Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite

die kleinsten Zähne, die meine Kräfte nicht überstiegen,
auswählen mußte. Ich ward bald mit Allem versehen
und ausgerüstet, und ich fing sogleich als privatisirender
Gelehrter meine neue Lebensweise an.

Ich streifte auf der Erde umher, bald ihre Höhen,
bald die Temperatur ihrer Quellen und die der Luft messend,
bald Thiere beobachtend, bald Gewächse untersuchend; ich
eilte von dem Aequator nach dem Pole, von der einen
Welt nach der andern; Erfahrungen mit Erfahrungen
vergleichend. Die Eier der afrikanischen Strauße oder der
nördlichen Seevögel und Früchte, besonders der Tropen-
Palmen und Bananen, waren meine gewöhnlichste Nah-
rung. Für mangelndes Glück hatt' ich als Surrogat die
Nicotiana, und für menschliche Theilnahme und Bande
die Liebe eines treuen Pudels, der mir meine Höhle in
der Thebais bewachte, und wenn ich mit neuen Schätzen
beladen zu ihm zurückkehrte, freudig an mich sprang, und
es mich doch menschlich empfinden ließ, daß ich nicht allein
auf der Erde sei. Noch sollte mich ein Abentheuer unter
die Menschen zurückführen.



die kleinſten Zaͤhne, die meine Kraͤfte nicht uͤberſtiegen,
auswaͤhlen mußte. Ich ward bald mit Allem verſehen
und ausgeruͤſtet, und ich fing ſogleich als privatiſirender
Gelehrter meine neue Lebensweiſe an.

Ich ſtreifte auf der Erde umher, bald ihre Hoͤhen,
bald die Temperatur ihrer Quellen und die der Luft meſſend,
bald Thiere beobachtend, bald Gewaͤchſe unterſuchend; ich
eilte von dem Aequator nach dem Pole, von der einen
Welt nach der andern; Erfahrungen mit Erfahrungen
vergleichend. Die Eier der afrikaniſchen Strauße oder der
noͤrdlichen Seevoͤgel und Fruͤchte, beſonders der Tropen-
Palmen und Bananen, waren meine gewoͤhnlichſte Nah-
rung. Fuͤr mangelndes Gluͤck hatt’ ich als Surrogat die
Nicotiana, und fuͤr menſchliche Theilnahme und Bande
die Liebe eines treuen Pudels, der mir meine Hoͤhle in
der Thebais bewachte, und wenn ich mit neuen Schaͤtzen
beladen zu ihm zuruͤckkehrte, freudig an mich ſprang, und
es mich doch menſchlich empfinden ließ, daß ich nicht allein
auf der Erde ſei. Noch ſollte mich ein Abentheuer unter
die Menſchen zuruͤckfuͤhren.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0109" n="319"/>
die klein&#x017F;ten Za&#x0364;hne, die meine Kra&#x0364;fte nicht u&#x0364;ber&#x017F;tiegen,<lb/>
auswa&#x0364;hlen mußte. Ich ward bald mit Allem ver&#x017F;ehen<lb/>
und ausgeru&#x0364;&#x017F;tet, und ich fing &#x017F;ogleich als privati&#x017F;irender<lb/>
Gelehrter meine neue Lebenswei&#x017F;e an.</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;treifte auf der Erde umher, bald ihre Ho&#x0364;hen,<lb/>
bald die Temperatur ihrer Quellen und die der Luft me&#x017F;&#x017F;end,<lb/>
bald Thiere beobachtend, bald Gewa&#x0364;ch&#x017F;e unter&#x017F;uchend; ich<lb/>
eilte von dem Aequator nach dem Pole, von der einen<lb/>
Welt nach der andern; Erfahrungen mit Erfahrungen<lb/>
vergleichend. Die Eier der afrikani&#x017F;chen Strauße oder der<lb/>
no&#x0364;rdlichen Seevo&#x0364;gel und Fru&#x0364;chte, be&#x017F;onders der Tropen-<lb/>
Palmen und Bananen, waren meine gewo&#x0364;hnlich&#x017F;te Nah-<lb/>
rung. Fu&#x0364;r mangelndes Glu&#x0364;ck hatt&#x2019; ich als Surrogat die<lb/>
Nicotiana, und fu&#x0364;r men&#x017F;chliche Theilnahme und Bande<lb/>
die Liebe eines treuen Pudels, der mir meine Ho&#x0364;hle in<lb/>
der Thebais bewachte, und wenn ich mit neuen Scha&#x0364;tzen<lb/>
beladen zu ihm zuru&#x0364;ckkehrte, freudig an mich &#x017F;prang, und<lb/>
es mich doch men&#x017F;chlich empfinden ließ, daß ich nicht allein<lb/>
auf der Erde &#x017F;ei. Noch &#x017F;ollte mich ein Abentheuer unter<lb/>
die Men&#x017F;chen zuru&#x0364;ckfu&#x0364;hren.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0109] die kleinſten Zaͤhne, die meine Kraͤfte nicht uͤberſtiegen, auswaͤhlen mußte. Ich ward bald mit Allem verſehen und ausgeruͤſtet, und ich fing ſogleich als privatiſirender Gelehrter meine neue Lebensweiſe an. Ich ſtreifte auf der Erde umher, bald ihre Hoͤhen, bald die Temperatur ihrer Quellen und die der Luft meſſend, bald Thiere beobachtend, bald Gewaͤchſe unterſuchend; ich eilte von dem Aequator nach dem Pole, von der einen Welt nach der andern; Erfahrungen mit Erfahrungen vergleichend. Die Eier der afrikaniſchen Strauße oder der noͤrdlichen Seevoͤgel und Fruͤchte, beſonders der Tropen- Palmen und Bananen, waren meine gewoͤhnlichſte Nah- rung. Fuͤr mangelndes Gluͤck hatt’ ich als Surrogat die Nicotiana, und fuͤr menſchliche Theilnahme und Bande die Liebe eines treuen Pudels, der mir meine Hoͤhle in der Thebais bewachte, und wenn ich mit neuen Schaͤtzen beladen zu ihm zuruͤckkehrte, freudig an mich ſprang, und es mich doch menſchlich empfinden ließ, daß ich nicht allein auf der Erde ſei. Noch ſollte mich ein Abentheuer unter die Menſchen zuruͤckfuͤhren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/109
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/109>, abgerufen am 25.11.2024.