Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite

"gehe, und ein günstiger Wind mich so eben nach dem
"Hafen ruft. Aber über Jahr und Tag werde ich die
"Ehre haben, ihn selber aufzusuchen und ein anderes,
"ihm dann vielleicht annehmliches Geschäft vorzuschlagen.
"Empfehlen Sie mich ihm unterthänigst, und versichern
"ihn meines Dankes." Ich frug ihn, wer er wäre, er
sagte aber, Sie kennten ihn schon."

"Wie sah der Mann aus?" rief ich voller Ahnung. Und
Bendel beschrieb mir den Mann im grauen Rocke Zug für
Zug, Wort für Wort, wie er getreu in seiner vorigen Er-
zählung des Mannes erwähnt, nach dem er sich erkundigt. --

"Unglücklicher!" schrie ich händeringend, "das war
er ja selbst!" und ihm fiel es wie Schuppen von den Au-
gen. -- "Ja, er war es, war es wirklich!" rief er erschreckt
aus, "und ich Verblendeter, Blödsinniger habe ihn nicht er-
kannt, ihn nicht erkannt und meinen Herrn verrathen!"

Er brach, heiß weinend, in die bittersten Vorwürfe
gegen sich selber aus, und die Verzweiflung, in der er war,
mußte mir selber Mitleiden einflößen. Ich sprach ihm
Trost ein, versicherte ihn wiederholt, ich setzte keinen Zwei-
fel in seine Treue, und schickte ihn alsbald nach dem
Hafen, um, wo möglich, die Spuren des seltsamen Man-
nes zu verfolgen. Aber an diesem selben Morgen waren
sehr viele Schiffe, die widrige Winde im Hafen zurück-
gehalten, ausgelaufen, alle nach anderen Weltstrichen, alle
nach anderen Küsten bestimmt, und der graue Mann war
spurlos wie ein Schatten verschwunden.



〟gehe, und ein guͤnſtiger Wind mich ſo eben nach dem
〟Hafen ruft. Aber uͤber Jahr und Tag werde ich die
〟Ehre haben, ihn ſelber aufzuſuchen und ein anderes,
〟ihm dann vielleicht annehmliches Geſchaͤft vorzuſchlagen.
〟Empfehlen Sie mich ihm unterthaͤnigſt, und verſichern
〟ihn meines Dankes.〞 Ich frug ihn, wer er waͤre, er
ſagte aber, Sie kennten ihn ſchon.〞

〟Wie ſah der Mann aus?〞 rief ich voller Ahnung. Und
Bendel beſchrieb mir den Mann im grauen Rocke Zug fuͤr
Zug, Wort fuͤr Wort, wie er getreu in ſeiner vorigen Er-
zaͤhlung des Mannes erwaͤhnt, nach dem er ſich erkundigt. —

〟Ungluͤcklicher!〞 ſchrie ich haͤnderingend, 〟das war
er ja ſelbſt!〞 und ihm fiel es wie Schuppen von den Au-
gen. — 〟Ja, er war es, war es wirklich!〞 rief er erſchreckt
aus, 〟und ich Verblendeter, Bloͤdſinniger habe ihn nicht er-
kannt, ihn nicht erkannt und meinen Herrn verrathen!〞

Er brach, heiß weinend, in die bitterſten Vorwuͤrfe
gegen ſich ſelber aus, und die Verzweiflung, in der er war,
mußte mir ſelber Mitleiden einfloͤßen. Ich ſprach ihm
Troſt ein, verſicherte ihn wiederholt, ich ſetzte keinen Zwei-
fel in ſeine Treue, und ſchickte ihn alsbald nach dem
Hafen, um, wo moͤglich, die Spuren des ſeltſamen Man-
nes zu verfolgen. Aber an dieſem ſelben Morgen waren
ſehr viele Schiffe, die widrige Winde im Hafen zuruͤck-
gehalten, ausgelaufen, alle nach anderen Weltſtrichen, alle
nach anderen Kuͤſten beſtimmt, und der graue Mann war
ſpurlos wie ein Schatten verſchwunden.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0040" n="254"/>
&#x301F;gehe, und ein gu&#x0364;n&#x017F;tiger Wind mich &#x017F;o eben nach dem<lb/>
&#x301F;Hafen ruft. Aber u&#x0364;ber Jahr und Tag werde ich die<lb/>
&#x301F;Ehre haben, ihn &#x017F;elber aufzu&#x017F;uchen und ein anderes,<lb/>
&#x301F;ihm dann vielleicht annehmliches Ge&#x017F;cha&#x0364;ft vorzu&#x017F;chlagen.<lb/>
&#x301F;Empfehlen Sie mich ihm untertha&#x0364;nig&#x017F;t, und ver&#x017F;ichern<lb/>
&#x301F;ihn meines Dankes.&#x301E; Ich frug ihn, wer er wa&#x0364;re, er<lb/>
&#x017F;agte aber, Sie kennten ihn &#x017F;chon.&#x301E;</p><lb/>
          <p>&#x301F;Wie &#x017F;ah der Mann aus?&#x301E; rief ich voller Ahnung. Und<lb/><hi rendition="#g">Bendel</hi> be&#x017F;chrieb mir den Mann im grauen Rocke Zug fu&#x0364;r<lb/>
Zug, Wort fu&#x0364;r Wort, wie er getreu in &#x017F;einer vorigen Er-<lb/>
za&#x0364;hlung des Mannes erwa&#x0364;hnt, nach dem er &#x017F;ich erkundigt. &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x301F;Unglu&#x0364;cklicher!&#x301E; &#x017F;chrie ich ha&#x0364;nderingend, &#x301F;das war<lb/>
er ja &#x017F;elb&#x017F;t!&#x301E; und ihm fiel es wie Schuppen von den Au-<lb/>
gen. &#x2014; &#x301F;Ja, er war es, war es wirklich!&#x301E; rief er er&#x017F;chreckt<lb/>
aus, &#x301F;und ich Verblendeter, Blo&#x0364;d&#x017F;inniger habe ihn nicht er-<lb/>
kannt, ihn nicht erkannt und meinen Herrn verrathen!&#x301E;</p><lb/>
          <p>Er brach, heiß weinend, in die bitter&#x017F;ten Vorwu&#x0364;rfe<lb/>
gegen &#x017F;ich &#x017F;elber aus, und die Verzweiflung, in der er war,<lb/>
mußte mir &#x017F;elber Mitleiden einflo&#x0364;ßen. Ich &#x017F;prach ihm<lb/>
Tro&#x017F;t ein, ver&#x017F;icherte ihn wiederholt, ich &#x017F;etzte keinen Zwei-<lb/>
fel in &#x017F;eine Treue, und &#x017F;chickte ihn alsbald nach dem<lb/>
Hafen, um, wo mo&#x0364;glich, die Spuren des &#x017F;elt&#x017F;amen Man-<lb/>
nes zu verfolgen. Aber an die&#x017F;em &#x017F;elben Morgen waren<lb/>
&#x017F;ehr viele Schiffe, die widrige Winde im Hafen zuru&#x0364;ck-<lb/>
gehalten, ausgelaufen, alle nach anderen Welt&#x017F;trichen, alle<lb/>
nach anderen Ku&#x0364;&#x017F;ten be&#x017F;timmt, und der graue Mann war<lb/>
&#x017F;purlos wie ein Schatten ver&#x017F;chwunden.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0040] 〟gehe, und ein guͤnſtiger Wind mich ſo eben nach dem 〟Hafen ruft. Aber uͤber Jahr und Tag werde ich die 〟Ehre haben, ihn ſelber aufzuſuchen und ein anderes, 〟ihm dann vielleicht annehmliches Geſchaͤft vorzuſchlagen. 〟Empfehlen Sie mich ihm unterthaͤnigſt, und verſichern 〟ihn meines Dankes.〞 Ich frug ihn, wer er waͤre, er ſagte aber, Sie kennten ihn ſchon.〞 〟Wie ſah der Mann aus?〞 rief ich voller Ahnung. Und Bendel beſchrieb mir den Mann im grauen Rocke Zug fuͤr Zug, Wort fuͤr Wort, wie er getreu in ſeiner vorigen Er- zaͤhlung des Mannes erwaͤhnt, nach dem er ſich erkundigt. — 〟Ungluͤcklicher!〞 ſchrie ich haͤnderingend, 〟das war er ja ſelbſt!〞 und ihm fiel es wie Schuppen von den Au- gen. — 〟Ja, er war es, war es wirklich!〞 rief er erſchreckt aus, 〟und ich Verblendeter, Bloͤdſinniger habe ihn nicht er- kannt, ihn nicht erkannt und meinen Herrn verrathen!〞 Er brach, heiß weinend, in die bitterſten Vorwuͤrfe gegen ſich ſelber aus, und die Verzweiflung, in der er war, mußte mir ſelber Mitleiden einfloͤßen. Ich ſprach ihm Troſt ein, verſicherte ihn wiederholt, ich ſetzte keinen Zwei- fel in ſeine Treue, und ſchickte ihn alsbald nach dem Hafen, um, wo moͤglich, die Spuren des ſeltſamen Man- nes zu verfolgen. Aber an dieſem ſelben Morgen waren ſehr viele Schiffe, die widrige Winde im Hafen zuruͤck- gehalten, ausgelaufen, alle nach anderen Weltſtrichen, alle nach anderen Kuͤſten beſtimmt, und der graue Mann war ſpurlos wie ein Schatten verſchwunden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/40
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/40>, abgerufen am 09.11.2024.