kreise ins Feld geführt wird und auch seit Ausbruch dieses<lb/>
Krieges, gestützt auf die Erfahrungen mit dem Verhalten der<lb/>
Frauen, häufig wieder gehört wird. Es ist die Behauptung der<lb/>
politischen Unreife der Frauen, die, als die Möglichkeit einer Aus-<lb/>
hungerung für Deutschland in Frage kam, von einer Panik er-<lb/>
griffen, völlig kopflos gehandelt und dadurch eine verhängnisvolle<lb/>
wirtschaftliche Störung verursacht hätten.</p><lb/>
        <p>Prüfen wir die Dinge, untersuchen wir, was geschehen ist,<lb/>
und stellen dann fest, ob das Urteil gerechtfertigt ist oder nicht.</p><lb/>
        <p>Seit Jahrhunderten erzieht man das weibliche Geschlecht von<lb/>
Generation zu Generation zu dem ausschließlichen Gedanken, daß<lb/>
die Sorge für Familie und Haus ihre hauptsächlichste und ver-<lb/>
antwortliche Aufgabe sei. Da der Mann die Frau unter allen<lb/>
Umständen von öffentlichen Angelegenheiten fernhalten will, weil<lb/>
er die Staatsangelegenheiten allein zu regeln wünscht, sorgt er<lb/>
dafür, daß sie für die einfachsten Grundsätze der volkswirtschaft-<lb/>
lichen Zusammenhänge zwischen Haus, Familie und Marktlage,<lb/>
zwischen Angebot und Nachfrage, zwischen Produktion und<lb/>
Konsumtion ohne Einsicht und Verständnis blieb. Mit der Sorge<lb/>
um <hi rendition="#g">ihre</hi> Familie, um <hi rendition="#g">ihr</hi> Haus hörte ihre Verantwortlichkeit<lb/>
auf, das war ihre Welt, alles was, abgesehen von Kunst, Literatur,<lb/><note xml:id="foot02" prev="#foot01" place="foot" n="*)"> &#x201E;Die Stellung der Frau zum Staat und im Staat.&#x201C; Frauenstimm-<lb/>
recht. Von Oskar Muser, badischer Landtagsabgeordneter. Karlsruhe.<lb/>
G. Braunsche Hofbuchdruckerei und Verlag.<lb/><p>Ferner ist das soeben erschienene Buch: &#x201E;Das Weib und seine Be-<lb/>
stimmung.&#x201E;Ein Beitrag zur Psychologie der Frau und zur Neuorien-<lb/>
tierung ihrer Pflichten, von Dr. med. M. von Kemnitz. Verlag von<lb/>
Ernst Reinhardt in München 1917, zu empfehlen. Mit scharfer Logik,<lb/>
sachlicher Kürze und Gründlichkeit weist die Verfasserin im dritten<lb/>
Hauptteil ihres Buches nach, daß die Politik, die die Frau als Gleich-<lb/>
berechtigte schaffen wird als Ergänzung der vom Manne bis heute ge-<lb/>
machten Politik, in Zukunft notwendig ist, daß es Pflicht eines jeden<lb/>
Staates ist, diese heute völlig brachliegende Frauenkraft für das Ge-<lb/>
samtwohl der Völker zu nutzen.</p></note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0021] gegen die politische Gleichberechtigung der Frauen von Gegnern aller Kreise ins Feld geführt wird und auch seit Ausbruch dieses Krieges, gestützt auf die Erfahrungen mit dem Verhalten der Frauen, häufig wieder gehört wird. Es ist die Behauptung der politischen Unreife der Frauen, die, als die Möglichkeit einer Aus- hungerung für Deutschland in Frage kam, von einer Panik er- griffen, völlig kopflos gehandelt und dadurch eine verhängnisvolle wirtschaftliche Störung verursacht hätten. Prüfen wir die Dinge, untersuchen wir, was geschehen ist, und stellen dann fest, ob das Urteil gerechtfertigt ist oder nicht. Seit Jahrhunderten erzieht man das weibliche Geschlecht von Generation zu Generation zu dem ausschließlichen Gedanken, daß die Sorge für Familie und Haus ihre hauptsächlichste und ver- antwortliche Aufgabe sei. Da der Mann die Frau unter allen Umständen von öffentlichen Angelegenheiten fernhalten will, weil er die Staatsangelegenheiten allein zu regeln wünscht, sorgt er dafür, daß sie für die einfachsten Grundsätze der volkswirtschaft- lichen Zusammenhänge zwischen Haus, Familie und Marktlage, zwischen Angebot und Nachfrage, zwischen Produktion und Konsumtion ohne Einsicht und Verständnis blieb. Mit der Sorge um ihre Familie, um ihr Haus hörte ihre Verantwortlichkeit auf, das war ihre Welt, alles was, abgesehen von Kunst, Literatur, *) *) „Die Stellung der Frau zum Staat und im Staat.“ Frauenstimm- recht. Von Oskar Muser, badischer Landtagsabgeordneter. Karlsruhe. G. Braunsche Hofbuchdruckerei und Verlag. Ferner ist das soeben erschienene Buch: „Das Weib und seine Be- stimmung.„Ein Beitrag zur Psychologie der Frau und zur Neuorien- tierung ihrer Pflichten, von Dr. med. M. von Kemnitz. Verlag von Ernst Reinhardt in München 1917, zu empfehlen. Mit scharfer Logik, sachlicher Kürze und Gründlichkeit weist die Verfasserin im dritten Hauptteil ihres Buches nach, daß die Politik, die die Frau als Gleich- berechtigte schaffen wird als Ergänzung der vom Manne bis heute ge- machten Politik, in Zukunft notwendig ist, daß es Pflicht eines jeden Staates ist, diese heute völlig brachliegende Frauenkraft für das Ge- samtwohl der Völker zu nutzen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-10-19T08:47:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-10-19T08:47:15Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_voelkerverstaendigung_1919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_voelkerverstaendigung_1919/21
Zitationshilfe: Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9), S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_voelkerverstaendigung_1919/21>, abgerufen am 26.04.2024.