Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite

konnte; auch dacht' ich vielleicht nur allein noch daran,
wie ich mich bei Herrn John gezeigt, und es war mir
eine drückende Erinnerung, demnach wollt' ich hier blos
Probe halten, um anderswo leichter und zuversichtlicher
auftreten zu können -- doch fand sich, was mich eine
Zeitlang an meiner Eitelkeit festhielt: das ist im Menschen,
wo der Anker am zuverlässigsten Grund faßt.

Eben die schöne Fanny, der ich am dritten Ort wieder
begegnete, schenkte mir, ohne sich zu erinnern, mich jemals
gesehen zu haben, einige Aufmerksamkeit, denn jetzt hatt'
ich Witz und Verstand. -- Wenn ich redete, hörte man
zu, und ich wußte selber nicht, wie ich zu der Kunst ge-
kommen war, das Gespräch so leicht zu führen und zu be-
herrschen. Der Eindruck, den ich auf die Schöne gemacht
zu haben einsah, machte aus mir, was sie eben begehrte,
einen Narren, und ich folgte ihr seither mit tausend Mühen
durch Schatten und Dämmerung, wo ich nur konnte.
Ich war nur eitel darauf, sie über mich eitel zu machen,
und konnte mir, selbst mit dem besten Willen, nicht den
Rausch aus dem Kopf in's Herz zwingen.

Aber wozu die ganz gemeine Geschichte Dir lang und
breit wiederholen? -- Du selber hast sie mir oft genug
von andern Ehrenleuten erzählt. -- Zu dem alten, wohl-
bekannten Spiele, worin ich gutmüthig eine abgedroschene
Rolle übernommen, kam freilich eine ganz eigens gedichtete
Katastrophe hinzu, mir und ihr und Allen unerwartet.

Da ich an einem schönen Abend nach meiner Gewohn-
heit eine Gesellschaft in einem Garten versammelt hatte,

konnte; auch dacht’ ich vielleicht nur allein noch daran,
wie ich mich bei Herrn John gezeigt, und es war mir
eine druͤckende Erinnerung, demnach wollt’ ich hier blos
Probe halten, um anderswo leichter und zuverſichtlicher
auftreten zu koͤnnen — doch fand ſich, was mich eine
Zeitlang an meiner Eitelkeit feſthielt: das iſt im Menſchen,
wo der Anker am zuverlaͤſſigſten Grund faßt.

Eben die ſchoͤne Fanny, der ich am dritten Ort wieder
begegnete, ſchenkte mir, ohne ſich zu erinnern, mich jemals
geſehen zu haben, einige Aufmerkſamkeit, denn jetzt hatt’
ich Witz und Verſtand. — Wenn ich redete, hoͤrte man
zu, und ich wußte ſelber nicht, wie ich zu der Kunſt ge-
kommen war, das Geſpraͤch ſo leicht zu fuͤhren und zu be-
herrſchen. Der Eindruck, den ich auf die Schoͤne gemacht
zu haben einſah, machte aus mir, was ſie eben begehrte,
einen Narren, und ich folgte ihr ſeither mit tauſend Muͤhen
durch Schatten und Daͤmmerung, wo ich nur konnte.
Ich war nur eitel darauf, ſie uͤber mich eitel zu machen,
und konnte mir, ſelbſt mit dem beſten Willen, nicht den
Rauſch aus dem Kopf in’s Herz zwingen.

Aber wozu die ganz gemeine Geſchichte Dir lang und
breit wiederholen? — Du ſelber haſt ſie mir oft genug
von andern Ehrenleuten erzaͤhlt. — Zu dem alten, wohl-
bekannten Spiele, worin ich gutmuͤthig eine abgedroſchene
Rolle uͤbernommen, kam freilich eine ganz eigens gedichtete
Kataſtrophe hinzu, mir und ihr und Allen unerwartet.

Da ich an einem ſchoͤnen Abend nach meiner Gewohn-
heit eine Geſellſchaft in einem Garten verſammelt hatte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0045" n="259"/>
konnte; auch dacht&#x2019; ich vielleicht nur allein noch daran,<lb/>
wie ich mich bei Herrn <hi rendition="#g">John</hi> gezeigt, und es war mir<lb/>
eine dru&#x0364;ckende Erinnerung, demnach wollt&#x2019; ich hier blos<lb/>
Probe halten, um anderswo leichter und zuver&#x017F;ichtlicher<lb/>
auftreten zu ko&#x0364;nnen &#x2014; doch fand &#x017F;ich, was mich eine<lb/>
Zeitlang an meiner Eitelkeit fe&#x017F;thielt: das i&#x017F;t im Men&#x017F;chen,<lb/>
wo der Anker am zuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;ten Grund faßt.</p><lb/>
          <p>Eben die &#x017F;cho&#x0364;ne <hi rendition="#g">Fanny</hi>, der ich am dritten Ort wieder<lb/>
begegnete, &#x017F;chenkte mir, ohne &#x017F;ich zu erinnern, mich jemals<lb/>
ge&#x017F;ehen zu haben, einige Aufmerk&#x017F;amkeit, denn jetzt hatt&#x2019;<lb/>
ich Witz und Ver&#x017F;tand. &#x2014; Wenn ich redete, ho&#x0364;rte man<lb/>
zu, und ich wußte &#x017F;elber nicht, wie ich zu der Kun&#x017F;t ge-<lb/>
kommen war, das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch &#x017F;o leicht zu fu&#x0364;hren und zu be-<lb/>
herr&#x017F;chen. Der Eindruck, den ich auf die Scho&#x0364;ne gemacht<lb/>
zu haben ein&#x017F;ah, machte aus mir, was &#x017F;ie eben begehrte,<lb/>
einen Narren, und ich folgte ihr &#x017F;either mit tau&#x017F;end Mu&#x0364;hen<lb/>
durch Schatten und Da&#x0364;mmerung, wo ich nur konnte.<lb/>
Ich war nur eitel darauf, &#x017F;ie u&#x0364;ber mich eitel zu machen,<lb/>
und konnte mir, &#x017F;elb&#x017F;t mit dem be&#x017F;ten Willen, nicht den<lb/>
Rau&#x017F;ch aus dem Kopf in&#x2019;s Herz zwingen.</p><lb/>
          <p>Aber wozu die ganz gemeine Ge&#x017F;chichte Dir lang und<lb/>
breit wiederholen? &#x2014; Du &#x017F;elber ha&#x017F;t &#x017F;ie mir oft genug<lb/>
von andern Ehrenleuten erza&#x0364;hlt. &#x2014; Zu dem alten, wohl-<lb/>
bekannten Spiele, worin ich gutmu&#x0364;thig eine abgedro&#x017F;chene<lb/>
Rolle u&#x0364;bernommen, kam freilich eine ganz eigens gedichtete<lb/>
Kata&#x017F;trophe hinzu, mir und ihr und Allen unerwartet.</p><lb/>
          <p>Da ich an einem &#x017F;cho&#x0364;nen Abend nach meiner Gewohn-<lb/>
heit eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft in einem Garten ver&#x017F;ammelt hatte,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0045] konnte; auch dacht’ ich vielleicht nur allein noch daran, wie ich mich bei Herrn John gezeigt, und es war mir eine druͤckende Erinnerung, demnach wollt’ ich hier blos Probe halten, um anderswo leichter und zuverſichtlicher auftreten zu koͤnnen — doch fand ſich, was mich eine Zeitlang an meiner Eitelkeit feſthielt: das iſt im Menſchen, wo der Anker am zuverlaͤſſigſten Grund faßt. Eben die ſchoͤne Fanny, der ich am dritten Ort wieder begegnete, ſchenkte mir, ohne ſich zu erinnern, mich jemals geſehen zu haben, einige Aufmerkſamkeit, denn jetzt hatt’ ich Witz und Verſtand. — Wenn ich redete, hoͤrte man zu, und ich wußte ſelber nicht, wie ich zu der Kunſt ge- kommen war, das Geſpraͤch ſo leicht zu fuͤhren und zu be- herrſchen. Der Eindruck, den ich auf die Schoͤne gemacht zu haben einſah, machte aus mir, was ſie eben begehrte, einen Narren, und ich folgte ihr ſeither mit tauſend Muͤhen durch Schatten und Daͤmmerung, wo ich nur konnte. Ich war nur eitel darauf, ſie uͤber mich eitel zu machen, und konnte mir, ſelbſt mit dem beſten Willen, nicht den Rauſch aus dem Kopf in’s Herz zwingen. Aber wozu die ganz gemeine Geſchichte Dir lang und breit wiederholen? — Du ſelber haſt ſie mir oft genug von andern Ehrenleuten erzaͤhlt. — Zu dem alten, wohl- bekannten Spiele, worin ich gutmuͤthig eine abgedroſchene Rolle uͤbernommen, kam freilich eine ganz eigens gedichtete Kataſtrophe hinzu, mir und ihr und Allen unerwartet. Da ich an einem ſchoͤnen Abend nach meiner Gewohn- heit eine Geſellſchaft in einem Garten verſammelt hatte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/45
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/45>, abgerufen am 23.11.2024.