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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

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meine Entlassung." Ich mußte andere Saiten aufziehen.
"Aber, Rascal, lieber Rascal, wer hat Dich auf die
unglückliche Idee gebracht, wie kannst Du denken -- --?"
er fuhr im selben Tone fort: "Es wollen Leute behaup-
ten, Sie hätten keinen Schatten -- und kurz, Sie zeigen
mir Ihren Schatten, oder geben mir meine Entlassung."

Bendel, bleich und zitternd, aber besonnener als ich,
machte mir ein Zeichen, ich nahm zu dem Alles beschwich-
tigenden Golde meine Zuflucht, -- auch das hatte seine
Macht verloren -- er warf's mir vor die Füße: "von
einem Schattenlosen nehme ich nichts an." Er kehrte
mir den Rücken und ging, den Hut auf dem Kopf, ein
Liedchen pfeifend, langsam aus dem Zimmer. Ich stand
mit Bendel da wie versteint, gedanken- und regungslos
ihm nachsehend.

Schwer aufseufzend und den Tod im Herzen, schickt'
ich mich endlich an, mein Wort zu lösen, und, wie ein
Verbrecher vor seinen Richtern, in dem Förstergarten zu
erscheinen. Ich stieg in der dunklen Laube ab, welche
nach mir benannt war, und wo sie mich auch diesmal
erwarten mußten. Die Mutter kam mir sorgenfrei und
freudig entgegen. Mina saß da, bleich und schön, wie
der erste Schnee, der manchmal im Herbste die letzten
Blumen küßt, und gleich in bittres Wasser zerfließen
wird. Der Forstmeister, ein geschriebenes Blatt in der
Hand, ging heftig auf und ab, und schien Vieles in sich
zu unterdrücken, was, mit fliegender Röthe und Blässe
wechselnd, sich auf seinem sonst unbeweglichen Gesichte

meine Entlaſſung.〞 Ich mußte andere Saiten aufziehen.
〟Aber, Rascal, lieber Rascal, wer hat Dich auf die
ungluͤckliche Idee gebracht, wie kannſt Du denken — —?〞
er fuhr im ſelben Tone fort: 〟Es wollen Leute behaup-
ten, Sie haͤtten keinen Schatten — und kurz, Sie zeigen
mir Ihren Schatten, oder geben mir meine Entlaſſung.〞

Bendel, bleich und zitternd, aber beſonnener als ich,
machte mir ein Zeichen, ich nahm zu dem Alles beſchwich-
tigenden Golde meine Zuflucht, — auch das hatte ſeine
Macht verloren — er warf’s mir vor die Fuͤße: 〟von
einem Schattenloſen nehme ich nichts an.〞 Er kehrte
mir den Ruͤcken und ging, den Hut auf dem Kopf, ein
Liedchen pfeifend, langſam aus dem Zimmer. Ich ſtand
mit Bendel da wie verſteint, gedanken- und regungslos
ihm nachſehend.

Schwer aufſeufzend und den Tod im Herzen, ſchickt’
ich mich endlich an, mein Wort zu loͤſen, und, wie ein
Verbrecher vor ſeinen Richtern, in dem Foͤrſtergarten zu
erſcheinen. Ich ſtieg in der dunklen Laube ab, welche
nach mir benannt war, und wo ſie mich auch diesmal
erwarten mußten. Die Mutter kam mir ſorgenfrei und
freudig entgegen. Mina ſaß da, bleich und ſchoͤn, wie
der erſte Schnee, der manchmal im Herbſte die letzten
Blumen kuͤßt, und gleich in bittres Waſſer zerfließen
wird. Der Forſtmeiſter, ein geſchriebenes Blatt in der
Hand, ging heftig auf und ab, und ſchien Vieles in ſich
zu unterdruͤcken, was, mit fliegender Roͤthe und Blaͤſſe
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[277/0063] meine Entlaſſung.〞 Ich mußte andere Saiten aufziehen. 〟Aber, Rascal, lieber Rascal, wer hat Dich auf die ungluͤckliche Idee gebracht, wie kannſt Du denken — —?〞 er fuhr im ſelben Tone fort: 〟Es wollen Leute behaup- ten, Sie haͤtten keinen Schatten — und kurz, Sie zeigen mir Ihren Schatten, oder geben mir meine Entlaſſung.〞 Bendel, bleich und zitternd, aber beſonnener als ich, machte mir ein Zeichen, ich nahm zu dem Alles beſchwich- tigenden Golde meine Zuflucht, — auch das hatte ſeine Macht verloren — er warf’s mir vor die Fuͤße: 〟von einem Schattenloſen nehme ich nichts an.〞 Er kehrte mir den Ruͤcken und ging, den Hut auf dem Kopf, ein Liedchen pfeifend, langſam aus dem Zimmer. Ich ſtand mit Bendel da wie verſteint, gedanken- und regungslos ihm nachſehend. Schwer aufſeufzend und den Tod im Herzen, ſchickt’ ich mich endlich an, mein Wort zu loͤſen, und, wie ein Verbrecher vor ſeinen Richtern, in dem Foͤrſtergarten zu erſcheinen. Ich ſtieg in der dunklen Laube ab, welche nach mir benannt war, und wo ſie mich auch diesmal erwarten mußten. Die Mutter kam mir ſorgenfrei und freudig entgegen. Mina ſaß da, bleich und ſchoͤn, wie der erſte Schnee, der manchmal im Herbſte die letzten Blumen kuͤßt, und gleich in bittres Waſſer zerfließen wird. Der Forſtmeiſter, ein geſchriebenes Blatt in der Hand, ging heftig auf und ab, und ſchien Vieles in ſich zu unterdruͤcken, was, mit fliegender Roͤthe und Blaͤſſe wechſelnd, ſich auf ſeinem ſonſt unbeweglichen Geſichte

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/63>, abgerufen am 23.11.2024.