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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

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geben vor, sie zu lieben, die Sie so weit heruntergebracht
haben? Sehen Sie, wie sie da weint und ringt. O
schrecklich! schrecklich!" --

Ich hatte dergestalt alle Besinnung verloren, daß ich,
wie irre redend, anfing: Es wäre doch am Ende ein
Schatten, nichts als ein Schatten, man könne auch ohne
das fertig werden, und es wäre nicht der Mühe werth,
solchen Lärm davon zu erheben. Aber ich fühlte so sehr
den Ungrund von dem, was ich sprach, daß ich von selbst
aufhörte, ohne daß er mich einer Antwort gewürdigt. Ich
fügte noch hinzu: was man einmal verloren, könne man
ein andermal wieder finden.

Er fuhr mich zornig an. -- "Gestehen Sie mir's,
mein Herr, gestehen Sie mir's, wie sind Sie um Ihren
Schatten gekommen?" Ich mußte wieder lügen: "Es trat
mir dereinst ein ungeschlachter Mann so flämisch in meinen
Schatten, daß er ein großes Loch darein riß -- ich habe
ihn nur zum Ausbessern gegeben, denn Gold vermag viel,
ich habe ihn schon gestern wieder bekommen sollen." --

"Wohl, mein Herr, ganz wohl!" erwiederte der Forst-
meister, "Sie werben um meine Tochter, das thun auch
Andere, ich habe als ein Vater für sie zu sorgen, ich gebe
Ihnen drei Tage Frist, binnen welcher Sie sich nach einem
Schatten umthun mögen; erscheinen Sie binnen drei Ta-
gen vor mir mit einem wohlangepaßten Schatten, so sollen
Sie mir willkommen sein: am vierten Tage aber -- das
sag' ich Ihnen -- ist meine Tochter die Frau eines An-
dern." -- Ich wollte noch versuchen, ein Wort an Mina

geben vor, ſie zu lieben, die Sie ſo weit heruntergebracht
haben? Sehen Sie, wie ſie da weint und ringt. O
ſchrecklich! ſchrecklich!〞 —

Ich hatte dergeſtalt alle Beſinnung verloren, daß ich,
wie irre redend, anfing: Es waͤre doch am Ende ein
Schatten, nichts als ein Schatten, man koͤnne auch ohne
das fertig werden, und es waͤre nicht der Muͤhe werth,
ſolchen Laͤrm davon zu erheben. Aber ich fuͤhlte ſo ſehr
den Ungrund von dem, was ich ſprach, daß ich von ſelbſt
aufhoͤrte, ohne daß er mich einer Antwort gewuͤrdigt. Ich
fuͤgte noch hinzu: was man einmal verloren, koͤnne man
ein andermal wieder finden.

Er fuhr mich zornig an. — 〟Geſtehen Sie mir’s,
mein Herr, geſtehen Sie mir’s, wie ſind Sie um Ihren
Schatten gekommen?〞 Ich mußte wieder luͤgen: 〟Es trat
mir dereinſt ein ungeſchlachter Mann ſo flaͤmiſch in meinen
Schatten, daß er ein großes Loch darein riß — ich habe
ihn nur zum Ausbeſſern gegeben, denn Gold vermag viel,
ich habe ihn ſchon geſtern wieder bekommen ſollen.〞 —

〟Wohl, mein Herr, ganz wohl!〞 erwiederte der Forſt-
meiſter, 〟Sie werben um meine Tochter, das thun auch
Andere, ich habe als ein Vater fuͤr ſie zu ſorgen, ich gebe
Ihnen drei Tage Friſt, binnen welcher Sie ſich nach einem
Schatten umthun moͤgen; erſcheinen Sie binnen drei Ta-
gen vor mir mit einem wohlangepaßten Schatten, ſo ſollen
Sie mir willkommen ſein: am vierten Tage aber — das
ſag’ ich Ihnen — iſt meine Tochter die Frau eines An-
dern.〞 — Ich wollte noch verſuchen, ein Wort an Mina

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[279/0065] geben vor, ſie zu lieben, die Sie ſo weit heruntergebracht haben? Sehen Sie, wie ſie da weint und ringt. O ſchrecklich! ſchrecklich!〞 — Ich hatte dergeſtalt alle Beſinnung verloren, daß ich, wie irre redend, anfing: Es waͤre doch am Ende ein Schatten, nichts als ein Schatten, man koͤnne auch ohne das fertig werden, und es waͤre nicht der Muͤhe werth, ſolchen Laͤrm davon zu erheben. Aber ich fuͤhlte ſo ſehr den Ungrund von dem, was ich ſprach, daß ich von ſelbſt aufhoͤrte, ohne daß er mich einer Antwort gewuͤrdigt. Ich fuͤgte noch hinzu: was man einmal verloren, koͤnne man ein andermal wieder finden. Er fuhr mich zornig an. — 〟Geſtehen Sie mir’s, mein Herr, geſtehen Sie mir’s, wie ſind Sie um Ihren Schatten gekommen?〞 Ich mußte wieder luͤgen: 〟Es trat mir dereinſt ein ungeſchlachter Mann ſo flaͤmiſch in meinen Schatten, daß er ein großes Loch darein riß — ich habe ihn nur zum Ausbeſſern gegeben, denn Gold vermag viel, ich habe ihn ſchon geſtern wieder bekommen ſollen.〞 — 〟Wohl, mein Herr, ganz wohl!〞 erwiederte der Forſt- meiſter, 〟Sie werben um meine Tochter, das thun auch Andere, ich habe als ein Vater fuͤr ſie zu ſorgen, ich gebe Ihnen drei Tage Friſt, binnen welcher Sie ſich nach einem Schatten umthun moͤgen; erſcheinen Sie binnen drei Ta- gen vor mir mit einem wohlangepaßten Schatten, ſo ſollen Sie mir willkommen ſein: am vierten Tage aber — das ſag’ ich Ihnen — iſt meine Tochter die Frau eines An- dern.〞 — Ich wollte noch verſuchen, ein Wort an Mina

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/65>, abgerufen am 23.11.2024.