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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

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X.

Ich fiel in stummer Andacht auf meine Knie und vergoß
Thränen des Dankes -- denn klar stand plötzlich meine
Zukunft vor meiner Seele. Durch frühe Schuld von der
menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen, ward ich zum Er-
satz an die Natur, die ich stets geliebt, gewiesen, die Erde
mir zu einem reichen Garten gegeben, das Studium zur
Richtung und Kraft meines Lebens, zu ihrem Ziel die
Wissenschaft. Es war nicht ein Entschluß, den ich faßte.
Ich habe nur seitdem, was da hell und vollendet im
Urbild vor mein inneres Auge trat, getreu mit stillem,
strengen, unausgesetzten Fleiß darzustellen gesucht, und
meine Selbstzufriedenheit hat von dem Zusammenfallen
des Dargestellten mit dem Urbild abgehangen.

Ich raffte mich auf, um ohne Zögern mit flüchtigem
Ueberblick Besitz von dem Felde zu nehmen, wo ich künftig
ernten wollte. -- Ich stand auf den Höhen des Tibet,
und die Sonne, die mir vor wenigen Stunden aufgegan-
gen war, neigte sich hier schon am Abendhimmel, ich
durchwanderte Asien von Osten gegen Westen, sie in ihrem
Lauf einholend, und trat in Afrika ein. Ich sah mich
neugierig darin um, indem ich es wiederholt in allen

14 *
X.

Ich fiel in ſtummer Andacht auf meine Knie und vergoß
Thraͤnen des Dankes — denn klar ſtand ploͤtzlich meine
Zukunft vor meiner Seele. Durch fruͤhe Schuld von der
menſchlichen Geſellſchaft ausgeſchloſſen, ward ich zum Er-
ſatz an die Natur, die ich ſtets geliebt, gewieſen, die Erde
mir zu einem reichen Garten gegeben, das Studium zur
Richtung und Kraft meines Lebens, zu ihrem Ziel die
Wiſſenſchaft. Es war nicht ein Entſchluß, den ich faßte.
Ich habe nur ſeitdem, was da hell und vollendet im
Urbild vor mein inneres Auge trat, getreu mit ſtillem,
ſtrengen, unausgeſetzten Fleiß darzuſtellen geſucht, und
meine Selbſtzufriedenheit hat von dem Zuſammenfallen
des Dargeſtellten mit dem Urbild abgehangen.

Ich raffte mich auf, um ohne Zoͤgern mit fluͤchtigem
Ueberblick Beſitz von dem Felde zu nehmen, wo ich kuͤnftig
ernten wollte. — Ich ſtand auf den Hoͤhen des Tibet,
und die Sonne, die mir vor wenigen Stunden aufgegan-
gen war, neigte ſich hier ſchon am Abendhimmel, ich
durchwanderte Aſien von Oſten gegen Weſten, ſie in ihrem
Lauf einholend, und trat in Afrika ein. Ich ſah mich
neugierig darin um, indem ich es wiederholt in allen

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[0105] X. Ich fiel in ſtummer Andacht auf meine Knie und vergoß Thraͤnen des Dankes — denn klar ſtand ploͤtzlich meine Zukunft vor meiner Seele. Durch fruͤhe Schuld von der menſchlichen Geſellſchaft ausgeſchloſſen, ward ich zum Er- ſatz an die Natur, die ich ſtets geliebt, gewieſen, die Erde mir zu einem reichen Garten gegeben, das Studium zur Richtung und Kraft meines Lebens, zu ihrem Ziel die Wiſſenſchaft. Es war nicht ein Entſchluß, den ich faßte. Ich habe nur ſeitdem, was da hell und vollendet im Urbild vor mein inneres Auge trat, getreu mit ſtillem, ſtrengen, unausgeſetzten Fleiß darzuſtellen geſucht, und meine Selbſtzufriedenheit hat von dem Zuſammenfallen des Dargeſtellten mit dem Urbild abgehangen. Ich raffte mich auf, um ohne Zoͤgern mit fluͤchtigem Ueberblick Beſitz von dem Felde zu nehmen, wo ich kuͤnftig ernten wollte. — Ich ſtand auf den Hoͤhen des Tibet, und die Sonne, die mir vor wenigen Stunden aufgegan- gen war, neigte ſich hier ſchon am Abendhimmel, ich durchwanderte Aſien von Oſten gegen Weſten, ſie in ihrem Lauf einholend, und trat in Afrika ein. Ich ſah mich neugierig darin um, indem ich es wiederholt in allen 14 *

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/105>, abgerufen am 24.11.2024.