Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.auch in mir verloren zu haben. Bin ich denn so alt Ich hatte Bendel mit einigen Goldsäcken voraus ge- Ungefähr eine Stunde vom Orte, auf einem sonnigen auch in mir verloren zu haben. Bin ich denn ſo alt Ich hatte Bendel mit einigen Goldſaͤcken voraus ge- Ungefaͤhr eine Stunde vom Orte, auf einem ſonnigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0049" n="263"/> auch in mir verloren zu haben. Bin ich denn ſo alt<lb/> worden? — O traurige Vernunft! Nur noch ein Puls-<lb/> ſchlag jener Zeit, ein Moment jenes Wahnes, — aber<lb/> nein! einſam auf dem hohen, oͤden Meere deiner bittern<lb/> Fluth, und laͤngſt aus dem letzten Pokale der Champagner<lb/> Elfe entſpruͤht!</p><lb/> <p>Ich hatte <hi rendition="#g">Bendel</hi> mit einigen Goldſaͤcken voraus ge-<lb/> ſchickt, um mir im Staͤdtchen eine Wohnung nach meinen<lb/> Beduͤrfniſſen einzurichten. Er hatte dort viel Geld ausge-<lb/> ſtreut, und ſich uͤber den vornehmen Fremden, dem er<lb/> diente, etwas unbeſtimmt ausgedruͤckt, denn ich wollte<lb/> nicht genannt ſein, das brachte die guten Leute auf ſon-<lb/> derbare Gedanken. Sobald mein Haus zu meinem Em-<lb/> pfang bereit war, kam <hi rendition="#g">Bendel</hi> wieder zu mir und holte<lb/> mich dahin ab. Wir machten uns auf die Reiſe.</p><lb/> <p>Ungefaͤhr eine Stunde vom Orte, auf einem ſonnigen<lb/> Plan, ward uns der Weg durch eine feſtlich geſchmuͤckte<lb/> Menge verſperrt. Der Wagen hielt. Muſik, Glockenge-<lb/> laͤute, Kanonenſchuͤſſe wurden gehoͤrt, ein lautes Vivat<lb/> durchdrang die Luft, — vor dem Schlage des Wagens<lb/> erſchien in weißen Kleidern ein Chor Jungfrauen von<lb/> ausnehmender Schoͤnheit, die aber vor der Einen, wie<lb/> die Sterne der Nacht vor der Sonne, verſchwanden. Sie<lb/> trat aus der Mitte der Schweſtern hervor; die hohe zarte<lb/> Bildung kniete verſchaͤmt erroͤthend vor mir nieder, und<lb/> hielt mir auf ſeidenem Kiſſen einen aus Lorbeer, Oelzweigen<lb/> und Roſen geflochtenen Kranz entgegen, indem ſie von<lb/> Majeſtaͤt, Ehrfurcht und Liebe einige Worte ſprach, die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [263/0049]
auch in mir verloren zu haben. Bin ich denn ſo alt
worden? — O traurige Vernunft! Nur noch ein Puls-
ſchlag jener Zeit, ein Moment jenes Wahnes, — aber
nein! einſam auf dem hohen, oͤden Meere deiner bittern
Fluth, und laͤngſt aus dem letzten Pokale der Champagner
Elfe entſpruͤht!
Ich hatte Bendel mit einigen Goldſaͤcken voraus ge-
ſchickt, um mir im Staͤdtchen eine Wohnung nach meinen
Beduͤrfniſſen einzurichten. Er hatte dort viel Geld ausge-
ſtreut, und ſich uͤber den vornehmen Fremden, dem er
diente, etwas unbeſtimmt ausgedruͤckt, denn ich wollte
nicht genannt ſein, das brachte die guten Leute auf ſon-
derbare Gedanken. Sobald mein Haus zu meinem Em-
pfang bereit war, kam Bendel wieder zu mir und holte
mich dahin ab. Wir machten uns auf die Reiſe.
Ungefaͤhr eine Stunde vom Orte, auf einem ſonnigen
Plan, ward uns der Weg durch eine feſtlich geſchmuͤckte
Menge verſperrt. Der Wagen hielt. Muſik, Glockenge-
laͤute, Kanonenſchuͤſſe wurden gehoͤrt, ein lautes Vivat
durchdrang die Luft, — vor dem Schlage des Wagens
erſchien in weißen Kleidern ein Chor Jungfrauen von
ausnehmender Schoͤnheit, die aber vor der Einen, wie
die Sterne der Nacht vor der Sonne, verſchwanden. Sie
trat aus der Mitte der Schweſtern hervor; die hohe zarte
Bildung kniete verſchaͤmt erroͤthend vor mir nieder, und
hielt mir auf ſeidenem Kiſſen einen aus Lorbeer, Oelzweigen
und Roſen geflochtenen Kranz entgegen, indem ſie von
Majeſtaͤt, Ehrfurcht und Liebe einige Worte ſprach, die
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